Im Kampf gegen Kriminalität will Sachsens Polizei künftig stärker auf Fähigkeiten von «Super-Recognisern» setzen. Das sind Menschen, die sich Gesichter besonders gut einprägen und wiedererkennen können, auch wenn seither einige Zeit vergangen ist oder sich die Person verändert hat. Voriges Jahr war dazu an der Polizeidirektion Chemnitz ein Pilotprojekt gestartet - und hat offensichtlich überzeugt. Von positiven Ergebnissen spricht der Inspekteur der sächsischen Polizei, Petric Kleine, auf dpa-Anfrage. Deswegen soll das Ganze nun auf die Polizeidirektionen Dresden und Leipzig ausgeweitet werden.
Der Einsatz solcher Wiedererkenner sei ein gutes Instrument, um die polizeiliche Arbeit zu unterstützen, sagte Kleine - sowohl bei der Gefahrenabwehr als auch bei der Strafverfolgung. «Wir können mit ihrer Hilfe noch unbekannte oder bereits bekannte und zur Fahndung stehende Personen aus einer Menschenmenge, ob live oder aus Bild- und Videomaterial, lokalisieren.»
Im Bereich der Polizeidirektion Chemnitz, die auch die Landkreise Mittelsachsen und Erzgebirge umfasst, hatten für das Pilotprojekt alle fast 2000 Bedienstete freiwillig bei einem mehrstufigen Test der Universität Greenwich mitmachen können. Mehr als 800 beteiligten sich. Im Ergebnis wurden bei 23 von ihnen besondere Fähigkeiten bei der Wiedererkennung von Gesichtern festgestellt. Seither arbeiten zwei Polizisten im Hauptamt als Wiedererkenner, 18 weitere werden bei Bedarf herangezogen.
Dabei haben die Chemnitzer auch Kollegen andernorts unterstützt, wie zum Beispiel die Dresdner Soko «Hauptallee» zur Aufklärung der Krawalle nach einem Fußballspiel im Mai 2021 in der Landeshauptstadt. Die Spezialisten seien im täglichen Dienst, aber auch in besonderen Lagen eingesetzt worden, hieß es aus dem Innenministerium zu den bisherigen Erfahrungen. Dabei sei es vor allem um Auswertungen und Abgleiche von Bild- und Videomaterial gegangen. So hätten zum Beispiel Tatzusammenhänge von bekannten und unbekannten Personen hergestellt werden können.
Der Einsatz der Wiedererkenner habe für die Ermittlungsarbeit einen spürbaren Mehrwert gebracht, resümierte Koordinatorin Sandra Sekula von der Chemnitzer Polizeidirektion. Vergangenes Jahr hätten sie in rund 400 Fällen zugearbeitet. Dabei könnten sie häufig auch dann helfen, wenn Programme zur automatischen Bildauswertung nicht weiterkommen - etwa wenn das Bildmaterial von zu geringer Qualität ist oder aus einem ungünstigen Winkel aufgenommen wurde. Auch könnten sie in Fällen zum Einsatz kommen, in denen datenschutzrechtliche Belange gegen einen automatisierten Abgleich sprechen.
Eingesetzt werden die Spezialisten an der Polizeidirektion Chemnitz demnach regelmäßig, wenn Bild- und Videomaterial vorliegt. Dazu zählten etwa auch Ladendiebstähle und Tankstellenüberfälle, hieß es. Der Arbeitsaufwand pro Fall sei dabei sehr unterschiedlich. Sekula wies darauf hin, dass es schon immer Polizisten gegeben habe, die sich Gesichter von Straftätern besonders gut eingeprägt hätten. Über das Programm sei es nun besser möglich, solche besonderen Fähigkeiten zielgerichteter für Ermittlungen zu nutzen.
Noch dieses Jahr sollen entsprechende Tests von Polizisten auch in den Direktionen Leipzig und Dresden beginnen, um «Super-Recogniser» unter ihnen aufzuspüren, erklärte das Innenministerium. «Wie viele Bedienstete im Haupt-/Nebenamt eingesetzt werden, wird erst nach Abschluss der Tests festgelegt.»
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