Politiker aus Sachsen, Polen und Tschechien haben im nordböhmischen Liberec über die zukünftige Entwicklung im Dreiländerraum diskutiert. An der Konferenz zu einer «gerechten Transformation» des Grenzgebiets nahmen am Freitag unter anderem der tschechische Minister für Regionalentwicklung, Ivan Bartos, der Oberbürgermeister von Zittau, Thomas Zenker, und der Landrat des Landkreises Görlitz, Stephan Meyer, teil.
Bartos mahnte die Suche nach einem gemeinsamen Ziel an und verwies auf den römischen Philosophen Seneca: «Für ein Schiff, das seinen Hafen nicht kennt, weht kein Wind günstig.» Als gemeinsame Herausforderungen identifizierten die Teilnehmer unter anderem das Älterwerden der Gesellschaft, fehlende Verkehrsverbindungen und die mangelnde Förderung von trinationalen - statt nur binationalen - Vorhaben.
Überschattet wurde die Debatte vom Streit über den Tagebau Turow, der sich nahe dem Dreiländereck befindet und erweitert wird. Der Bürgermeister der polnischen Grenzstadt Bogatynia, Wojciech Dobrolowicz, warf den Kritikern des Ausbaus vor, Arbeitsplätze zu gefährden und einen Keil in die Beziehungen zu treiben. Der Tagebau und das Kraftwerk sind die größten Arbeitgeber der Stadt.
Zittaus Oberbürgermeister Zenker forderte eine stärkere Mitsprache: Wenn man ein größeres Vorhaben plane, erweitere oder fortsetze, müsse man selbstverständlich die Auswirkungen auf die Nachbarn betrachten. Zugleich räumte er ein, dass die Unsicherheit über die Zukunft auf polnischer Seite eine solche Diskussion sehr schwierig mache.
Anwohner des Tagebaus klagen über Bodensenkungen sowie Staub- und Lärmbelastung. Befürchtet wird zudem eine weitere Absenkung des Grundwasserspiegels in der Region. Tschechien hatte zunächst gegen die Pläne für Turow vor dem Europäischen Gerichtshof geklagt. Doch im Februar 2022 kam es überraschend zu einer Einigung zwischen Prag und Warschau, die unter anderem Ausgleichszahlungen in Höhe von 45 Millionen Euro vorsieht.
Die deutsche Seite blieb bei den Verhandlungen zwischen Polen und Tschechien außen vor. Zittau sei nicht in der Lage, die gleichen Druckmittel anzuwenden, wie es der tschechische Staat getan habe, sagte Oberbürgermeister Zenker auf Nachfrage. Als Ergebnis der Konferenz in Liberec (Reichenberg) hielt er fest: «Wir haben auf allen drei Seiten Hausaufgaben.»
Copyright 2023, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten