Die Rolle der Ehrenamtlichen wird nach Ansicht von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in der innerdeutschen Debatte noch unterschätzt. Wenn man diejenigen Menschen nicht hätte, die sich mehr kümmern, dann sähe das Land ärmer aus, sagte er bei einem Besuch in Hoyerswerda. «Und deshalb sind wir darauf angewiesen, dass dieses Rückgrat der Demokratie, die Millionen von Freiwilligen, die Verantwortung übernehmen für andere in unserer Gesellschaft, dass die bleiben und dass wir die hohe Zahl von Freiwilligen und Ehrenamtlichen erhalten und möglichst erweitern.»
Steinmeier besucht Gundermann-Ausstellung
Steinmeier kam im Rahmen seiner Besuchsreihe «Orte der Begegnung» nach Hoyerswerda und wurde hier in der Kulturfabrik empfangen. Nach einem Eintrag ins Ehrenbuch der Stadt warf er zunächst einen Blick in eine Ausstellung über den Liedermacher Gerhard «Gundi» Gundermann (1955-1998), der als singender Baggerfahrer in der DDR Kultstatus genoss.
Im Anschluss traf Steinmeier sechs junge Leute, die sich im Jugendstadtrat von Hoyerswerda engagieren - nach Ansicht des Bundespräsidenten «eine Schule der Demokratie». In einem solchen Gremium könne man die Erfahrung machen, etwas bewegen zu können. Viele Gemeinden würden händeringend nach jungen Leuten suchen, die Verantwortung übernehmen.
Steinmeier zu Gast bei der «Brigade Instandsetzung»
Ein weiterer Programmpunkt war ein Besuch der «Brigade Instandsetzung». Regelmäßig werden hier - vor allem von Rentnern - defekte Elektrogeräte von Einwohnern kostenlos repariert. Steinmeier versuchte sich selbst an der Reparatur einer Tischlampe.
Steinmeier: Haarrisse in der Gesellschaft sind breiter geworden
Im Gespräch mit Menschen aus der Region erinnerte Steinmeier an das Anliegen von «Orte der Begegnung». Man habe das Projekt damals aufgelegt, weil es Haarrisse in der Gesellschaft gegeben habe, die dann breiter geworden seien. Es gehe darum, um den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu kämpfen. Deshalb brauche man Orte, an denen sich Menschen unterschiedlicher Generationen und unterschiedlichen Lebenswelten begegnen und miteinander ins Gespräch kommen.
«Der Unterschied zwischen Ost und West ist manchmal kleiner, als man denkt. Der Unterschied zwischen Stadt und Land ist manchmal größer, als man denkt. Und deshalb gehe ich mit diesen Formaten sehr gezielt und häufig in die ländlichen Räume hinein, da wo das Angebot knapper geworden ist, die Wege zum Arzt weiter, die Wege zur Schule weiter, wo möglicherweise auch Tankstellen und Wirtshäuser nicht mehr vorhanden sind, um dort mit den Leuten ins Gespräch zu kommen, dem Eindruck zu widersprechen: 'Es interessiert sich niemand für uns'» sagte Steinmeier.
Hoyerswerda ist wie kaum eine andere ostdeutsche Stadt ein Paradebeispiel für Veränderungen seit der Wende. Die Einwohnerzahl sank von vormals rund 70.000 auf etwa 30.000. In der Neustadt von Hoyerswerda ist etwa 40 Prozent des Wohnungsbestandes abgerissen worden. Statt früher 55.000 Menschen leben nur noch 15.000 hier auf der gleichen Fläche wie früher.
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