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Meißen: Die Tagesschau ist eine große Black Box

Das Podium in der Winzergenossenschaft v.l.n.r: Alexander Teske, Markus Heinker, Peter Stawowy und Astrid Pietrus. Foto: Ulf Mallek
Das Podium in der Winzergenossenschaft v.l.n.r: Alexander Teske, Markus Heinker, Peter Stawowy und Astrid Pietrus. Foto: Ulf Mallek

Der Ex-Tagesschau-Redakteur Alexander Teske sprach in Meißen über seinen ehemaligen Job.Er sieht vieles kritisch.

Der Star des Abends ist ein eher unscheinbarer Mann mittleren Alters in einer hellbraunen Kordjacke. Im Podium am Mittwochabend in der Meißner Winzergenossenschaft sitzt er ganz links außen. Von seiner Herkunft her sei er auch eher ein Linker, sagt er über sich. Den meisten Beifall erhält er aktuell aber von rechts. Alexander Teske, ein Leipziger, hat ein Buch über die Tagesschau geschrieben. Viele verstehen es als Generalkritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem. 

Mit dabei im Saal der Winzergenossenschaft sind noch Prof. Dr. Markus Heinker von Fachhochschule Mittweida. Ein Experte für Medienwirtschaft und Medienpolitik. Die Runde komplettiert der Blogger Peter Stawowy aus Dresden und die exzellente Moderatorin Jenny Joy Schumann von der einladenden Friedrich-Naumann-/Külz-Stiftung.  Etwa 60 Gäste sind anwesend. 

Als Warm-up spricht Markus Heinker über die Staatsferne der öffentlich-rechtlichen Medien, die er in Gefahr sieht. Gab es die überhaupt jemals? Zumindest existiere ein übergriffiger Staat. Staatsferne sei aber ohnehin ein deutscher Sonderweg. Für die Medienfreiheit in Europa sei das Thema Staatsferne im Rundfunk überhaupt kein zentraler Punkt. Doch gebe der Staat fleißig Geld an meinungsbildende Akteure. Fördergeld an die Landesmedienanstalten zum Beispiel. Oder im Lokalen schaffen sich Bürgermeister gern ihr eigenes Medienreich. Zudem gebe der Staat Werbegeld in den Medienmarkt. Das seien alles Beispiele fürs Aufweichen der Staatsferne, so Heinker.


Dass der öffentliche Rundfunk schlanker werde, wie gefordert, sieht Heinker nicht. Immer noch existieren die kleinen Sender Bremen und Saarland. Es würden Fehlanreize durch die zugelassene Werbung gesetzt. Da zähle Quote und Umsatz wie bei den Privaten und nicht Information und Bildung. Zudem müsse die Vergütung angepasst werden, also runter. Sie sollte sich am öffentlichen Dienst orientieren. Tut sie aber nicht, sie orientiert sich lieber am öffentlichen Sektor, zu dem ja auch die sehr teuren Energieunternehmen gehören. Eine Minute Tagesschau kostet 2.000 Euro, wird gesagt.

Dazu spricht dann der Experte. Alexander Teske, der sechs Jahre bei der Tagesschau als Redakteur gearbeitet hat. Er  wirbelte viel Staub auf mit seinem Buch "Inside Tagesschau". Dieses marktführende TV-Format der ARD mit immer noch 40 Prozent Einschaltquote sei eine große Black Box. 354 Mitarbeiter arbeiten dort in Hamburg für den NDR. Doch die Tagesschau sei eher ein Staat im Staat, habe mit dem NDR wenig zu tun. Die meisten journalistischen Kollegen lebten in einer Blase und halten sich von der Realität fern. Wenn etwas in Sachsen passiere, kontaktiere man den MDR, der dann liefern müsse. 

Inzwischen produziert die Tagesschau nicht nur für die 20-Uhr-Sendung, sondern rund um die Uhr. Auch auf Instagram und TikTok. Wer wissen möchte, was gerade die herrschende Meinung im Lande ist, der solle sich die Tagesschau ansehen. Dazu sei sie gut geeignet. Teskes Hauptthesen sind: Der Osten kommt in der Tagesschau zu wenig vor und wenn, dann negativ. Das liege seiner Meinung nach an dem geringen Anteil Ostdeutscher in der Redaktion. Zudem sei der Meinungskorridor in der Sendung viel zu eng. Es dominiere die links-grüne Weltsicht. Zudem hält Tesken das System der Chefs vom Dienst für falsch, die in der Öffentlichkeit gar nicht auftauchen, aber den Inhalt der Sendung bestimmen. Letztlich seien viele Faktenchecker gar keine Faktenchecker, sondern Ideologen mit einseitigem Weltbild, das sie vermitteln wollen.

Offenbar verkauft sich das Buch, das zum Jahresanfang erschien und jetzt in 6. Auflage gedruckt wurde, glänzend. Es kam in die Spiegel-Bestsellerliste für Sachbücher auf Platz 3. Genaue Zahlen über die tatsächlich verkaufte Auflage sind nicht bekannt.

Die Rezensenten sind überwiegend lobend: Viele Medien (Focus, NZZ, Welt) und Leser begrüßen das Buch als mutige Enthüllung. Einige wenige andere (Die Zeit, auch Leser-Rezensenten) sehen es als polemisch und unzureichend fundiert. Der NDR prüfte zunächst rechtliche Schritte gegen das Buch, entschied sich aber später anders. Dies deutet auf eine defensive Haltung der ARD hin, die Teskes Vorwürfe nicht öffentlich detailliert entkräftet haben und konnten. Teske selbst sagt, dass 99 Prozent des Inhalts absolut korrekt seien. Möglicherweise sei nicht jeder Name richtig geschrieben. Immerhin erreichte die Tagesschau, dass das Buchcover vor Erscheinen noch mal geändert wurde. Es sollte weniger an das Original erinnern.

Eigentlich wollte er ein Erklärbär sein

Der NDR behauptete, dass Teske nach einer erfolglosen Bewerbung um eine Festanstellung 2022 eine Klage verlor, was den Eindruck persönlicher Motive verstärke. Auf eine entsprechende Frage aus dem Publikum antwortet Teske, dass er keine Rachegefühle hege und auch kein Enthüllungsbuch schreiben wollte. Eigentlich wollte er ein Erklärbär-Buch verfassen. Bei der Arbeit fielen ihm, der Tagebuch geführt hatte, aber Fehler in der Berichterstattung der Kollegen auf, denen er nachrecherchierte. So entstand schließlich das Werk.

Fazit: Ein spannender Abend mit interessanten Insides. Es wird lebhaft diskutiert, dabei überwiegt stark die Sympathie für Teske. Doch nicht immer wird, auch auf dem Podium nicht, fehlerfrei argumentiert. Es wurde auf dem Podium ausgeführt, dass die Nachrichtenagentur dpa Geld vom Staat beziehe, was so nicht stimmt. Die dpa hat einen Jahresumsatz von rund 100 Millionen Euro und erhält für den laufenden Betrieb kein Geld vom Staat. Allerdings fördert der Staat und auch die EU die dpa für bestimmte Projekte, oft sind es Demokratie- oder Faktencheck-Projekte. Dafür gibt es mehrere 100.000 Euro, was von vielen kritisch gesehen wird.

Die These des Podiums, dass die Morgenpost nur noch einmal in der Woche erscheint, stimmt nur für Hamburg. In Sachsen stimmt sie nicht. Die Redaktionen von SZ und LVZ sind nicht komplett zusammengelegt. Es sind immer noch getrennte Zeitungen, die allerdings einen Mantel und eine gemeinsame Sachsen-Redaktion haben. Prof. Heinker sagtet, das Problem des Rückzuges des Lokaljournalismus aus dem flachen Land läge an den stetig fallenden Anzeigenerlösen. Das stimmt, aber nur zum Teil. Der Hauptgrund sind die fehlenden Leser. Wie sich dieses Problem lösen lässt? Who knows.

Autor: Ulf Mallek

  • Inside tagesschau
  • Zwischen Nachrichten und Meinungsmache
  • Teske, Alexander
  • Kartoniert, 296 S.
  • 0 Abb.
  • Sprache: Deutsch
  • 215 mm
  • ISBN-13: 978-3-7844-3731-6
  • 22 Euro

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