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Die islamfeindliche Pegida-Bewegung tritt auf der Stelle

Der geschäftsführende Direktor des Instituts für Politikwissenschaft an der TU Dresden, Hans Vorländer. Foto: Arno Burgi/zb/dpa/Archivbild
Der geschäftsführende Direktor des Instituts für Politikwissenschaft an der TU Dresden, Hans Vorländer. Foto: Arno Burgi/zb/dpa/Archivbild

Für den Dresdner Politikwissenschaftler Hans Vorländer ist die islam- und fremdenfeindliche Pegida-Bewegung so etwas wie ein Stammtisch auf der Straße. «Pegida ist keine Bewegung im anfänglichen Sinne mehr und zu einem Ritual verkommen, welches sich regelmäßig in Dresden vollzieht. Dieses Ritual hat sich völlig verselbstständigt», sagt der Professor. Er hat die Entwicklung von Pegida von Anfang an verfolgt. Heute lautet sein Fazit: «Pegida hat den Diskurs in Deutschland nach rechts verschoben.»

Der Charakter der ursprünglichen Bewegung hat sich verändert, sagt der Forscher: «Heute ist sie eindeutig eine rechte Bewegung». Anfangs seien die Leute aus ganz unterschiedlichen Motiven mitgelaufen - aus Unzufriedenheit oder auch Kritik an Politik und Medien. Inzwischen sei Pegida nur noch fremden- und migrationsfeindlich, Teil eines rechtsextremen Netzwerkes: «Pegida hat eine Verrohung der Diskurse auf der Straße und in der Politik bewirkt, ist ein Durchlauferhitzer für rechtspopulistisches bis rechtsextremes Gedankengut. Insofern ist die Wirkung größer als das, was sie wirklich erreicht haben.»

Rückblick in den Herbst 2014: In der Dresdner Innenstadt versammeln sich jeden Montag Menschen, anfangs nur wenige Leute. Sie nennen sich «Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes» und stellen Forderungen auf, von denen nur einige etwas mit Migration zu tun haben. Die Gruppe um ihren Frontmann Lutz Bachmann schwillt rasch an, andernorts bilden sich Ableger. Als herauskommt, dass Bachmann mehrfach vorbestraft ist und einiges auf dem Kerbholz hat, reißt der Zuspruch der Menge keinesfalls ab. Am 12. Januar 2015 erreicht er mit 25 000 Teilnehmern den Höhepunkt. Kurz darauf folgt die Spaltung.

Ausländerfeindliche Aussagen Bachmanns und ein Foto von ihm in Hitler- Pose schrecken gemäßigte Vereinsmitglieder wie Mitgründerin Kathrin Oertel ab. Doch die übergroße Mehrheit bleibt Bachmann treu. Schon vor der Spaltung gehören Rechtsextreme und Hooligans zur Pegida- Stammkundschaft. Nun aber radikalisiert sich die Bewegung zunehmend. Dazu trägt auch die frühere Hamburger AfD-Politikerin Tatjana Festerling bei, die neben Bachmann und seinem Intimus Siegfried Däbritz zur Hauptrednerin wird. Die Hetze nimmt zu, Pegida wird immer ungehemmter.

Festerling tritt 2015 zur Dresdner Oberbürgermeisterwahl an und bekommt auf Anhieb fast zehn Prozent der Stimmen. Zu diesem Zeitpunkt ist Dresden bereits stark gespalten, der Riss geht durch Familien und Freundeskreise. Pegida-Anhänger wehren sich, als Rechte oder Rechtsextreme bezeichnet zu werden, jubeln aber bei drastischen, ausländerfeindlichen Sprüchen der Redner besonders laut. 2016 überwerfen sich Festerling und Bachmann, es kommt zu einer Schlammschlacht. Es gibt Gerüchte über veruntreute Spendengelder. Bachmann streitet das ab und stellt die Vertrauensfrage.

Immer wieder gerät Pegida in die Schlagzeilen. 2015 führt ein Mann auf einer Kundgebung einen Galgen für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit. Als Pegida-Redner die Flüchtlinge auf dem Mittelmeer erwähnen ruft, die Menge später «Absaufen! Absaufen!» Im Oktober 2019 ist das nicht anders. Bei Erwähnung eines Dresdner Grünen-Politikers heißt es nun «Aufhängen!» Ohnehin ähnelt vieles bei Pegida einer Inszenierung. Wenn ein Redner auf die Medien zu sprechen kommt, rufen die Anhänger als Echo «Lügenpresse», bei Merkel folgen Sprüche wie «Volksverräter» oder «Merkel muss weg.»

An frühere Teilnehmerzahlen kommt Pegida freilich nie wieder heran. Nur noch zu den Jahrestagen im Oktober kann Bachmann noch eine größere Anhängerschaft mobilisieren. Zur Wahrheit gehört auch, dass Gegenproteste der Dresdner Bevölkerung überschaubar bleiben und sich gleichfalls auf die Pegida-Jubiläen konzentrieren. «Leider ist in den letzten Jahren die Bereitschaft der Dresdner stark gesunken, gegen die Rassisten auf die Straße zu gehen», sagt Max Platz, der mit der Organisation «Hope - fight racism» den Pegidisten bei jedem ihrer Aufmärsche in Sicht und Hörweite die Stirn bietet.

Im Herbst 2019 laufen bei Pegida auch führende Funktionäre der AfD mit - jener Partei, die die «Patrioten» um Bachmann immer bedeutungsloser macht: «Inzwischen ist die AfD das Sprachrohr des Protestes und zu einer Sammlungsbewegung für Menschen nationalkonservativer, rechter oder rechtsextremer Einstellungen geworden. Insofern ist die aktuelle Bedeutung von Pegida dramatisch gesunken», sagt Vorländer. Der Fokus liege nun klar auf der AfD: «Pegida hatte aber eine Anschubwirkung, die sich erschöpft hat.»

Inhalt: dpa - Deutsche Presse-Agentur GmbH

Bilder: Der geschäftsführende Direktor des Instituts für Politikwissenschaft an der TU Dresden, Hans Vorländer. Foto: Arno Burgi/zb/dpa/Archivbild