Die Polizei rechnet bei einer Räumung des Protestcamps im Waldstück Heidebogen nördlich von Dresden mit einem mehrtägigem Einsatz und will ihn mit einem Großaufgebot von Beamten absichern. «Fünf Tage Minimum», schätzte Einsatzleiter Dirk Linczmajer am Dienstag in Dresden ein. Man werde sich aber Zeit lassen, weil die Sicherheit für alle Beteiligten an erster Stelle stehe. «Wir wollen weder uns in Gefahr bringen und auch keine Teilnehmer des Camps.»
Man rechne mit einer Personalstärke von acht bis zehn Hundertschaften aus mehreren Bundesländern je nach Einsatzlage. Bei Bedarf sollten auch sogenannte Höheninterventionskräfte eingesetzt werden - das sind Spezialisten, etwa wenn Baumhäuser abgebaut oder Demonstranten von Bäumen geholt werden müssen.
Im Heidebogen - im Sprachgebrauch der Einheimischen Heibo genannt - haben sich seit etwa eineinhalb Jahren Klimaaktivisten und Naturschützer verschanzt, um gegen den Kiesabbau zu protestieren. Dafür soll nach geltender Rechtslage ein 7,5 Hektar großes Waldstück bis Ende Februar gerodet werden. Der Polizeieinsatz soll sowohl die Demonstrationen als auch die forstwirtschaftlichen Arbeiten absichern. Beides könnte unter Umständen auch parallel erfolgen.
Der Staatsbetrieb Sachsenforst will mehrere Harvester zum Einsatz bringen - Holzerntemaschinen, die einen Hektar Wald pro Tag schaffen, allerdings nur, wenn sie ohne Störung arbeiten könne, sagte eine Mitarbeiterin von Sachsenforst.
Formal ist die Räumung des Waldstückes aber noch nicht beschlossen. Zunächst will das Landratsamt Bautzen als zuständige Versammlungsbehörde am Mittwochvormittag bei einer Begehung des Geländes klären, ob das Protestcamp wegen eines Verstoßes gegen Auflagen aufgelöst werden muss. Dabei geht es in erster Linie um die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Auch die Baumhäuser spielen dabei eine Rolle.
Die Polizei vermutet derzeit 50 bis 60 Menschen in dem Camp. Bei einem Großteil von ihnen werde keine aktive Gegenwehr vermutet, sollte es zur Räumung kommen, schätzte Linczmajer ein. Bereits am Dienstag erfolgten Vorbereitungen für den Einsatz. Dabei wurden unter anderem Container abgestellt.
Unterdessen hielt auch am Dienstag die Kritik dem Kiesabbau und der geplanten Räumung des Protestcamps an. Klimaaktivisten besetzten am Dienstagnachmittag ein Büro der Grünen im Dresdner Stadtteil Löbtau. Die Gruppe, die sich selbst «Bürobesetzung@Heibo» nennt, fordert in einem am Dienstag veröffentlichten Tweet ein Ende der Räumung sowie ein Gespräch mit Sachsens Umweltminister Wolfram Günther (Grüne). Die Gruppe wolle nach eigenen Angaben so lange im Büro der Grünen bleiben, bis die Räumung und Rodung des Waldstücks abgesagt wird.
Grünen-Landeschefin Christin Furtenbacher verlangte einen schonenden Umgang mit Klimaaktivisten bei einer Räumung des Protestcamps. Die Einsatzkräfte müssten «maximal deeskalierend» vorgehen und dafür sorgen, dass niemand zu Schaden komme. Zugleich meldete sie Zweifel an dem Kiesabbau an und verlangte für dessen geplante Ausweitung eine sorgfältige Umweltverträglichkeitsprüfung. «Der voranschreitende Klimawandel und das Artensterben dulden keine Nachlässigkeit und Nachsicht, wenn es um den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen geht.»
Furtenbacher will sich am Mittwoch selbst einen Eindruck der Situation vor Ort machen. Aus Sicht des Umweltministeriums sind bei Beachtung von Schutzmaßnahmen Moorschutz und Kiesabbau vereinbar. Organisationen wie der Naturschutzbund in Sachsen widersprechen dem. Für den Abbau von Kies auf der besetzten Waldfläche besitzt das Unternehmen Kieswerk KBO eine Genehmigung. Es plant zudem eine Ausweitung des Abbaus auf die Fläche «Würschnitz-West». Dafür läuft aber noch das Planfeststellungsverfahren.
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