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Schriftsteller Ingo Schulze spricht sich für Verhandlungen mit Russland aus

Der Schriftsteller Ingo Schulze spricht als Laudator in der Paulskirche bei der Verleihung des Goethepreises der Stadt Frankfurt. / Foto: Frank Rumpenhorst/dpa/Archivbild
Der Schriftsteller Ingo Schulze spricht als Laudator in der Paulskirche bei der Verleihung des Goethepreises der Stadt Frankfurt. / Foto: Frank Rumpenhorst/dpa/Archivbild

Der in Dresden geborene Schriftsteller Ingo Schulze spricht sich angesichts des Kriegs in der Ukraine für Verhandlungs-Möglichkeiten mit Russland aus. «Es muss doch eine Perspektive der Verhandlungen geben», sagte der 61-Jährige dem «Stern». «Einen schlechteren Zustand als jetzt kann es kaum geben. Dieses Abschlachten und Zerfetzen von Menschen ist nicht hinnehmbar», sagte Schulze. «Wir sagen so einfach, die Ukraine muss weiterkämpfen. Aber wer das sagt, sollte letztlich auch bereit sein, seine eigenen Kinder in den Krieg zu schicken.»

Schulze wird am Donnerstag auf der Leipziger Buchmesse erwartet. Er diskutiert mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der Schriftstellerin Anne Rabe und dem Schriftsteller Marcel Beyer über den Zustand der Demokratie.

Der Schriftsteller sieht eine Verbindung von ostdeutscher Sozialisation und Angst vor Krieg. «Ich glaube, dass das wachsende Unwohlsein mit diesem Krieg durchaus mit Ostbiografien zu tun hat. Im Osten war fast jeder Mann in der Armee», sagte er. «Man muss bloß mal so eine bescheuerte Winterübung mitgemacht haben, um sein Ausgeliefertsein als Soldat zu spüren.» Schulze weiter: «Vielleicht nimmt man es persönlicher. Weil man sagt: Was wäre, wenn ich jetzt da hinmüsste?»

Schulze kritisierte auch die westdeutsche Diskurshoheit in vielen Fragen. «Der Westen ist im innerdeutschen Verhältnis der Goldstandard, da gibt es keine Relativierung. Die Ostler und Migrantenfamilien sind sich ihres Hintergrundes bewusster, sie sind häufig gezwungen, sich zu erklären.» Die Verunsicherung, die viele Ostdeutsche ergriffen hat, hält Schulze für erklärbar. «Viele fühlten sich 1989 als Subjekt der Geschichte, ein Jahr später waren sie überflüssige Arbeitskräfte. Alles war weg, und wir waren völlig naiv dem Westen gegenüber. Ich wusste nicht einmal, was Cash bedeutet. Oder Mehrwertsteuer. Das hatte ich nie gehört. Berufe fielen weg, ganze Industrieregionen verschwanden. Die Verunsicherung von damals wirkt bis heute.»

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