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In Ischgl infiziert und in Dresden krank geworden

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Noch während des Interviews hat sein Hausarzt angerufen und eine große Anzahl an Antikörpern bestätigt, damit ist erst jetzt definitiv klar, dass es Covid-19 war und keine starke Grippe.

Der 43-jährige Dresdner Johannes Mayer (Name von der Redaktion geändert) hatte sich in der Winterparty-Hochburg Ischgl mit dem Corona-Virus infiziert. 14 Tage lag er mit Fieber und Übelkeit im Bett. Heute geht es ihm wieder gut. Im Interview berichtet er über die Zeit davor und danach.

Noch während des Interviews hat sein Hausarzt angerufen und eine große Anzahl an Antikörpern bestätigt, damit ist erst jetzt, vier Wochen nach der Genesung, definitiv klar, dass es Covid-19 war und keine starke Grippe.

Schön, dass Sie wieder genesen sind, Herr Mayer. Wie geht es Ihnen aktuell. 
Im Moment sitze ich wieder topfit am Arbeitsplatz. Als Informatiker und IT-Administrator muss ich gelegentlich, auch während des Lockdowns, ins Büro.

Sie haben sich nachweislich in Ischgl, einem der Ausbruchsherde in Europa, angesteckt. Wann waren Sie in Ischgl?
Wir sind am 7. März 2020 von Dresden aus nach Ischgl gefahren, wollte Skifahren und etwas feiern. Die Aprés-Ski Partys in Ischgl sind ja bekannt. Ich bin noch zwei Tage länger geblieben, um einen Foto-Job auf einer Hochzeit zu machen, bei dem mich meine Freundin unterstützt hat. Sie ist extra aus Dresden nachgekommen.

Können Sie nachvollziehen, wie und wo die Infektion stattgefunden haben muss?
Im Detail kann ich das natürlich nicht sagen. Das muss tagsüber auf einer Hütte oder eben bei den Aprés-Ski Partys passiert sein. Während es Urlaubs und auch beim Foto-Job habe ich von der Infektion noch nichts gemerkt. Das ging dann erst Zuhause richtig los.

Jetzt war es ja so, dass das Corona-Virus und die daraus resultierenden Gefahren nicht erst seit März bekannt waren. Wann hatten Sie das erste Mal wirklich realisiert, dass es jetzt ernst wird?
Das war eigentlich erst zu dem Zeitpunkt, als in Ischgl die Lokale geschlossen wurden und ich miterleben musste, wie Gastro-Angestellte von jetzt auf gleich gekündigt wurden und finanziell vor dem nichts standen.

Zuvor gar nicht?
Na klar habe ich von Corona gehört und mich auch informiert. Doch die Gefahr für mich selbst erschien mir doch ziemlich abstrakt. Im Januar war ich noch in Japan, da gab es gerade mal drei Infizierte in Deutschland, fünf in Japan und China war über 2.000 Kilometer weg.

Und vor Ischgl? Da sind ja schon nochmal ein paar Wochen vergangen.
Wie gesagt, wir sind am 7. März nach Ischgl gefahren. Zu diesem Zeitpunkt war die Nachrichtenlage noch nicht so kritisch. Das ging dann rückblickend außerhalb Ischgls erst am 8. und 9. März los, als die ersten skandinavischen Länder eine große Anzahl Corona-positiver Ischgl Urlauber zu verzeichnen und Ischgl als Hochrisikogebiet deklariert hatten. In Ischgl selbst und auf der offiziellen Website war zu dem Zeitpunkt noch nichts davon zu lesen. Dann ging es aber schnell. Am 10. März wurden dann die ersten Bars geschlossen. Das hielt aber die Gäste nicht vom Feiern ab. Es ging zu hunderten auf der Straße weiter.


Wie verlief dann die Ankunft in Dresden?
Wir sind am 13. März zurück. Da war die Nachrichtenlage ziemlich klar. Wir meldeten uns umgehen beim Gesundheitsamt, das im Übrigen sehr schwer zu erreichen war. Gefühlt haben wir 300 Mal angerufen bis wir endlich durchkamen. Wir haben unseren Fall geschildert. Ich musste sofort in Quarantäne, meine Freundin aber nicht. Das hatte sich auch auf Nachfrage nicht geändert. Meine Freundin ist dann nochmal richtig einkaufen gegangen, natürlich mit der nötigen Vorsicht, und hat für 14 Tage eingekauft.

Zu dem Zeitpunkt waren Sie und Ihre Freundin aber noch gesund, oder?
Ja, aber am 14. März ging es bei mir bereits mit Fieber los. Über 14 Tage hatte ich dann regelmäßige Fieberschübe, Übelkeit und die oft zitierte Geschmacklosigkeit. Ich kann mich noch an eine Kartoffelsuppe erinnern, die wie Wischwasser geschmeckt hat. Gegessen habe ich in der Zeit aber insgesamt sehr wenig, am Ende hatte ich 8 Kilo weniger auf der Waage.
Während der Fieberschübe habe ich wie Halluzinationen und verrückte Träume, dass das Virus außerirdisch sei und Corona nur die dazugehörige Verschwörung. Total skurril.

Und Ihre Freundin?
Bei ihr war das relativ entspannt. Sie hatte vier Tage lang leichte Symptome mit Husten und Geschmacksirritationen.

Ihre Quarantäne und die Krankheit sind jetzt seit vier Wochen vorbei. Was hat sich seitdem geändert?
Puh. Erstmal bin ich froh, dass ich nicht ins Krankenhaus und beatmet werden musste. Durch die Kurzatmigkeit hatte ich schon ab und zu den Impuls anzurufen und mich stationär aufnehmen zu lassen.

Die Uniklinik in Leipzig sucht derzeit Plasmaspender von Menschen, die entsprechende Antikörper gebildet haben. Das Blutplasma soll schweren Fällen helfen, schneller zu genesen. Irgendwie ist es mir aktuell ein großes Bedürfnis mich hier zu beteiligen, auch wenn Blut- und Plasmaspenden nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen gehören.

Im Moment ist ja quasi die ganze Welt im Lockdown. Menschen arbeiten von zuhause, Schulen und Kitas sind zu. Was glauben Sie ändert sich nach Corona für unsere Gesellschaft bzw. was wünschen Sie sich?
Ich bin Informatiker und sehe, dass jetzt plötzlich ganz viele Dinge gehen, die vorher verteufelt wurden. Homeoffice läuft und die Menschen gewöhnen sich zunehmend daran. Schulen und Universitäten setzen auf eLearning-Angebote. Schade finde ich, dass diese Entwicklung erst jetzt wirklich voran geht, wo es alle müssen. Wir könnten hier gesellschaftlich schon viel weiter sein.
Ich glaube, dass der weltweite Lockdown der Umwelt ungemein guttut und wir danach nicht sofort wieder in den alten Modus zurückfallen sollten. Flüge müssen definitiv teurer werden, dieses Rumgejette macht einfach keinen Sinn. Ich hoffe, dass die Leute mehr Bewusstsein für ein gesundes und entschleunigtes Leben entwickeln.

Sie waren krank und sind wieder gesund. Viele andere – und das müssten 99 Prozent der Bevölkerung sein – spüren das Virus nur wegen der verordneten Einschränkungen. Können Sie die Maßnahmen der Regierung nachvollziehen?
Das kann ich wirklich nur schwer einzuschätzen. Ich glaube tatsächlich an die Expertise der Experten und Wissenschaftler. Wenn weltweit ähnliche Maßnahmen eingeführt werden, dann wird das einen Grund haben.
Na klar habe ich mich gefragt, warum Baumärkte öffnen dürfen, Media Markt aber zum Beispiel geschlossen bleiben muss. Als ich die Begründung gehört habe, war das für mich einleuchtend. Baumärkte liegen in der Regel etwas außerhalb, Elektrofachmärkte hingegen eher in Malls oder im Stadtzentrum. Hier geht es um die Lenkung der Besucherströme und die sind in Richtung Baumarkt eben wesentlich geringer.

Vielen Dank Herr Mayer, dass Sie sich die Zeit genommen haben.

Bleiben Sie gesund.

Aus Rücksicht auf die Identität, haben wir den Namen geändert.

Interview führte: Thomas Wolf (DieSachsen.de)
Bilder: privat