loading

Nachrichten werden geladen...

Rücksicht beim Anwerben ausländischer Fachkräfte

dpa / Monika Skolimowska
dpa / Monika Skolimowska

Der Dresdner Ökonom Joachim Ragnitz wirbt für eine ausgewogene Zuwanderung ausländischer Fachkräfte. «Deutschland sollte darauf drängen, mehr Zuwanderer zu gewinnen», sagte der Vize-Direktor des Dresdner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung der Deutschen Presse-Agentur. Nach der EU-Erweiterung 2004 sei der von manchen befürchtete Andrang auf den hiesigen Arbeitsmarkt ausgeblieben. Jetzt müsse gezielt außerhalb der EU geworben werden. Dabei gelte es aber auch, die Lage in den Herkunftsländern zu beachten.

«Wenn junge, gut ausgebildete Arbeitskräfte zu uns kommen, dann fehlen sie möglicherweise in ihrer Heimat», sagte Ragnitz, dessen ifo-Institut als Niederlassung des gleichnamigen Münchner Instituts vor allem die Wirtschaft der östlichen Bundesländer erforscht. «Insofern ist das ein zweischneidiges Schwert. Einfach Ausländer anzuwerben und ihren Heimatländern damit zu schaden, wäre nichts, was man gutheißen könnte.»

Der Fachkräftemangel belastet die deutsche Wirtschaft bereits jetzt und wird sich in den kommenden Jahren verstärken. In Sachsen werden im Jahr 2025 etwa 82 000 qualifizierte Arbeitskräfte fehlen, berechnete jüngst die Industrie- und Handelskammer zu Leipzig. Allein im kaufmännischen Bereich einschließlich der Dienstleistungs- und Gesundheitswirtschaft werden demnach gut 59 000 Fachkräfte fehlen.

Ragnitz erinnerte an den EU-Beitritt mehrerer osteuropäischer Staaten am 1. Mai 2004. Damalige Befürchtungen, Arbeitnehmer aus den Beitrittsländern könnten Einheimische aus Jobs verdrängen, hätten sich nicht bewahrheitet. Laut Ragnitz hing das einerseits damit zusammen, dass Deutschland den Zugang zum Arbeitsmarkt zunächst beschränkt hatte. Ein Ansturm sei aber auch danach ausgeblieben, nicht zuletzt wegen einer deutlich verbesserten wirtschaftlichen Lage in den Beitrittsländern.

«Diejenigen, die kamen, wurden aber auch dringend gebraucht», sagte Ragnitz. Ein Großteil der Beschäftigten aus Mittel- und Osteuropa sei im Baugewerbe, der Landwirtschaft, im Transportgewerbe sowie im Dienstleistungssektor tätig oder habe als Zeitarbeiter eine Beschäftigung gefunden. Es seien deshalb keine Leute aus höher qualifizierten Jobs verdrängt worden.

Das Lohngefälle zu den Beitrittsländern existiert aber auch 15 Jahre nach dem Beitritt. Der durchschnittliche Stundenlohn in Deutschland liegt über alle Branchen hinweg statistisch bei 31,34 Euro (Sachsen: 25,01 Euro). In Polen sind es 6,30 Euro, in Tschechien 9,12 Euro. «EU-Bürger können nun jederzeit zum Arbeiten zu uns kommen. Die muss man nicht extra anwerben», sagte der Wissenschaftler.

Nötig sei aber eine gezielte Zuwanderung aus Drittländern. Dafür sei das deutsche Recht momentan noch zu restriktiv. «Deutschland muss für solche Zuwanderer attraktiver werden. Sie brauchen auch das Gefühl, hier willkommen zu sein», sagte Ragnitz mit Blick auf ausländerfeindliche Ressentiments in manchen Regionen. «Wir brauchen ein Zuwanderungsgesetz.» Auch müsse die Politik dafür werben, zuwandernde Fachkräfte als Bereicherung statt als Bedrohung zu sehen.

Nach Angaben der Arbeitsagentur in Sachsen arbeiten im Freistaat vergleichsweise wenige Menschen aus dem Ausland. 2018 waren es insgesamt 73 964, was einem Anteil von 4,6 Prozent an allen Beschäftigten entspricht. 2013 hatte die Quote bei 1,7 Prozent gelegen. Den höchsten Anteil gab es mit 7,1 Prozent im Landkreis Görlitz an der polnischen Grenze, den geringsten mit je 2,9 Prozent in der Stadt Leipzig und im Landkreis Mittelsachsen. Die meisten Beschäftigten stammten aus Polen (17 743), gefolgt von Tschechien (9980) und Rumänien (4819).

Inhalt: dpa - Deutsche Presse-Agentur GmbH

Bilder: dpa / Monika Skolimowska