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Gewalt gegen Parteimitglieder: Rauer Ton in Sachsen

Ein Einschussloch in der Fensterscheibe eines Abgeordnetenbüros. Foto: Jan Woitas/zb/dpa/Archiv
Ein Einschussloch in der Fensterscheibe eines Abgeordnetenbüros. Foto: Jan Woitas/zb/dpa/Archiv

Anschläge auf Politiker, Morddrohungen, zerstörte Parteibüros - der Ton wird zunehmend rauer in Sachsen. Die Zahl der Gewalt gegen Parteien sei 2019 gestiegen, teilten sächsische CDU, SPD, Grüne, Linke und AfD auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Zumindest für 2018 deuten Zahlen des Innenministeriums für Sachsen jedoch nicht auf einen Anstieg der Übergriffe hin.

Im Landtagswahlkampf der CDU wurde ein freiwilliger Helfer nach Angabe der Partei beim Plakatieren in Mittelsachsen angegriffen und musste danach von einem Arzt behandelt werden. «Die unzweifelhafte Zunahme von Hass, Hetze, Beleidigungen und Drohungen vor allem in den sozialen Netzwerken, aber auch auf Demonstrationen erfüllt mich mit großer Sorge», sagte Generalsekretär Alexander Dierks.

Auch die SPD beobachtet eine «Verrohung der politischen Kultur», wie eine Sprecherin mitteilte. 2019 sorgte besonders die Drohung gegen den Landeschef Martin Dulig für Aufsehen. Er hatte im Juni ein Paket mit einem Soft-Air-Nachbau eines Sturmgewehrs an seine Privatadresse geschickt bekommen. Gegen seine Parteikollegin und Integrationsministerin Petra Köpping wurden im August Morddrohungen ausgesprochen.

Grünen-Chef Norman Volger nimmt ein steigendes Gewaltpotential wahr: «Wir beobachten, dass die Zahl der Sachbeschädigungen weiter zunimmt und der allgemeine Ton im Umgang rauer wird», sagte er.

Besonders viele Übergriffe hatte es 2019 nach Angaben der Parteien auf Linke und AfD gegeben. Die sächsische AfD spricht nach dem Wahljahr von «beängstigenden und erschreckenden Ausmaßen» der Gewalt gegen die Partei. Im Januar explodierte etwa eine Kugelbombe vor dem AfD-Parteibüro in Döbeln. Andere Büros seien wiederholt beschmiert oder mit Steinen beworfen worden - allein das Büro des Chemnitzer Politikers Carsten Hütter wurde nach AfD-Angaben mehr als 30 mal attackiert. Auch private Häuser der Politiker seien beschädigt und AfD-Wahlkampfhelfer angegriffen worden. Im September waren auf einem Privatgrundstück in Meißen mehrere Fahrzeuge in Flammen aufgegangen - teilweise sollen sie einem AfD-Politiker gehören. Sachsens AfD spricht von einem «Brandanschlag auf den gesamten Fuhrpark der sächsischen AfD in Meißen».

Mitglieder von Sachsens Linke beobachten ebenfalls eine Zunahme von Bedrohungen und teils auch Übergriffen - besonders die Qualität der Angriffe habe sich zugespitzt, so ein Sprecher. Im Juli wurde am Haus der Zittauer Linke-Politikerin Ramona Gehring ein Sprengkörper gezündet, in der Wohnung der Politikerin befanden sich nach Angaben der Partei Die Linke mehrere Personen, auch Gehrings Enkelkind. Im Juni wurden drei Linke-Parteimitglieder in Leipzig angegriffen, die Veranstaltungsplakate abnehmen wollten. Dem Landesverband seien 2019 insgesamt 16 Übergriffe auf Büros und Politiker gemeldet worden. Zwölfmal seien Büros von Abgeordneten angegriffen worden - allein sechsmal das Büro des Leipziger Bundestagsabgeordneten Sören Pellmann im Stadtteil Grünau.

Anders als die übereinstimmenden Berichte der Parteien, belegen Zahlen des sächsischen Innenministeriums eine Zunahme der Gewalt für 2018 nicht. Nach Angabe einer Sonderauswertung des Landeskriminalamtes (LKA) gab es 2018 mit 218 Fällen weniger politisch motivierter Straftaten gegen Politiker, Parteieinrichtungen, Parteirepräsentanten und Parteiveranstaltungen als in den Vorjahren. 2017 wurden noch 317 politisch motivierte Straftaten registriert, 2016 waren es 325. Aktuellere Zahlen lägen dem Innenministerium nicht vor, eine entsprechende Sonderauswertung werde erst im Frühjahr erstellt.

Von den 99 Straftaten gegen Politiker und Mandatsträger 2018 waren 48 der Delikte nach Angaben des Innenministeriums politisch rechts motiviert, 13 links motiviert und 37 waren nicht zuzuordnen. Einmal war die Motivation eine «ausländische Ideologie». Das geht aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der AfD von August hervor. Damit setzte sich der Abwärtstrend aus den Vorjahren fort. Laut Sonderauswertung des LKA wurden im Jahr 2017 insgesamt 170 Straftaten gegen Politiker registriert, 2016 waren es 204.

Die Zahl von Straftaten «gegen Parteieinrichtungen», also gegen Parteibüros und Wahlkreisbüros, stieg nach Angaben des Innenministeriums 2018 leicht an: 64 solcher Übergriffe verzeichnete das Ministerium, wie aus der Antwort auf die Kleine Anfrage der AfD hervorgeht, 2017 waren es 58, 2016 mit 106 deutlich mehr. Anders als bei den Straftaten gegen Personen, geht das Innenministerium hier in 2018 von mehrheitlich politisch links motivierten Straftaten aus: 46 Fälle der Delikte gegen Parteieinrichtungen sollen links motiviert gewesen sein, 13 rechts motiviert.

Inhalt: dpa - Deutsche Presse-Agentur GmbH

Bilder: Ein Einschussloch in der Fensterscheibe eines Abgeordnetenbüros. Foto: Jan Woitas/zb/dpa/Archiv