loading

Nachrichten werden geladen...

Tausende setzen Zeichen für Versöhnung und Frieden

Bürger bilden vor der Frauenkirche eine Menschenkette. / Foto: Robert Michael/dpa
Bürger bilden vor der Frauenkirche eine Menschenkette. / Foto: Robert Michael/dpa

In Erinnerung an die Zerstörung Dresdens im Zweiten Weltkrieg vor 78 Jahren hat die Stadt auch angesichts der aktuellen Konflikte ein deutliches Zeichen für Versöhnung und Frieden gesetzt. Tausende reichten sich am frühen Montagabend die Hände, die traditionelle Menschenkette zog sich durch die Altstadt und über zwei Elbbrücken um einen Teil der City. Die Kranzniederlegungen und Veranstaltungen tagsüber blieben störungsfrei. Am Abend protestierten zahlreiche Demonstranten gegen Nazis und blockierten die Route eines «Gedenkspaziergangs», den die Polizei schließlich an der Versammlung vorbeiführte - unter vielen «Haut-ab-Rufen».

«Geborene und Zugezogene, Jung und Alt, Briten und Deutsche, Ukrainer und Russen» stünden gemeinsam im Gedenken an die Toten vom 13. Februar 1945 in Dresden, aber auch an die Opfer deutscher Bomben 1940 in Coventry, an die Millionen Toten der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft sowie globaler Krisen zusammen, sagte Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP), bevor sich die Menschenkette schloss. Nach Rathausangaben folgten rund 10.000 Menschen dem Aufruf von Stadt und Zivilgesellschaft.

«Versöhnung bildet das Fundament eines Friedens, der über Generationen hinweg trägt», sagte Hilbert vor der 1945 zerstörten, aus den Trümmern und mit Spenden aus aller Welt wiedererrichteten Frauenkirche. «Was wir hier am 13. Februar tun können, ist klar zu benennen, wie Nationalismus, Imperialismus und Größenwahn enden: in Trümmern.» Dresden sei ein Beispiel, wie Frieden und Freundschaft neu entstehen, «im Respekt vor der Würde jedes Menschen und im Eintreten für eine demokratische und pluralistische Gesellschaft».

Die Rektorin der Technischen Universität Dresden, Ursula M. Staudinger, rief dazu auf, die Stimme zu erheben, «wenn die Verbrechen des Nationalsozialismus relativiert werden». Es gelte, gemeinsam für Frieden und Solidarität einzustehen, «wenn Täter- und Opferrollen verdreht werden, bis hin zur Legitimierung völkerrechtswidriger Kriege».

Am Vormittag legte Hilbert gemeinsam mit Abordnungen von Dresdens Partnerstädten Coventry und Ostrava an einem Denkmal auf dem Heidefriedhof weiße Rosen nieder. Im November 1940 bombardierte die deutsche Luftwaffe die englische Stadt. Am 13. Februar 1945 und in den Tagen danach zerstörten britische und US-amerikanische Bomber die Innenstadt von Dresden, bis zu 25.000 Menschen wurden getötet.

Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge gedachte still auf dem Nordfriedhof, dort sind ebenfalls Opfer der Luftangriffe bestattet. Landtagspräsident Matthias Rößler verlas im Beisein von etwa 100 Menschen das Totengedenken. Der Volksbund ging im Vorfeld auf die Debatte um die Opferzahlen von Dresden ein. «Die fruchtlose Diskussion um die Zahl der Toten vergiftete lange Zeit die Atmosphäre des Gedenkens, und noch immer finden die amtlichen Zahlen der Historikerkommission von 2010 Kritiker», hieß es.

Offizielle Stellen gingen lange von rund 35.000 Toten aus, manche Quellen nennen 250.000 oder mehr. Dafür gibt es aber keine Belege. Nach Recherchen einer von der Stadt 2004 berufenen Expertenkommission kamen maximal 25.000 Menschen ums Leben. Sie verwies darauf, dass auch die Dresdner Behörden im März 1945 von dieser Zahl ausgingen, die NS-Propaganda aber auf die Nennung von bis zu 200.000 Toten drängte. Rechtsextreme missbrauchen das Dresden-Gedenken schon seit langem für ihre Zwecke und versuchen bei Aufmärschen die Schuld Deutschlands am Zweiten Weltkrieg zu relativieren.

Dresden erinnert jedes Jahr bei zahlreichen Veranstaltungen an seine Zerstörung. Bürger stellten tagsüber schon die ersten Kerzen an der Frauenkirche ab sowie in eine mit Sand gefüllte Fläche in Form einer Kerze davor. Das Gotteshaus gilt als Mahnmal der Angriffe und Symbol der Versöhnung ehemaliger Kriegsgegner. Die Staatskapelle Dresden hatte bei ihrem Gedenkkonzert Bachs h-Moll-Messe unter Leitung von Philippe Herreweghe mit dem Collegium Vocale Gent und Solisten auf dem Programm. In Anschluss verharrte das Publikum im Saal in einer Schweigeminute. Die Dresdner Philharmonie spielte Hans Werner Henzes Sinfonia Nr. 9 für gemischten Chor und Orchester.

Ein abendlicher Umzug von Menschen, die jeden Montag in Dresden aus verschiedensten Motiven heraus auf die Straße gehen und sich zum Teil aus dem Querdenker-Milieu rekrutieren, stieß auf zahlenmäßig großen Gegenprotest. Deshalb konnten die Montagsdemonstranten nicht ihre gewünschte Route direkt durch die Innenstadt nehmen und mussten ausweichen. Bereits am vergangenen Samstag hatten Hunderte Menschen gegen einem Aufzug von Rechtsextremen demonstriert.

Kurz vor 22 Uhr läuteten in Dresden die Kirchenglocken. Zu diesem Zeitpunkt war am 13. Februar 1945 die erste Angriffswelle britischer Bomber erfolgt.

Copyright 2023, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten