Bis zuletzt fährt Chemnitz als Kulturhauptstadt Europas 2025 große Namen auf. Zwar fällt am Wochenende offiziell der Vorhang für das Kulturjahr, doch am Leuchtturmprojekt «Purple Path» wird ein weiteres hochkarätiges Kunstwerk eröffnet: Der als Meister des Lichts international gefeierte US-Künstler James Turrell hat eine Installation mit dem Titel «Beyond Horizons» geschaffen. Sie wird in einer Halle auf einem ehemaligen Bergwerksgelände in der Region gezeigt.
Doch wie fällt die Bilanz des Kulturhauptstadtjahres insgesamt aus? Und was wird davon in Zukunft bleiben?
OB: Aus Vorurteilen und Hörensagen wurde eigenes Erleben
«Es war ein Jahr, das die Stadt und die Region in vielerlei Hinsicht bewegt und verändert hat», sagt Oberbürgermeister Sven Schulze (SPD). Chemnitz sei sichtbarer geworden - gerade für Leute von außen. «Für viele Gäste ist aus Vorurteilen und Hörensagen eigenes Erleben geworden.» Und es hätten sich viele Menschen, die in der Stadt leben, eingebracht und engagiert. Dazu verweist der Stadtchef nicht nur auf rund 1.300 Freiwillige im Volunteer-Programm. Sondern auch auf die Beteiligung bei vielen kleinen Projekten etwa in den Garagenhöfen der Stadt. Dazu habe ein breiter Kulturbegriff beigetragen, der nicht nur auf Ausstellungen und Konzerte setzt, so Schulze.
Deutlich mehr Gäste in Museen und Hotels
Rund zwei Millionen Besucher - so lautet die Zielmarke. Die Festivals und Museen jedenfalls stießen auf großes Interesse, teils wurden Öffnungszeiten ausgeweitet. Rund 115.000 Besucher lockte allein das Kosmos-Festival an, auch beim Hut-Festival waren es nach Veranstalterangaben mit 105.000 Menschen doppelt so viele wie im Vorjahr. Die große Ausstellung mit Werken des Malers Edvard Much in den Kunstsammlungen zählte 84.000 Besucherinnen und Besucher.
Auch in Zahlen des Gastgewerbes zeigt sich ein Kulturhauptstadteffekt. Während für Sachsen insgesamt die Gäste-Ankünfte und Übernachtungen von Januar bis September im Vergleich zum Vorjahr gesunken ist, wurden im Reisegebiet Chemnitz-Zwickau Zuwächse von mehr als 9 Prozent erzielt, wie aus Zahlen des Statistischen Landesamtes hervorgeht. Insgesamt weist die Statistik für die Region in diesem Zeitraum gut 916.000 Übernachtungen aus. Die vielfältigen Kulturangebote dürften zudem viele Tagestouristen und Besucher aus der Region angelockt haben.
Ausgaben auf rund 115 Millionen Euro geklettert
Ursprünglich waren rund 90 Millionen Euro als Gesamtbudget veranschlagt - nicht nur für das Kulturhauptstadtjahr 2025 an sich, sondern für den Zeitraum 2021-2027. Es sei aber gelungen, über Förderprogramme weitere Mittel für Investitionen in die Infrastruktur der Stadt zu aktivieren, erklärt Schulze. Dazu habe auch die Stadt ihren Anteil um etwa 10 Millionen Euro erhöht. So liege das Budget nun bei etwa 115 Millionen Euro. Davon seien etwa 58 Millionen Euro in Programm, Personal und Werbung geflossen - etwa so viel wie ursprünglich geplant.
Felix Kummer: Rechtsextremismus klarer adressieren
Im Rennen um den Kulturhauptstadttitel hatte sich Chemnitz gegen Städte wie Nürnberg und Hannover durchgesetzt - auch weil es seine dunklen Seiten wie die rechtsextremen Exzesse 2018 klar in der Bewerbung adressierte. Damals gab es in der sächsischen Großstadt rassistische Angriffe, von Hetzjagden auf Ausländer war die Rede.
Nach Ansicht des Musikers Felix Kummer, der mit seiner Band Kraftklub 2018 das #WirSindMehr-Konzert initiiert hatte, wurde Rechtsextremismus im Kulturhauptstadtjahr zu wenig adressiert. «Ich hätte mir eine klarere Abgrenzung gewünscht», sagt er. «Deswegen konnten wir uns als Band diese ganze Sache anfangs auch nicht so richtig zu eigen machen.» Insgesamt hätten er und seine Bandkollegen das Jahr aber sehr genossen.
Studie: Hohe Zufriedenheit bei Besuchern und Imagegewinn
«Im Laufe des Kulturhauptstadtjahres hat sich das Image der Stadt signifikant verbessert», sagt der Sozialwissenschaftler Jochen Mayerl von der Technischen Universität Chemnitz. Er und seine Kollegen haben umfangreiche Befragungen und Interviews vor und während des Kulturhauptstadtjahres geführt - mit Menschen aus Chemnitz und Sachsen sowie Besuchern. So habe sich bei Besuchern der Imagewert von Chemnitz auf einer Skala von 0 bis 6 von 3,6 auf 4,5 Punkte deutlich verbessert.
«So ein Sprung ist erstaunlich», erklärt der Experte. Die Zufriedenheit der Besucher sei übers Jahr hinweg hoch gewesen - insgesamt hätten sich 87 Prozent zufrieden geäußert. Allerdings handle es sich um vorläufige Zahlen und sei die Auswertung noch in vollem Gang, betont Mayerl.
Der Vorhang fällt: Was bleibt vom Kulturhauptstadtjahr?
Dieses Wochenende wird das Finale gefeiert. Doch das Kulturhauptstadtgefühl soll weiter am Köcheln gehalten werden. Einige Festivals wie das Kosmos sind 2026 fest eingeplant, wenn auch in kleinerem Umfang. Und ab Mitte Juni wird die Stadt zum Theater-Mekka: Rund 40 Produktionen aus aller Welt werden beim Festival «Theater der Welt» gezeigt.
Im Zwei-Jahres-Rhythmus ist eine «Unseen-Biennale» geplant; mit Festivals und größeren Ausstellungen - in Anlehnung an das Kulturhauptstadtmotto «C the Unseen». Auch das NSU-Dokumentationszentrum und das neu geschaffene Karl Schmidt-Rottluff Museum bleiben nach 2025 erhalten.
Während der besondere Ausstellungsreigen der Museen zu Ende geht, können Kunstinteressierte auch künftig auf dem «Purple Path» wandeln - also jenem Kunst- und Skulpturenpfad, der Chemnitz mit dem Umland verbindet. Das Gros der Arbeiten von Künstlern wie Olaf Holzapfel, Tony Cragg, Monika Sosnowska und Leiko Ikemura bleibt in den kommenden Jahren bestehen. So auch die neue Lichtinstallation von James Turrell. Für sie wurde eigens neben dem Museum «Kohlewelt» in Oelsnitz/Erzgebirge eine Kunsthalle gebaut.
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