Als das DDR-Fernsehen am 7. Januar 1977 die neunteilige Serie „Zur See“ startete, traf es einen Nerv. Eine episodische, handwerklich solide erzählte Familien- und Berufsserie über das Leben an Bord eines Frachtschiffs wurde schnell zu einem Quoten- und Kult¬erfolg. Auch in Sachsen wurde damals gedreht.
Nun gibt es vom Filmemacher Andreas Hinz aus Neubrandenburg einen 90-minütigen Dokumentarfilm mit dem Titel „Zur See – Ein Kapitän erzählt“. Andreas Hinz betreibt gemeinsam mit Cedric Krause und Ralf Nagel das Amateurfilmstudio „Straßenbekanntschaften‒Das Verkehrsmagazin“. Kürzlich hatte der Film im Schifffahrtmuseum Rostock auf dem Traditionsschiff „Dresden“ Premiere.
Die Idee dazu entstand, als Andreas Hinz im Jahr 2024 den ehemaligen Matrosen, Offizier und Kapitän Eckhard Tack kennen. Dieser fuhr als Matrosenlehrling und Offiziersanwärter auf der MS Johann Gottlieb Fichte des VEB Deutsche Seerederei Rostock, jenem Schiff, auf dem zu großen Teilen die Fernsehserie gedreht wurde. Im Kennlerngespräch konfrontierte Andreas Hinz Kapitän Tack mit Fragen zu Filmszenen und Ereignissen aus der Fernsehserie und der Kapitän fing an zu erzählen. So entstand auch der Filmtitel.
Andreas Hinz sagt: „Mit der Fernsehserie verbinde ich eine glückliche und unbeschwerte Kinder- und Jugendzeit inmitten einer friedliebenden Gesellschaft in der DDR, in der der Zusammenhalt und das Miteinander sehr prägend waren“. Und er ergänzt: „Der Inhalt dieser Serie ist aus dem wahren Leben gegriffen, es ist nichts beschönigt worden, es war das Leben auf See mit allem Drum und Dran und zeigt auch die vielen Probleme die es gab“.
Als Nichtseemann sei es nicht immer einfach gewesen, zwischen Film und Realität im wahren Leben zu unterscheiden und selbst nach fast 50 Jahren sind viele Fragen zur Fernsehserie noch immer offen. Anhand einer Reihe von Filmszenen werden in der Doku echte Fachleute der Seefahrt zu den gezeigten Ereignissen und Filmausschnitten der Fernsehserie befragt. Sie versuchen, Licht ins Dunkel zu bringen und erzählen vom echten Bordalltag. So erzählen der Kapitän Arnim Mahlke und der Leitende Technische Ingenieur, Chief Ulf von Rahden über ihre jahrelangen Erfahrungen auf See und rücken so manche Episode aus dem Film gerade. Und der Schiffskoch Wolfgang „Theo“ Hahn klärt darüber auf, wie es wirklich in einer Kombüse zuging. Und obwohl manche Episode zugunsten der Dramaturgie etwas verändert wurde, gelang es den Filmemachern offenbar, ein relativ realistisches Bild vom Leben an Bord zu zeichnen. Das zeichnet die Fernsehserie bis heute aus und macht sie beliebt.
Erstklassiges Filmteam
Regisseur Wolfgang Luderer und das Autorenteam aus Eva Stein, Manfred Dietrich, Hans-Georg Lietz und dem See-Inspektor Gerd Peters, zeichneten damals jedoch ein relativ ungeschminktes Bild. Diese Handlung trägt die Serie, ebenso wie ihre lebendigen Figuren, die von bekannten DDR-Schauspielern verkörpert wurden.
Für die Hauptrollen verpflichtete die DEFA namhafte DDR-Schauspieler. Horst Drinda als Kapitän Hans Karsten, Günter Naumann als Chief Paul Weyer, Wilfried Pucher als ersten Offizier (Chief Mate) Martin Schulze sowie Jürgen Zartmann als Bootsmann, Günter Schubert, Willi Schrade als Matrosen und Bernd Storch, der den Schiffskoch Detlef Hartwig spielte.
Die Serie besteht aus neun Folgen mit variierender Länge zwischen 60–75 Minuten. Im Mittelpunkt stehen die Mannschaftsbeziehungen, vom Kapitän über die Offiziere bis zum einfachen Matrosen und Smutje, sowie reale seemännische Situationen: von Navigationsproblemen über eine Kollision bis hin zu einer Seekammer-Verhandlung. Die Folgen basieren oft auf tatsächlichen Ereignissen oder seemännischen Traditionen und vermitteln ein dichtes Alltagsbild einer sozialistischen Handelsflotte der 1970er-Jahre.
Die Fernsehserie „Zur See“ gehört bis heute zu den populärsten Produktionen des ostdeutschen Rundfunks. Die neunteilige Reihe erzählt vom Alltag auf dem Frachtschiff „Johann Gottlieb Fichte“ und schildert das Zusammenleben von Kapitän, Offizieren, Matrosen und Lehrlingen mit einer für die damalige Fernsehlandschaft ungewöhnlichen Mischung aus dokumentarischer Genauigkeit und erzählerischer Dramatik. Das Leben an Bord, geprägt von Hierarchien, Verantwortung, Kameradschaft und gelegentlichen Konflikten. Gedreht wurde weitgehend auf dem echten Schiff der Deutschen Seereederei während einer Reise nach Kuba, was der Serie eine Authentizität verleiht, die Zuschauerinnen und Zuschauer bis heute schätzen.
Einige Szenen der Serie wurden damals auch in Sachsen gedreht. So sind die Bahnhofszenen des fiktiven Ortes Falkenrode in Teil 2 und 3 der Serie im damaligen Bahnhof von Geising im Osterzgebirge entstanden. Und der Marktplatz von Lauenstein bot die Kulisse für zahlreiche Szenen mit Kapitän Karsten (Horst Drinda), dem Funkoffizier Petersen (Dietmar Richter-Reinick) und dem Vater seiner Braut Rita (Rudolf Ulrich) vor dem Hotel „Goldener Löwe“ und dem Falknerbrunnen.
Schon bei der Erstausstrahlung entwickelte sich „Zur See“ zu einem Straßenfeger, nicht zuletzt, weil die Seefahrt ein seltenes und zugleich faszinierendes Sujet auf ostdeutschen Bildschirmen war. Die Serie bot einen Blick in eine Welt, die vielen Menschen vertraut und doch fern zugleich war: einerseits geprägt vom sozialistischen Arbeitsalltag, andererseits voller Exotik, wenn die Handlung in ferne Häfen oder auf hohe See führte. Diese Mischung erklärt auch, warum „Zur See“ bis heute wiederholt wird und eine treue Fangemeinde hat, die oft generationenübergreifend ist.
Literarisches Weiterleben
Besonders interessant ist, dass die Serie nicht nur auf dem Bildschirm weiterlebt, sondern auch literarische Spuren hinterlassen hat. Zwei der beteiligten Schauspieler haben ihre persönlichen Erinnerungen an die Dreharbeiten und an ihr Berufsleben in Buchform festgehalten. Bernd Storch, der in der Serie den Schiffskoch spielte, veröffentlichte unter dem Titel „Landgang von der Fichte“ eine charmante Sammlung autobiografischer Episoden. Darin erzählt er mit Humor und Blick fürs Detail von den Dreharbeiten auf See, von Anekdoten hinter den Kulissen und von Erlebnissen aus seinem Leben als Schauspieler.
Wilfried Pucher, der den Ersten Offizier, den Chief Mate verkörperte, ließ seine Erinnerungen in dem Buch „Ich war der Chief Mate“ festhalten. Diese Veröffentlichung ist zugleich persönliches Tagebuch, Rückschau auf sein Schauspielerleben und eine Art inoffizielle Chronik der Entstehungszeit von „Zur See“. Pucher schildert die Herausforderungen der Dreharbeiten auf einem echten Seeschiff, das Zusammenspiel im Ensemble und die besonderen Erfahrungen, die eine Produktion auf hoher See mit sich brachte.
Beide Bücher ergänzen die Serie auf wunderbare Weise. Während „Zur See“ auf dem Bildschirm eine Welt von Disziplin, Teamgeist und Abenteuer vermittelt, öffnen die Erinnerungen der Schauspieler eine intime Perspektive auf deren Arbeit und Erlebnisse. Gemeinsam formen Serie und Bücher ein kulturhistorisches Zeugnis, das weit über nostalgische Verehrung hinausgeht. Sie dokumentieren eine Zeit, in der die DDR-Handelsmarine eine bedeutende Rolle spielte, und sie bewahren die Erinnerungen an eine Fernsehproduktion, die mit ihrer atmosphärischen Dichte und menschlichen Wärme bis heute ein Stück Fernsehgeschichte geblieben ist.
Der Filmemacher Andreas Hinz hat viel Erfahrung mit dokumentarischen Filmprojekten. Sein letztes großes Filmprojekt war die Film- und Bilddokumentation mit dem Titel „Fritz Fleischer und seine Busse ‒ oft gefallen, immer wieder aufgestanden und neu begonnen“ die mit Unterstützung von Dipl.Ing. Christian Suhr, bekannter KFZ-Historiker und Buchautor aus dem Vogtland und Ralf Weinreich aus Halle sowie Holger Haase aus Mittweida entstanden ist. Andreas Hinz finanziert seine Filme aus eigener Tasche, mit viel Herzblut, Wissensdurst und Hingabe zum jeweiligen Projekt. Er sagt: „Sicherlich wäre es schön, wenn man Unterstützung bekäme, denn in Zeiten wie diesen ist es einfach nicht möglich, eine zweite große Kamera mit Stativ zu kaufen, die wir dringend benötigen“. Denn in Sachen Film hat der Neubrandenburger noch einiges vor. „Mein Traum wäre es das Buch ‚Der Krösus von Wolkenau‘ von Rudi Strahl selbst zu verfilmen. Es ist ein sehr schönes und mit viel Humor geschriebenes Gegenwartsbuch zum Leben in der DDR.“