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Architektur: Im Klimawandel von Ländern wie Italien lernen

Andreas Wohlfarth, Freier Architekt und Präsident der Architektenkammer Sachsen. Foto: Uwe Schossig/Architektenkammer Sachsen/dpa/Archivbild
Andreas Wohlfarth, Freier Architekt und Präsident der Architektenkammer Sachsen. Foto: Uwe Schossig/Architektenkammer Sachsen/dpa/Archivbild

Hitze heißt Stresstest für Häuser und Bewohner: Angesichts des Klimawandels raten Experten wie der sächsische Architekt Andreas Wohlfarth (50), den sommerlichen Wärmeschutz von Gebäuden ernster zu nehmen. «Jetzt stellt sich vermehrt die Frage, wie Gebäude gebaut werden müssen, damit sie trotz des Klimawandels nutzbar bleiben und eine hohe Lebensqualität bieten», sagte er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Dresden. Das sei unter Architekten schon seit den 1990er Jahren ein Thema. Doch während es zunächst vor allem um sparsame Bauweisen und Heizungsanlagen ging, sei nun das Verständnis für eine ganzheitliche Betrachtung gewachsen.

Laut Wohlfarth - Präsident der Architektenkammer Sachsen - darf an heißen Sommertagen möglichst wenig Wärme in die Gebäude eindringen. Das erreiche man vor allem mit einer Begrenzung der Fensterflächen und einer Verschattung - sprich Jalousien oder Rollos - am besten von außen. «Komplette Stahl-Glas-Fassaden waren lange ein Zeichen der Moderne, sie sind aber mit Blick auf den Wärmeeintrag katastrophal.» Auch eine Hinterlüftung von Fassaden und Dachflächen sowie helle Oberflächen könnten dazu dienen, den Wärmeeintrag zu mindern: «Wir müssen mehr von wärmeren Gebieten lernen. In traditionellen Städten Italiens werden tagsüber im Sommer die Fensterläden geschlossen.»

Aber selbst bei einem Verschließen der Fenster, heize sich ein Haus auf. Deshalb brauche man eine gute Wärmedämmung. Um mit Hitze umgehen zu können, sei zudem die Speichermasse von Belang: «Schwere Bauteile können wesentlich mehr Wärme aufnehmen. Das spricht für eine massive Bauweise, zum Beispiel Betondecken als Wärme- oder Kältespeicher zu nutzen. Das Ziel bestehe darin, dass die maximale Wärme erst abends ins Gebäude eindringt - dann, wenn man wieder lüften kann. Lüften mache aber nur Sinn, wenn es draußen kühler ist als drinnen.

«Eine weitere, technische Möglichkeit ist die kontrollierte Lüftung. Wenn das mit Wärmerückgewinnung gekoppelt wird, spart das im Winter Energie. Im Sommer kann es dazu dienen, vorgekühlte Luft in die Gebäude zu bringen - ohne Klimaanlage», sagte Wohlfarth. Klimaanlagen seien immer nur ein letztes Mittel und im Grunde ein Eingeständnis mangelhafter Konzeption: «Sie lindern die Symptome, verschlimmern aber durch ihren Energieverbrauch die eigentliche Ursache.»

Nach Ansicht Wohlfarths muss der Städtebau insgesamt den Klimawandel berücksichtigen: «Durch die Topographie vorgegebene Kaltluftschneisen und Grünzüge sind wichtig, um die Durchlüftung einer Stadt zu erhalten. Das hat man vor 50 oder 40 Jahren noch nicht so ernst genommen. Doch aus Schaden ist man klüger geworden.» Angesichts der «Rekordsommer» in den vergangenen Jahren sei das Hitzeproblem in Großstädten inzwischen eklatant, Innenstädte würden sich extrem aufheizen: «Wenn sich ein paar Straßenzüge weiter ein Park befindet, dann misst man dort im Sommer schon ein paar Grad Celsius weniger.»

Wohlfarth zufolge ist auch im Städtebau «mehr Schatten» angesagt. Auch hier verweist er auf Italien, wo dicht bebaute Altstädte mit engen Gassen im Sommer etwas mehr Kühle bieten. Dies kollidiere allerdings mit dem Wunsch nach mehr Licht im Winter. «Wir brauchen aber vor allem mehr Grün in den Städten. Es bringt Abkühlung durch Schatten und Verdunstung, zudem erhöht es das Wohlbefinden allgemein. Parks sind deshalb genauso wichtig wie möglichst viele Bäume und die Begrünung von Fassaden. Zudem sollten Städte künftig mehr Wasserflächen, Trinkwasserbrunnen oder Bänke an schattigen Plätzen bereithalten: «Wir brauchen eine Art Komfortausstattung, um den Aufenthalt in Städten bei Hitze erträglicher zu machen.»

ZUR PERSON: Andreas Wohlfarth (50) arbeitet als Freier Architekt und ist Präsident der Architektenkammer Sachsen. Er studierte Architektur an der Technischen Universität Dresden.

Inhalt: dpa - Deutsche Presse-Agentur GmbH

Bilder: Andreas Wohlfarth, Freier Architekt und Präsident der Architektenkammer Sachsen. Foto: Uwe Schossig/Architektenkammer Sachsen/dpa/Archivbild