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HSV-Coach Titz in Sorge über gesellschaftliche Entwicklung

dpa / Christian Charisius
dpa / Christian Charisius

Nach der durch rechtspopulistische und ausländerfeindliche Demonstrationen in Chemnitz bedingten Spielabsage hat sich Hamburgs Fußball-Trainer Christian Titz besorgt über die Entwicklungen in Deutschland gezeigt. «Es ist etwas Alarmierendes, wenn so was in unserer Gesellschaft passiert. In den letzten Monaten hat sich schon ein stückweit unsere gesellschaftliche Grundlage geändert», sagte der HSV-Coach am Samstag dem NDR.

Weil in Chemnitz zur Absicherung zahlreicher Demos tausende Polizisten zusammengezogen wurden, war nach einer Verfügung des Sächsischen Staatsministerium des Innern (SMI) am Freitagabend das für Samstag angesetzte Zweitligaduell zwischen Dynamo Dresden und dem HSV abgesagt worden.

Sowohl bei den Dresdnern als auch den bereits in Sachsens Landeshauptstadt angekommenen Hamburgern hatte die Absage für Unmut gesorgt. «Aber die Sicherheit der Menschen steht vor allem», sagte Titz, der am Samstag in Hamburg wie auch die Dresdner zu Hause trainierte statt um Punkte zu spielen.

Auch Dynamo-Geschäftsführer Michael Born ärgerte sich über die Kurzfristigkeit der Entscheidung. «Da hängt eine Menge mehr dran, wie Catering usw. Das sind Kosten, die auf uns zukommen, die wir noch genau beziffern müssen. Aber wir müssen uns der Entscheidung beugen und das macht einen schon sehr nachdenklich», sagte er dem MDR.

Anfang der kommenden Woche werden sich beide Vereine und die Deutsche Fußball Liga austauschen und «dann hoffen wir, bis Mitte der kommenden Woche einen neuen Termin gefunden zu haben», sagte Born. Auch Titz hofft auf eine schnelle Neuansetzung: «Klar ist, dass wir so schnell wie möglich das Nachholspiel wollen. Damit wir punktemäßig keinem Abstand hinterherlaufen, für den wir nichts können.»

Sachsens Polizeipräsident Jürgen Georgie sagte, die Behörden hätten bis zuletzt versucht, das Spiel zu gewährleisten. Aber die durch das Grundgesetz geschützte Versammlungslage in Chemnitz habe einen höheren Rang als das Fußballspiel gehabt. «Wir mussten Einheiten, die da geplant waren, nach Chemnitz holen», sagte Georgie dem MDR. Dabei war das mit 30 000 Zuschauern ausverkaufte Duell nicht mal als Risikospiel eingestuft worden.

Am Samstag waren in Chemnitz rund 8500 Menschen verschiedener Lager bei mehreren Kundgebungen auf die Straße gegangen. Auslöser war der Tod eines 35-jährigen Chemnitzers nach einer Messerattacke vermutlich durch einen Iraker und einen Syrer, die in Untersuchungshaft sitzen.

Die HSV-Spieler wollen derweil Geld für die rund 3000 mitgereisten Fans sammeln, damit diese ihre Kosten für das abgesagte Punktspiel ausgleichen können. In den sozialen Netzwerken bieten Dresdner Fans HSV-Anhängern schon jetzt Übernachtungsmöglichkeiten für das Nachholspiel an.

Titz mahnte derweil: «Ich möchte nicht in einem Land leben, in dem Menschen ermordet oder durch die Straßen gejagt werden. Vielleicht sind das jetzt Anlässe, wo wir alle zusammenkommen und uns darüber mal Gedanken machen, wie wir in Zukunft solche Dinge verhindern können. Denn wir sind Menschen und keine Tiere», sagte er.

Hermann Winkler, Präsident des Nordostdeutschen Fußball-Verbandes (NOFV), glaubt nicht, dass die Spielabsage und die negativen Schlagzeilen aus Chemnitz einen Einfluss auf die EM-Vergabe 2024 am 27. September haben werden. Deutschland und die Türkei bewerben sich um die Ausrichtung. «Deutschland ist immer noch sicherer als die Türkei und ist ein demokratischer Rechtsstaat. Und das wird hoffentlich bei der EM-Vergabe auch so berücksichtigt», sagte der CDU-Politiker dem MDR.

Er zeigte Verständnis für die Spielabsage. «Wir dürfen nicht kapitulieren vor den Chaoten, egal ob sie nun auf der Straße oder in den Stadien sind. Hier muss der Staat kräftige Zähne zeigen. Sonst wird das Verständnis, für viele Dinge, die wir hier so machen, auch kleiner», sagte Winkler.

Inhalt: dpa - Deutsche Presse-Agentur GmbH

Bilder: dpa / Christian Charisius