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Jüngstes Mitglied der «Gruppe Freital» packt aus

Im Terrorprozess gegen die rechtsextreme «Gruppe Freital» hat sich der jüngste Angeklagte geständig gezeigt und schwere Vorwürfe gegen Mitbeschuldigte erhoben. Der 19-Jährige Justin S. räumte am Dienstag vor dem Oberlandesgericht Dresden ein, 2015 an Anschlägen auf eine Flüchtlingsunterkunft in Freital und ein alternatives Wohnprojekt im nahen Dresden beteiligt gewesen zu sein. Auch an einem letztlich wieder abgebrochenen Versuch der Gruppe, das Auto eines Linke-Stadtrates zu sprengen, habe er teilgehabt. Als das Auto dann wenig später tatsächlich durch illegale Pyrotechnik zerstört wurde, sei er aber nicht dabei gewesen, sagte S.

Die von der Bundesanwaltschaft als Rädelsführer bezeichneten Timo S. und Patrick F. hätten sich mehr als die anderen Mitglieder eingesetzt. «F. hat die Böller organisiert und S. hat die Gruppe bei Stimmung gehalten», sagte der 19-Jährige bei der Befragung durch das Gericht. An den ihn bekannten Taten hätten in wechselnder Besetzung und Beteiligung auch Mike S., Maria K., Rico K., Sebastian W. und Philipp W. teilgehabt.

S. stritt ab, dass mit dem Sprengstoff/Buttersäure-Anschlag auf das Wohnprojekt «Mangelwirtschaft» in Dresden im Oktober Menschen ernsthaft verletzt werden sollten. «Wir wollten die halt erschrecken.» Den Angriff habe die Gruppe zusammen mit Neonazis von der «Freien Kameradschaft Dresden» durchgeführt. Ein Bewohner der «Mangelwirtschaft» hatte damals ein Knalltrauma erlitten.

Dass bei einem Angriff auf eine Freitaler Flüchtlingsunterkunft im November, bei dem er selbst einen von drei in Deutschland nicht zugelassenen Böllern an einem Fenster angebracht habe, ein Syrer verletzt wurde, sei ebenfalls nicht geplant gewesen. Allerdings stritt der 19-Jährige nicht ab, dass der verwendete Böller vom Typ «Cobra 12» tödliche Wirkung hätte haben können. «Dass war mir bewusst. Daran habe ich in dem Moment eben nicht gedacht.»

Der harte Kern der Gruppe habe über einen verschlüsselten sogenannten «Schwarzen Chat» Kontakt gehalten. Außerdem habe es einen «Pyro-Chat», in dem auch Informationen über Sprengversuche mit in Tschechien gekauften Böllern ausgetauscht wurden, und einen «Laber-Chat» gegeben. Letzterer habe etwa 40 Mitglieder gehabt. Außerdem hätten sich die Gruppenmitglieder regelmäßig an einer Tankstelle in Freital getroffen.

S. bestätigte die Existenz einer sogenannten «ToDo-Liste» mit Namen von Menschen, die «alle links eingestellt» waren. Auch dem Linke-Stadtrat habe man mit der Sprengung des Autos schaden wollen, «weil der halt links ist».

Der 19-jährige Gleisbauerlehrling ist der bislang einzige Angeklagte, der sich zu den Vorwürfen äußerte. Bei kritischen Fragen machte er jedoch immer wieder fehlende Erinnerungen geltend. Die anderen Beschuldigten hatten zu Beginn des zweiten Prozesstages lediglich Angaben zur ihrer Person gemacht.

Der Generalbundesanwalt hält den acht Angeklagten im Alter zwischen 19 und 39 Jahren die Bildung einer terroristischen Vereinigung vor. Außerdem sollen sie sich unter anderem auch wegen versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung und der Herbeiführung von Sprengstoffexplosionen verantworten. Sie werden in dem Prozess für insgesamt fünf Sprengstoffanschläge zwischen Juli und November 2015 verantwortlich gemacht.

Zum Auftakt des zweiten Prozesstages war die Verteidigung mit Befangenheitsanträgen gegen die Strafkammer und den Vorsitzenden Richter Thomas Fresemann gescheitert. Der Vorwurf, Fresemanns Unabhängigkeit sei durch ein früheres kollegiales Verhältnis zum Verteidiger des angeklagten 19-jährigen Justin S. beeinträchtigt, sei unbegründet, erklärte das Gericht.

Auch eine sitzungspolizeiliche Anordnung des Richters, die unter anderem Leibesvisitationen und ein Internetverbot für die Verteidiger der acht Angeklagten im Gerichtssaal vorsieht, begründe keine hinreichende Befürchtung auf eine Befangenheit Fresemanns, hieß es.

Eine Entscheidung über eine ebenfalls von den Verteidigern beantragte Besetzungsrüge steht noch aus. Die Anwälte hatten das Zustandekommen des vierten Strafsenats bemängelt und von einem gesetzeswidrigen «Ausnahmegericht» gesprochen.

Die acht Angeklagten sitzen seit November 2015 beziehungsweise April vergangenen Jahres in Untersuchungshaft. Für den Prozess, der in einem Hochsicherheitstrakt einer im Aufbau befindlichen Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge stattfindet, sind bis Ende September noch rund 60 Verhandlungstage terminiert.

Inhalt: dpa - Deutsche Presse-Agentur GmbH

Bilder: dpa / Sebastian Kahnert