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Energielieferung: Notfallszenarien bei Unternehmen in Arbeit

Steinkohle für das Steinkohlekraftwerk lagert im Seehafen Rostock. / Foto: Bernd Wüstneck/dpa/Symbolbild
Steinkohle für das Steinkohlekraftwerk lagert im Seehafen Rostock. / Foto: Bernd Wüstneck/dpa/Symbolbild

Russland liefert zwar trotz der Diskussion «Gas nur für Rubel» im Augenblick den Rohstoff nach Europa, aber die sächsischen Unternehmen sind in großer Sorge. Nach Angaben der sächsischen Industrie- und Handelskammern (IHK) könnten zahlreiche energieintensive Unternehmen im Fall eines Importstopps oder längerfristigen Ausfalls von Gas- und Öllieferungen aus Russland in Bedrängnis geraten.

So sieht der sächsische Arbeitgeberpräsidenten Jörg Brückner in der Versorgungssicherheit die derzeit wichtigste Aufgabe. Dazu zähle auch «die vollständige Aufrechterhaltung aller nationalen Ressourcen der Energiegewinnung, selbstverständlich auch der Kohle- und der Atomkraftwerke», teilte er am Freitag mit.

Wichtig sei eine ehrliche Bestandsaufnahme, ohne Scheuklappen, ideologische oder kommerzielle Einzelinteressen. «Wir sind abhängig und brauchen diese Energie, aber auch andere Rohstoff-Lieferungen. Ein schneller Totalausstieg führt zu massiven Verwerfungen in der Volkswirtschaft, auch in Sachsen», betonte Brückner. Ein schneller Wechsel zu neuen Lösungen sei nicht möglich, weil diese Lösungen erst entwickelt und gebaut werden müssten.

Das Bundeswirtschaftsministerium hatte am Mittwoch die Frühwarnstufe des Notfallplans Gas ausgerufen, die erste von drei Stufen. Damit soll die Vorsorge für einen Lieferstopp gestärkt werden. An Verbraucher und Firmen ging der Appell, Energie zu sparen.

Mit großer Sorge werden die Entwicklungen derzeit bei den Elbe-Stahlwerken Feralpi GmbH (ESF) in Riesa beobachtet. «Wir ermitteln momentan, welche Konsequenzen und Schäden es für unsere Anlagen hätte, käme es zu einem Herabsetzen der Liefermengen oder gar kurzfristigen Ausfall der Gaslieferungen», sagte Werksdirektor Uwe Reinecke auf Anfrage am Freitag. Die Ergebnisse würden mit dem lokalen Netzbetreiber, den Stadtwerken Riesa, erörtert. «Diese ordnen die Unternehmen in Kategorien ein, die festlegen, welches Unternehmen wann geringere Mengen geliefert bekommt oder bei einem Lieferstopp abgeschaltet wird.»

Dabei wird laut Reinecke auch die notwendige Reaktionszeit berechnet, die nötig wäre, um bei einer Reduzierung der Leistung Schäden zu verhindern. Diese betrage nach vorsichtigen Berechnungen etwa drei bis sechs Stunden - bei einer kompletten Abschaltung mehrere Tage.

«Die Energiezufuhr dürfte nur gedrosselt abgeschaltet werden, um die Sicherheit der Mitarbeiter zu gewährleisten und Anlagenschäden zu verhindern», sagte Tim Bause, Bereichsleiter Energie bei ESF. Eine Leistungsreduzierung mit zeitlichem Vorlauf hätte keine Anlageschäden zur Folge aber eine eingeschränkte Produktion mit erheblichen Verlusten. «Dann brauchen wir einen Rettungsschirm des Bundes», sagte der Werksdirektor.

Perspektivisch setzt das Unternehmen auf Wasserstoff, der zur Beheizung der Pfannenfeuer und des großen Hubherdofens im Walzwerk dienen und auch die Gasbefeuerung des Elektrolichtbogenofens ersetzen könnte. Vorausgesetzt sei, dass der Wasserstoff preisgünstig angeboten würde. Reinecke rechnet aber nicht vor 2030 mit dieser Möglichkeit.

Die Elbe-Stahlwerke Feralpi GmbH (ESF) in Riesa haben insgesamt rund 800 Beschäftigte und produzieren jährlich 950.000 Tonnen Stahl sowie 800.000 Tonnen Walzprodukte. Nach eigenen Angaben werden im Jahr mehr als 200.000 Megawattstunden Gas und rund 500.000 Megawattstunden Strom verbraucht. «Das ist mehr Strom, als 120.000 Vier-Personen-Haushalte und mehr Erdgas, als 11.000 Vier-Personen-Haushalte jährlich in Anspruch nehmen», erläuterte Reinecke.

Das Energieministerium teilte unterdessen am Freitag mit, dass die Gasspeicher für Sachsen weiterhin ausreichend gefüllt sind. Der Füllstand von etwas über 40 Prozent in den Anlagen des Gasversorgers VNG liege sogar leicht über dem bundesweiten Durchschnitt, sagte Staatssekretär Gerd Lippold. Die Bemühungen des Bundeswirtschaftministers machten sich bemerkbar, auf dem Weltmarkt zusätzliches Gas einzukaufen. Zugleich liefen auch die Erdgaslieferungen aus Russland konstant weiter. «Bis zum jetzigen Zeitpunkt wird vertragskonform geliefert», sagte Lippold.

Auch das Ziegelwerk Klaus Huber in Nossen (Landkreis Meißen) treibt das Thema Energie um. «Wir sind machtlos und ausgeliefert. Ich kann nur hoffen, dass nicht die gesamte produzierende Industrie in Grund und Boden gestampft wird», sagte Geschäftsführer Ralf Huber am Freitag. Ohnehin überstiegen die Energiekosten bereits das wirtschaftliche Maß. «Wir müssen irgendwie vertretbare Preise anbieten, damit unsere Kundschaft in der Lage ist, die Preise für unsere Produkte zu zahlen», betonte Huber.

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