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OB-Wahl in Meißen: AfD-Kandidat Jurisch – vom NPD-Mann zum „Lokalhelden“?

Symbolbild Stadt Meißen / pixabay Trude55
Symbolbild Stadt Meißen / pixabay Trude55

Die Sächsische Zeitung hofiert René Jurisch. Wir zeigen, wie der AfD‑Kandidat seine NPD‑Vergangenheit und Angriffe auf Buntes Meißen kaschiert – und warum das gefährlich ist.

Als ich am 22. August die lokale Beilage der Sächsischen Zeitung aufschlug, rieb ich mir verwundert die Augen. „OB‑Kandidat mit Unternehmerblick und Vergangenheit“ steht da in dicken Lettern. Gemeint ist René Jurisch, parteiloser Bauunternehmer, der für die AfD in Meißen den Rathausstuhl erobern will. Die Reporterin darf ihn durch Parkanlagen führen, in denen er sorgenvoll über ungepflegte Grünflächen sinniert, schimpft über Müll, verspricht Ordnung und Sauberkeit. Er gibt sich als freundlicher Kümmerer, der „fair behandelt werden will“ und sich die Stimmen junger Familien erarbeitet.

Dass er früher Mitglied der NPD war, wird als jugendlicher Fehltritt abgetan, den er aus „enttäuschter Liebe“ hinter sich gelassen habe. Die bunte Mischung im Triebischtal sei doch eigentlich eine Bereicherung, sagt er in die Notizblöcke, nur müssten die „Leute aus dem Ausland“ auch irgendwann mal selbst arbeiten und nicht „unserem Sozialstaat auf der Tasche liegen“. Ein Satz später mokiert er sich über das „Erosionspotenzial“ von Demokratieprojekten und macht das Integrationsprojekt Buntes Meißen für alles Mögliche verantwortlich. Der rechte Kandidat als jovialer Gärtner – man könnte fast glauben, hier werde ein grüner Ortsbürgermeister porträtiert, hätte er nicht die AfD im Rücken.

Die braune Vergangenheit: NPD und „Schwarze Sonne“

Der Artikel vermeidet es auffallend, allzu tief in Jurischs Vergangenheit zu blicken. Dabei ist diese alles andere als ein „Aussetzer“: Der 51‑jährige gründete in den 1990er‑Jahren den Verein Schwarze Sonne Meißen – ein „Brauchtumspflege“-Verein, der sich laut Verfassungsschutz an NS‑Symbolik und germanischen Kulten bediente und Sonnenwendfeiern abhielt. Er saß für die NPD im Meißner Stadtrat, leitete Neonazi‑Demonstrationen und verbreitete noch 2024 auf seinem Privatgrundstück ein Banner mit der Parole „Stoppt den menschengemachten Bevölkerungswandel“.

Diese vermeintlich harmlose „Besorgnis“ gehört zum Vokabular der Rechtsextremen, die eine angebliche „Umvolkung“ herbeifantasieren. All das kommt im SZ‑Artikel nicht vor. Stattdessen darf Jurisch sich als früherer „Harley‑Rocker“ darstellen, der Hip‑Hop zwar nicht mag, aber immerhin einmal einen Bauzaun für ein Jugendfestival gesponsert hat.

Demokratieprojekte im Visier: Angriff auf Buntes Meißen

Noch beunruhigender ist, dass Jurisch seine Macht längst nutzt, um demokratische Projekte zu torpedieren. Als AfD‑naher Stadtrat beantragte er, das Integrationsprojekt von Buntes Meißen von der EU‑Förderliste zu streichen und kürzte zusammen mit der AfD und Teilen der CDU die städtischen Zuschüsse. Im Stadtrat hetzte er gegen den Verein, sprach von „Selbstbedienung an Steuergeldern“ und diffamierte dessen Arbeit als „gewaltfreies Töpfern“.

Parallel dazu häuften sich Drohbriefe, Brandanschläge auf das Vereinsschild und rechtsextreme Schmierereien – ein perfider Zusammenhang, den Jurisch leugnet, aber der Zivilgesellschaft deutlich macht, wie schnell aus Worten Taten werden.

Mediale Verharmlosung: die SZ als Helfer #DankeSZ

Warum berichtet die Sächsische Zeitung in einem derart unkritischen Ton über einen Mann, der die Demokratie verachtet und rechtsextreme Parolen verbreitet? Es gehört zu einer bedenklichen Normalisierung der AfD, dass Kandidaten mit Nazi‑Vergangenheit wie tüchtige Mittelstandsvertreter hofiert werden, während ihre Angriffe verharmlost oder verschwiegen werden. Der erwähnte Satz, Zugewanderte dürften „nicht dauerhaft unserem Sozialstaat auf der Tasche liegen“, wird unkommentiert gelassen – obwohl hier klassisches AfD‑Framing mitschwingt, das Geflüchtete zu Sündenböcken für soziale Probleme macht.

Was heißt es für den demokratischen Diskurs, wenn Lokalmedien extrem rechte Akteure zu pragmatischen Bürgermeistern stilisieren? Wie viele „jugendliche Irrtümer“ darf ein OB‑Kandidat haben, bis man von Kontinuität statt Läuterung sprechen muss? Und wer schützt eigentlich die Menschen und Projekte, die für Vielfalt, Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit kämpfen, wenn ihre Gegner als ehrbare Unternehmer durch die Seiten spazieren dürfen? Eine kritische Presse wäre verpflichtet, diese Fragen zu stellen.

Die SZ‑Geschichte über René Jurisch tut das nicht. Sie hofiert ihn – und gibt damit einem weiteren Trojanischen Pferd der AfD freien Lauf.

Quellen: