Der Staat darf die Bürger nach Ansicht des sächsischen Landtagspräsidenten Matthias Rößler nicht überfordern. «Die Menschen merken, wenn an ihren Interessen vorbei gehandelt wird. Sie merken, wenn der Kurs schlingert, wenn wuchtige Begriffe schwache Politik übertünchen. Vor allem aber merken die Bürger, wenn sie am Ende die Rechnung bezahlen müssen», sagte der CDU-Politiker am Donnerstag in seiner Neujahrsansprache im Landtag. Eine «neue Kultur des Wesentlichen in Verbindung mit einer Praxis der Verhältnismäßigkeit» sei angebracht - «weg vom pauschalen 'Wumms' und 'Rumms', weg von Blütenträumen oder Denkverboten, hin zu klaren Antworten auf die Fragen: Was hilft uns heute? Was macht uns künftig stärker?»
Laut Rößler wollen die Menschen in Sachsen ihren Lebensleistungen durch ihre politischen Repräsentanten verlässlich verteidigt wissen. «Sie wollen Ermöglichung, nicht Verhinderung, Freiheit, nicht Verbote, Respekt, nicht Herablassung. Sie wollen nicht ohnmächtig zusehen müssen, wie der Staat ein ums andere Mal in ihr Leben eingreift. Dafür braucht es bei den politisch Verantwortlichen einen realistischen Blick auf die Welt, einen Blick der nicht verabsolutiert, sich nicht nur hehren Ideen verschreibt, der es sich aber auch nicht zu einfach macht.» Politik müsse dabei seriös bleiben, zuhören, erklären und mutig um zukunftsfeste Lösungen ringen.
Rößler zitierte in seiner Ansprache auch den früheren Reichskanzler Otto von Bismarck (1815-1898). Dieser habe den Deutschen «eine starke Neigung zur Unzufriedenheit» nachgesagt: «Er hatte da wohl ganz recht. Nur dürfen wir im Nebel der ständigen Nörgelei nicht unsere Sensorik dafür verlieren, wenn es wirklich ernst wird. Das tiefe Misstrauen in unsere Demokratie, das uns seit Jahren begegnet, ist für mich so ein Indikator für unversöhnliche Unzufriedenheit. Sie baut sich immer mehr auf, die Gräben in unserer Gesellschaft werden breiter und tiefer. Viel zu viele trauen der Demokratie nichts mehr zu», sagte Rößler.
«Den Lauf der Welt, so hat man das Gefühl, bestimmen mehr denn je Krisen. Aber, das ist die gute Nachricht, unsere Demokratie hat starke Institutionen, um damit fertig zu werden.» Das hätten die vergangenen Jahre bewiesen. Man habe Verfahren zur vielfältigen Problemlösung. «Wir müssen nur offen sein und mit aufgeklärtem Selbstverständnis die Möglichkeiten annehmen, die unsere parlamentarische Demokratie uns bietet. Keine Heilsversprechen zeichnen eine Demokratie aus, wohl aber das Versprechen, geordnet und zivilisiert auf Krisen zu reagieren, und zwar bestmöglich zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger», sagte Rößler.
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