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Schwer verletzt oder fast tot: Igelstationen am Limit

Eine Tierpflegerin hält einen wenige Wochen alten kleinen Igel in der Hand. / Foto: Daniel Vogl/dpa
Eine Tierpflegerin hält einen wenige Wochen alten kleinen Igel in der Hand. / Foto: Daniel Vogl/dpa

Nicht nur Rasenmäher, Autos und andere Tiere stellen eine lebensbedrohliche Gefahr für Jungigel dar. Auch Neugier und Unwissenheit führen oft dazu, dass die stacheligen Vierbeiner leiden und sogar sterben können.

Wenn Mama-Igel auf der Suche nach Futter von einem Mähroboter erfasst, einem Auto überfahren oder einem anderen Tier getötet wird, bleibt ihrem Nachwuchs nichts anderes übrig, als sich um sich selbst zu kümmern. «Einige Tiere wiegen nicht mal 50 Gramm, wenn sie aus ihrem Nest kriechen», sagt Sandra Kühnert von der Igelauffangstation in Zwickau.

Es sei verrückt zurzeit, so Kühnert. Unzählige Tiere würden schwer verletzt, unterkühlt und halbtot bei der Igel-Nothelferin und ihren Kolleginnen und Kollegen abgegeben. In Spitzenzeiten erreichten den Verein, der sich hauptsächlich durch Spenden finanziert, zehn Anrufe pro Tag - manche davon spät in der Nacht. «Manchmal setzen uns die Leute fast schon unter Druck, damit wir ein Tier nehmen. Wir werden quasi überrannt.»

Ähnlich sieht es auch in der Igelhilfe in Radebeul bei Dresden aus: «Wir kriechen auf dem Zahnfleisch», sagt eine Mitarbeiterin des Vereins, die namentlich nicht genannt werden will. Die meisten Igelbabys kämen zwischen August und September zur Welt. Momentan pflege das zwölfköpfige Team mehrere Hundert Tiere. «Unsere Station ist vollkommen überfüllt.» Sachsenweit gebe es zu wenige Anlaufstellen für Finderinnen und Finder der stacheligen Vierbeiner. Die größten seien die Stationen in Radebeul und Zwickau.

Dass so viele Igeljunge in Not seien, habe unterschiedliche Gründe, erklärt Kühnert: «Die Mütter laufen mehr und finden weniger. Im Zweifel lassen sie ihre Jungen zurück oder sterben auf der Suche nach etwas Essbarem.»

Auch durch falsche oder ausbleibende Pflege bei Privatleuten verendeten viele Igel qualvoll. «Wir hatten zum Beispiel kürzlich eine Familie, da wollten die Kinder einfach schauen, wie sich das Igeljunge so entwickelt. Deshalb haben sie es nicht zu uns gebracht.» Irgendwann sei das Jungtier doch noch zur Igelstation gebracht worden, jedoch zu spät: «Ich konnte leider nichts mehr tun, das Tier ist kurz danach bei mir gestorben.»

In Not seien verwaiste, verletzte und kranke Igel sowie jene, die Anfang November unter 500 Gramm wiegen oder noch nach Wintereinbruch aktiv sind, heißt es in einem Merkblatt des Vereins Pro Igel. Wer ein Tier findet, solle unter anderem Funddatum, -uhrzeit, -gewicht und die Fundstelle notieren. Zu Fressen könne den Tieren Katzen-Dosenfutter, Rührei ohne Gewürze und Wasser angeboten werden. Tabu seien hingegen unter anderem Milchprodukte, Obst und Gemüse, da die Insektenfresser dies nicht verdauen können. Ist ein Igel wieder fit, sollte er möglichst am Fundort wieder freigelassen werden.

Trotz des guten Willens vieler Igelfreunde fehle oft einfach das Verständnis für die Bedürfnisse der Igel, sagt die Zwickauerin. «Wir hatten es zum Beispiel auch schon, dass Tiere mit Schokolade oder Cola gefüttert wurden.» Jedoch könne der Verein nicht alle Tiere aufnehmen. Mit Beratung und Untersuchung unterstützen Kühnert und ihr Team deshalb auch bei der Pflege zuhause. Zudem vermittelten sie Tiere an andere Pflegestationen in Sachsen, beispielsweise in Lugau (Erzgebirgskreis) und Altenburg (Kreis Altenburger Land). «Wir schauen immer, dass wir helfen können, aber manchmal geht es einfach nicht», beklagt die Igelnothelferin.

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