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Warnungen vor rechter Gewalt und russischer Propaganda

Eine Demonstrantin schwenkt eine russische und eine deutsche Flagge. / Foto: Stefan Sauer/dpa/Symbolbild
Eine Demonstrantin schwenkt eine russische und eine deutsche Flagge. / Foto: Stefan Sauer/dpa/Symbolbild

Rechtsextreme Mobilisierung und russische Propaganda: Opferberater sehen gesellschaftliche Entwicklungen infolge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine mit Sorge. Man erlebe bereits seit einigen Wochen einen «extremen Anstieg» rassistischer und rechter Gewalt, sagte Franz Zobel von der Thüringer Opferberatungsstelle ezra am Donnerstag in einer Online-Schalte. Es gebe eine massive Mobilisierung in Ostdeutschland.

Zobel nannte eine Demonstration in Gera als Beispiel, bei der am 3. Oktober Tausende auf die Straße gegangen waren. Dort habe sich ein «gefährlicher, aggressiver, rechter Zusammenschluss von rechter, konservativer, bürgerlicher Mitte bis zu extrem rechten Akteuren wie Freien Thüringern, Reichsbürgern und AfD» gezeigt.

Die Sozialpsychologin Pia Lamberty sagte: «Wir sehen viel Gewalt in der Gesellschaft». Hinzu komme verstärkte Aktivität russischer Desinformationskampagnen. Lamberty ist Co-Autorin einer neuen Studie zur Verbreitung russischer Verschwörungserzählungen. Demnach stimmen immer mehr Deutsche solcher Propaganda zu. Die Aussage, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine sei eine alternativlose Reaktion Russlands auf Provokationen der Nato, erhielt in der repräsentativen Studie des Centers für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) Zuspruch von 19 Prozent. 21 Prozent der Befragten stimmten der Aussage demnach teilweise zu. Im April lagen die Werte noch bei 12 Prozent Zustimmung und 17 Prozent teilweiser Zustimmung.

Dabei zeigte sich auch, dass die russische Propaganda in Ostdeutschland offenbar stärker verfängt als im Westen. So stimmten der Aussage, die Nato habe Russland provoziert, im Osten etwa ein Drittel der Befragten zu, während der Wert im Westen bei 16 Prozent lag.

Ein ähnliches Bild zeigte sich bei der Verschwörungsaussage, der russische Präsident Wladimir Putin gehe gegen eine globale Elite vor, die im Hintergrund die Fäden ziehe: 27 Prozent im Osten stimmten dem zu, aber nur 16 Prozent im Westen. Die Befragung wurde vom 3. bis 11. Oktober vom Marktforschungsinstitut Bilendi & respondi durchgeführt. An der Studie nahmen 2228 Menschen zwischen 18 und 90 Jahren teil.

Die Studienautoren weisen darauf hin, dass es sich um ein aktuelles Stimmungsbild handelt. «Und dieses erscheint vor dem Hintergrund der Zunahme der Zustimmungswerte zu pro-russischen Verschwörungserzählungen innerhalb der deutschen Gesamtbevölkerung durchaus beunruhigend», schreiben sie in ihrer Studie. Sie fordern eine «tiefgreifende gesellschaftliche Debatte zu der Frage, wie der zunehmenden Flut an Desinformationskampagnen begegnet werden kann».

Sorge bereiten den Opferberatern auch zunehmende Ressentiments und Gewaltakte gegen Geflüchtete. Sultana Sediqi vom Erfurter Verein Jugendliche ohne Grenzen berichtete von Afghanen und Syrern, die bespuckt und ausgegrenzt würden. Junge Menschen würden auf offener Straße angegriffen. «Das ist Alltag.»

Robert Kusche von der Opferberatung RAA in Sachsen wies auf die Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern hin. «Es wird ja nicht nur gezündelt, sondern die Täter nehmen ganz bewusst den Tod von Menschenleben in Kauf», sagte Kusche.

Thüringens Innenminister Georg Maier sagte, dass Rechtsextremisten versuchten, die Demonstrationen gegen Inflation, Energiepreise und die Folgen des Ukraine-Krieges «zu bestimmen und sich auch an die Spitze zu setzen». Zudem beobachte er teils eine Vernetzung rechtsextremer Gruppen aus mehreren Bundesländern. «Wir sehen hier teils länderübergreifende Strukturen», sagte der SPD-Politiker der dpa.

Die Innen-Ressortchefs- und -chefinnen der ostdeutschen Bundesländer Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, und Mecklenburg-Vorpommern kommen am Freitag zu Beratungen in Erfurt zusammen. Für Berlin kommt der Innen-Staatssekretär. Bei dem Treffen soll es auch um die Demonstrationen in vielen ostdeutschen Städten gehen.

Maier warnte auch vor einer Radikalisierung, «die im Endeffekt auch die Gefahr birgt, dass es dann auch zu Gewalttaten kommt, bis hin zu terroristischen Angriffen». Man sollte und dürfe das nicht völlig ausschließen.

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