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Gegen das Vergessen: Zahl der Stolpersteine wächst beständig

Gunter Demnig, Kölner Bildhauer und Ideengeber des Projektes „Stolpersteine“. Foto: Andreas Arnold/dpa
Gunter Demnig, Kölner Bildhauer und Ideengeber des Projektes „Stolpersteine“. Foto: Andreas Arnold/dpa

Sie sind klein und reflektieren das Sonnenlicht - die Stolpersteine auf Deutschlands Gehwegen zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus. Wer einmal darüber stolpert und die Inschrift der Steine liest, für den wird Geschichte unmittelbar erfahrbar. 1687 der Mahnmale sind nach Angaben von Katja Demnig, der Datenbankbeauftragten des Projekts, in Sachsen zu finden. Die ersten Steine im Freistaat seien 2003 in Zwickau verlegt worden. Seitdem wächst ihre Zahl. Insgesamt gebe es in den östlichen Bundesländern aber eine geringere Nachfrage nach den Steinen als in den westlichen, sagte Demnig. Auch Vandalismus ist immer wieder ein Thema.

Hinter der Idee der Stolpersteine steckt der Kölner Bildhauer Gunter Demnig. Er verlegt die 10 mal 10 Zentimeter großen Steine seit 1992 vor den Häusern von Opfern des Nationalsozialismus. Unter ihnen sind Juden, Menschen mit Behinderung, Sinti und Roma, Homosexuelle und politisch Andersdenkende. Jeder Stein besitzt eine Messingplatte, auf der Name, Jahrgang und Schicksal der betreffenden Person eingraviert sind. Mit den handgemachten Steinen möchte der Künstler die Erinnerung an jeden einzelnen der Menschen erhalten. 

Um dieses Ziel zu erreichen, arbeiten in Sachsen nach Angaben von Katja Demnig inzwischen rund 56 Initiativen in ebensovielen Städten an dem Projekt. In Leipzig koordiniert die Arbeitsgruppe «Stolpersteine in Leipzig» seit 2006 die Verlegungen. Laut Projektkoordinator Achim Beier ist die Nachfrage nach neuen Steinen hoch. Im Schnitt erhalte er im Monat zwei Anfragen von Nachfahren der Opfer, aber auch Bürgerinitiativen und Schulklassen, die einen Stein verlegen möchten. Derzeit bestünde eine Wartezeit bis ins Jahr 2022.

Für die Angehörigen der ermordeten und verfolgten Menschen hätten die Steine eine «entlastende Funktion», sagte Beier. Für manche der Menschen, die unter anderem aus den USA, England oder Israel für die Verlegungen anreisten, bedeuteten die Steine eine Versöhnung mit Deutschland. Für die Jugendlichen, die im Rahmen von Schulprojekten die Biografien der Opfer recherchieren, sei das Projekt außerdem «handfester Geschichtsunterricht», so Künstler Gunter Demnig. 

Immer wieder kommt es aber auch zu Schändungen der Mahnmale. In Sachsen nehme er allerdings nicht mehr Vandalismus wahr als in anderen Teilen Deutschlands, sagte Demnig. In Leipzig und Umgebung zählte der Erich-Zeigner-Haus e.V. in den letzten fünf Jahren sieben Vorfälle, bei denen Steine ausgegraben, beschädigt und beschmutzt wurden. Der Verein koordiniert die Verlegungen der Steine im Leipziger Umland und betreut das jährliche Steineputzen in Leipzig, das für die Arbeitsgruppe auch als Inventur dient.

In Chemnitz seien in den vergangenen zwei Jahren mindestens zehn Stolpersteine geschändet, beschädigt oder entfernt worden, teilte der Verein der Verfolgtes des Naziregimes mit. «Insbesondere während der letzten Wahlkämpfe kam es zu solchen Aktionen.»

In die Kritik geriet vor einigen Wochen die Stadt Groitzsch (Landkreis Leipzig), in der die Verlegung eines Stolpersteins für die Jüdin Anna Reichardt nicht genehmigt worden war. Das habe er zuvor noch nie erlebt, sagte Henry Lewkowitz, Vorstandsmitglied des Erich-Zeigner-Haus e.V. Der Stadtrat nahm die Entscheidung schließlich zurück.

Gerade in Zeiten einer rechten Infragestellung sei die erinnerungskulturelle Arbeit enorm wichtig, sagte Lewkowitz. Das sehen auch Achim Beier und Gunter Demnig so. Sie berichten, dass sie in turbulenten Zeiten, wie zur Landtagswahl oder nach dem Anschlag in Halle, einen deutlichen Anstieg in der Nachfrage nach Stolpersteinen bemerken.

Inhalt: dpa - Deutsche Presse-Agentur GmbH

Bilder: Gunter Demnig, Kölner Bildhauer und Ideengeber des Projektes „Stolpersteine“. Foto: Andreas Arnold/dpa