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Dokumentationszentrum zum NSU-Komplex in Chemnitz eröffnet

In Chemnitz erinnert fortan ein Dokumentationszentrum an die Taten der NSU-Terroristen und ihre Folgen.  / Foto: Sebastian Willnow/dpa
In Chemnitz erinnert fortan ein Dokumentationszentrum an die Taten der NSU-Terroristen und ihre Folgen. / Foto: Sebastian Willnow/dpa

Sachsen war einst Rückzugsort der NSU-Terroristen. In Chemnitz gibt es nun einen neuer Lern- und Erinnerungsort zu den Opfern des rechten Terrors. Auch Betroffene ergreifen zur Eröffnung das Wort.

«Kein Schlussstrich» unter die mörderischen Taten des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) - das war das Motto zur Eröffnung des neuen Dokumentationszentrums. Es soll fortan in Chemnitz an die Opfer des rechten Terrors, an Hintergründe und das Versagen der Sicherheitsbehörden erinnern. Es widmet sich aber zugleich Aufgaben, die sich für eine wehrhafte Demokratie ergeben. Bei der Einweihung am Mittag wurden laut die Namen aller zehn Opfer des NSU verlesen und von den Teilnehmenden wiederholt. 

Zur Eröffnung ergriffen auch Betroffene das Wort. Gamze Kubaşık, deren Vater Mehmet am 4. April 2006 von den NSU-Terroristen in Dortmund ermordet wurde, nannte die Einrichtung des Zentrums längst überfällig und hielt auch die Wahl des Ortes für richtig. «Denn Chemnitz ist nicht irgendein Ort.» Der NSU habe sich hier über Jahre hinweg bewegt. «Hier fanden die Täter Schutz. Hier wurden sie gedeckt. Hier konnten sie sich über Jahre hinweg unbehelligt verstecken. Das ist ein Teil der Geschichte dieser Stadt.»

Abdulla Özkan, Betroffener des Nagelbombenanschlages am 9. Juni 2004 in Köln sagte: «Diese Tat hat nicht nur mein Leben, sondern das vieler Menschen in unserer Gemeinschaft für immer verändert.» Man dürfe nicht vergessen, dass die Verantwortung für solche Taten auch bei der Politik liege. Es reiche nicht aus, nur zu dokumentieren. «Wir dürfen nicht vergessen, was auch Teil unserer Realität war und ist: Warum wurden die Täter des NSU nicht früher ermittelt? Warum hat man jahrelang weggesehen, vertuscht und versagt?»

Am Ende betraten Angehörige und Betroffene die Bühne und stellten mehrere Forderungen, darunter eine vollständige Akteneinsicht, eine angemessene Entschädigung, eine nachhaltige Hilfe für Opfer gerechter Gewalttaten und eine Schulung für Behördenmitarbeiter, um Diskriminierung und Vorurteile abzubauen. «Wir hoffen, dass dieses Dokumentationszentrum ein Ort des Lernens, der Heilung und der Gerechtikeit wird», sagte Özkan.

Pilotvorhaben für zentrales Zentrum zum NSU-Komplex

Chemnitz und Zwickau waren einst Rückzugsorte des NSU. Hier lebte das Kerntrio aus Uwe Mundlos, Uwe Bönhardt und Beate Zschäpe jahrelang unbehelligt, hatte zahlreiche Unterstützer und organisierte seine Mordserie an mindestens zehn Menschen - Opfer waren acht türkischstämmige und ein griechischstämmiger Kleinunternehmer sowie eine Polizistin. Zudem ist das Trio für etliche Raubüberfälle und mehrere Bombenanschläge verantwortlich. 

Die Einrichtung in Chemnitz soll als Pilotvorhaben Impulse für das geplante zentrale Dokumentationszentrum zum NSU-Komplex in Deutschland liefern. Dessen Notwendigkeit unterstrich Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung. Nach 25 Jahren sei mittlerweile eine Generation im Land unterwegs, die mit den drei Buchstaben NSU so gut wie gar nichts mehr anfangen kann. «Das beschreibt eine kapitale Bildungsaufgabe. Und insofern ist das Dokumentationszentrum hier in Chemnitz ein erster Schritt, dem weitere folgen müssen, damit dieses Thema bundesweit auf den Schirm und den Radar der nächsten Generation kommt und nicht vergessen wird.»

Ombudsfrau für Erweiterung der Opferrechte

Barbara John, Ombudsfrau der Bundesregierung für die Opfer und Hinterbliebenen des NSU, erinnerte daran, das Beate Zschäpe als einzige Überlebende des Terrortrios, 2026 einen Antrag auf vorzeitige Haftentlassung stellen kann. Zschäpe, die sich nie bei den Opfern entschuldigt habe, habe das Recht dazu. Allerdings müssten auch die Opferrechte erweitert werden. Wenn Täter einen solchen Antrag stellen, müssten auch die Opfer noch einmal darstellen dürfen, wie groß ihr Leid war und wie sie weiter leiden müssen. 

Das Chemnitzer Dokumentationszentrum wird von drei Institutionen getragen: dem Chemnitzer Bildungsverein ASA-FF e.V., dem RAA Sachsen - einem Verein zur Unterstützung von Menschen rassistischer Gewalt - und der Initiative Offene Gesellschaft.

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