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Seehofer verbietet antisemitische Reichsbürger-Gruppe

Bundesinnenminister Horst Seehofer bei einer Pressekonferenz. Foto: Jörg Carstensen/dpa
Bundesinnenminister Horst Seehofer bei einer Pressekonferenz. Foto: Jörg Carstensen/dpa

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat erstmals eine Reichsbürger-Gruppierung bundesweit verboten. Polizeibeamte durchsuchten am Donnerstag in den frühen Morgenstunden die Wohnungen führender Mitglieder des Vereins «Geeinte deutsche Völker und Stämme» und seiner Teilorganisation «Osnabrücker Landmark» in zehn Bundesländern. «Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus werden auch in Krisenzeiten unerbittlich bekämpft», schrieb der Sprecher des Ministeriums, Steve Alter, im Kurznachrichtendienst Twitter.

Die Mitglieder des Vereins «bringen durch Rassismus, Antisemitismus und Geschichtsrevisionismus ihre Intoleranz gegenüber der Demokratie deutlich zum Ausdruck», hieß es aus dem Bundesinnenministerium. In den vergangenen Jahren sei die Gruppierung unter anderem durch «verbalaggressive Schreiben» aufgefallen. Darin sei den Adressaten «Inhaftierung» und «Sippenhaft» angedroht worden.

«Der Rechtsstaat setzt mit dem Verbot der Reichsbürger-Gruppierung ein klares Signal. Verfassungsfeindliche Bestrebungen und Rechtsextremismus haben in unserer Gesellschaft nichts zu suchen», sagte Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) der Deutschen Presse-Agentur. Es gelte, weiter aufmerksam zu sein und Extremismus mit allen rechtsstaatlichen Mitteln konsequent zu bekämpfen. In Sachsen gab es laut Innenministerium Durchsuchungen von Objekten in Dresden und Dohna. Sie betrafen eine 58 Jahre alte Frau und einen 55-jährigen Mann.

Kerstin Köditz, Rechtsextremismus-Expertin der Linken im Landtag, sprach von einem «konsequenten und überfälligen Schritt». Die Gruppierung «Geeinte deutsche Stämme und Völker» habe auch einige Anhänger in Sachsen. «Meines Wissens hatte die Anführerin Heike W. in der Vergangenheit auch in Sachsen kostenpflichtige «Seminare» angeboten, um ihre kruden Thesen zu verbreiten. Auf deren Grundlage haben hiesige Reichsbürger unter anderem einen «Naturstaat Sachsen» ausgerufen und die Städte Dresden und Radebeul sowie Kleindehsa, einen Ortsteil von Lawalde (Landkreis Görlitz), für sich reklamiert.»

Köditz zufolge werden in Sachsen derzeit offiziell rund 1000 Personen dem Reichsbürger-Spektrum zugeordnet. Die Abgeordnete fragt solche Zahlen regelmäßig im Innenministerium ab. Davon verfügten zuletzt 18 Personen über waffenrechtliche Erlaubnisse. «Ich gehe aber davon aus, dass die Szene deutlich größer ist: Viele Aktivitäten haben sich ins Internet verlagert, wo eine Vernetzung leicht gelingt, von außen aber schwer überschaubar ist», betonte Köditz. Zudem seien die Übergänge «in verschwörungstheoretischen Kreisen» fließend.

«Reichsbürger» und «Selbstverwalter» zweifeln die Legitimität der Bundesrepublik Deutschland an. Einige dieser Gruppierungen berufen sich auf ein selbst definiertes «Naturrecht», andere auf das historische Deutsche Reich. Viele unter ihnen behaupten, die Bundesrepublik sei in Wirklichkeit kein Staat, sondern ein Unternehmen. Sie erkennen Gesetze und Behörden nicht an und wehren sich teilweise gewaltsam gegen staatliche Maßnahmen. Bundesweit soll es nach Angaben des Verfassungsschutzes rund 19.000 Mitglieder dieser Szene geben, deren Mitglieder als waffenaffin gelten.

Schwerpunkt der Kleingruppe «Geeinte deutsche Völker und Stämme» war zuletzt Berlin. So versuchte sie zum Beispiel, das Rathaus im Bezirk Zehlendorf zu «übernehmen». Laut Polizei setzten sich ihre Mitglieder zudem mit Vehemenz und Drohungen für eine vorzeitige Haftentlassung des wegen Volksverhetzung verurteilten todkranken Holocaust-Leugners Horst Mahler ein. Im vergangenen September hatten Polizeibeamte in drei Bundesländern insgesamt vier Durchsuchungsbeschlüsse gegen Mitglieder der Gruppe vollstreckt. Nach dpa-Informationen wurde nun in Berlin, Brandenburg, Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Sachsen und Thüringen durchsucht.

Heike W. - das bekannteste Gesicht der Gruppe - rechnet sich selbst nicht den Reichsbürgern zu. Sie verbreitet ihre Theorien unter anderem auf der Website der Gruppe und auf Youtube. W. beruft sich auf «die germanischen Erstbesiedlungsrechte». Ihre Anhänger animiert sie, Personalausweise zurückzugeben und sich «lebend zu erklären».

Inhalt: dpa - Deutsche Presse-Agentur GmbH

Bilder: Bundesinnenminister Horst Seehofer bei einer Pressekonferenz. Foto: Jörg Carstensen/dpa