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Volksbank Chemnitz trotzt Bankenkrise mit Wachstumskurs

Volksbank Chemnitz // DieSachsen.de
Volksbank Chemnitz // DieSachsen.de

Vor zehn Jahren, auf dem Höhepunkt der Finanzkrise, löste die Pleite der Großbank Lehmann Brothers eine weltweite Kettenreaktion aus, die da


Vor zehn Jahren, auf dem Höhepunkt der Finanzkrise, löste die Pleite der Großbank Lehman Brothers eine weltweite Kettenreaktion aus, die dazu führte, dass Banken von Staaten mit Milliarden Euro Steuergeld gerettet und zum Teil noch zwangsfusioniert wurden. Damit die Realwirtschaft nicht im Übermaß in Mitleidenschaft gezogen wird, wurden auch die Leitzinsen gesenkt und damit Geld stark verbilligt.

Während die Finanzbranche mit sich und der Bewältigung der Krise beschäftigt war, versuchten sich findige Softwareentwickler darin, dem Bankensektor - von unten und mit viel Technologie - das Leben schwer zu machen. Unterstützt wurden die sogenannten FinTechs  (Finanz-Technologie-Unternehmen) durch Milliarden an Risikokapital. Sie boten und bieten komplett filiallose und algorithmisch gesteuerte Finanzdienstleistungen an. Als dann die ersten FinTechs auch eine echte Banklizenz erhielten und damit Vollbanken wurden, war plötzlich der nächste Konflikt da.

Wir sprachen mit Gunnar Bertram, dem Vorstand der Volksbank Chemnitz eG, darüber, wie und ob eine regionale Bank in diesem Umfeld und diesen Marktbedingungen überhaupt noch lebensfähig ist.  

Guten Tag, Herr Bertram, merkt Ihr Haus diesen Wandel und wie gehen Sie lokal in Chemnitz damit um?

Gunnar Bertram: Im Angesicht des anhaltend schwierigen Umfeldes der europäischen Niedrigzinspolitik, das massiven Druck auf die Ertragsseite von Kreditinstituten ausübt, und einem von aufsichtsrechtlichen Anforderungen geprägten Marktumfeld spüren auch wir ganz klar den Wandel im Bankensektor.

Gleichzeitig hat sich die Anspruchshaltung von Bankkunden durch Digitalisierung und neue Technologien gewandelt. Banken bewegen sich heute in einem Spannungsfeld aus persönlichem Service sowie qualitativ anspruchsvoller Beratung vor Ort und Kunden, die Bankleistungen über alle Kanäle jederzeit und überall schnell und zuverlässig erwarten. Derweil bieten FinTechs mit Innovationen im Bereich der Finanz-Services mehr und mehr Alternativen für online-affine Kunden.

Versucht man als regionale Bank Antworten auf diese anspruchsvollen gesamtwirtschaftlichen Herausforderungen zu finden, stößt man auf folgende Alternativen: Die Anpassung des eigenen Geschäftsmodells an die vorherrschenden Rahmenbedingungen durch massiven Stellenabbau und einhergehende Filialschließungen, um so Kosten einzusparen. Oder das Bekenntnis zu einer offensiven Wachstumsstrategie.
Wir als regional tief verwurzelte Genossenschaftsbank sind uns unserer Verantwortung gegenüber unseren Mitgliedern und Kunden bewusst und haben uns daher klar für den Wachstumspfad entschieden. Ein erfolgreicher Mittelstand und eine gute Einkommenssituation in unserer Region bieten dabei genügend Chancen auf neues Geschäft. Die gleichzeitige Erschließung neuer Geschäftsfelder trägt zudem zu einer nachhaltig stabilen Ertragssituation für unser Haus bei. Über unsere genossenschaftliche Finanzgruppe nutzen wir dabei auch die Ideen und Einflüsse von FinTechs, um unsere Kunden mit innovativen Lösungen im digitalen Bereich zu versorgen.

Ihr Haus ist als Genossenschaft organisiert. Können Sie bitte unseren Lesern den Unterschied zwischen einer Genossenschaftsbank und einer Bank, die beispielsweise als Aktiengesellschaft geführt wird, erklären?

Gunnar Bertram: Genossenschaften werden von ihren Mitgliedern getragen und sind diesen durch den genossenschaftlichen Förderauftrag in ganz besonderer Weise verbunden. Dazu verpflichtet sogar Paragraph 1 des Genossenschaftsgesetzes. Im Unterschied zu anderen Rechtsformen, wie beispielsweise einer Aktiengesellschaft, steht die wirtschaftliche Förderung, Unterstützung und Nutzensmaximierung für unsere Mitglieder und Kunden klar im Mittelpunkt unseres Geschäftszweckes. Dies ist die ureigenste Identität einer jeden Genossenschaft.
Aus einstigen Selbsthilfe-Einrichtungen im 19. Jahrhundert wurde die Genossenschaft zu einem Erfolgsmodell, das sich bis heute bewährt und das seit 2016 sogar zum Immateriellen UNESCO-Kulturerbe gehört. "Was einer alleine nicht schafft, das schaffen viele." Diese Überzeugung der genossenschaftlichen Gründungsväter teilen auch wir als Volksbank Chemnitz seit nunmehr 150 Jahren. Aus diesem Selbstverständnis heraus übernehmen wir auch über das Kerngeschäft einer Bank hinaus Verantwortung für die Zukunftsfähigkeit unserer Region.
Als Genossenschaftsbank setzen wir konsequent auf Regionalität. Wir sind dort zu Hause, wo auch unsere Kunden zu Hause sind. Wir bieten Entscheider vor Ort und können durch unsere Nähe zu den Menschen schnell und flexibel auf neue Situationen reagieren.

Wir sind auf Sie und Ihre Bank aufmerksam geworden, weil Ihr innovativer und nachhaltiger Weg der Personalführung im Rahmen einer Nachhaltigkeitsveranstaltung erwähnt wurde. Sie befinden sich, wenn wir es richtig verstanden haben, in einem strategischen Weiterentwicklungsprozess, in dem Ihre Mitarbeiter und deren ganz persönliche Stärken eine zentrale Rolle spielen. Welche Motivation steckt hinter dieser Ausrichtung?

Gunnar Bertram: Jeden Menschen zeichnen individuelle Talente und Stärken aus. Stärken sind natürliche, individuelle Ressourcen, die unser Verhalten, Fühlen und Denken prägen. Sie umfassen nicht nur Leistungswerte, wie etwa logisches Denken, sondern auch Verhaltensweisen, wie zum Beispiel Tatkraft, Verlässlichkeit oder Flexibilität.  

Der Schlüssel zum persönlichen und zum gemeinsamen Erfolg innerhalb eines Unternehmens, liegt darin, diese Stärken zu entdecken und bewusst zu nutzen. Wer seine individuellen Stärken im Beruf einsetzen kann, ist motiviert und voller Energie. Man lebt authentisch und strahlt natürliche Sicherheit, Kompetenz und Begeisterung aus. Dies führt beinahe mühelos zu überdurchschnittlichen Leistungen und einer engen emotionalen Bindung des Mitarbeiters an das Unternehmen.

Unser Ziel als Unternehmen ist es, unsere Mitarbeiter aufbauend auf ihren ganz individuellen Stärken zu fördern und einzusetzen. Dieses bislang viel zu wenig genutzte Potenzial trägt maßgeblich zur Zufriedenheit und zum Engagement unserer Mitarbeiter bei und ist für die Entwicklung unserer Unternehmenskultur für uns von unschätzbarer Bedeutung.

Wie können wir uns das vorstellen. Haben sich alle getroffen und jeder hat gesagt was er gut kann und machen möchte? Können Sie uns den Prozess bitte etwas näher erläutern?

Gunnar Bertram: Wir haben uns zum Ziel gesetzt, bis Ende 2019 mit allen Mitarbeitern unseres Hauses Workshops durchzuführen, in denen sie nicht nur ihre persönlichen Stärken, sondern auch die Stärken ihrer Teamkollegen kennenlernen. Dazu tragen webbasierte Analysetools sowie verschieden konzipierte Stärkenmodule bei, die von zertifizierten Mentoren begleitet werden und in denen sich die Mitarbeiter auch gegenseitig ihre Stärken präsentieren. Die bisherigen Workshops zeigen sehr deutlich: sobald ich mich aktiv mit den Stärken meiner Kollegen auseinandersetze, entsteht auf Basis von Verständnis und Wertschätzung ein ganz neuer Teamspirit.
Durch die Stärkenorientierung können sich durchaus Aufgabenschwerpunkte innerhalb des Teams verschieben. Tätigkeiten, die dem Mitarbeiter Energie spenden, können mit dem Wissen um seine individuellen Stärken gezielter ausgebaut werden, während Aufgaben, die Energie kosten, wiederum von einem Kollegen mit entsprechendem Stärkenprofil übernommen werden können.

Wie hat sich seit dieser Umstrukturierung das Klima in der Bank verändert? Sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motivierter? Merken Ihre Kunden diese Veränderung?

Gunnar Bertram: Die Stärkenworkshops und die Einbindung der Stärkenorientierung in unserem täglichen Miteinander sind wesentliche Schritte hin zu mehr Achtsamkeit und gegenseitiger Wertschätzung innerhalb unseres Unternehmens. Sie tragen zur Zufriedenheit und damit auch zur Motivation unserer Mitarbeiter bei. Und das spüren schlussendlich auch unsere Kunden.

Würden Sie sagen, dass dieses Modell der Personalplanung in anderen Branchen auch funktionieren kann? Welche Tipps würden Sie anderen Personalchefs geben, wenn Sie diesen Schritt gehen wollen?

Gunnar Bertram: Das Modell der Stärkenorientierung als Personalentwicklungsinstrument eignet sich hervorragend, um herauszufinden, wie Talente und Stärken im Rahmen einer Rolle und innerhalb eines Teams optimal eingesetzt werden können. Es funktioniert in Unternehmen jedoch nur dann, wenn man bereit ist, sich mit Kollegen, Mitarbeitern und Vorgesetzten ernsthaft auseinanderzusetzen. Nur so können positive Effekte in der Zusammenarbeit und letztlich auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht erzielt werden. Als authentischer Teil der Unternehmenskultur verstanden, trägt es zudem wesentlich zur spürbaren Kulturentwicklung innerhalb des Unternehmens bei. Unternehmen, die sich konsequent an den Stärken ihrer Mitarbeiter orientieren, besitzen durch die potenzialorientierte und gezielte Weiterentwicklung der einzelnen Mitarbeiter, der Teams und des Unternehmens daher nicht nur einen enormen Wettbewerbsvorteil, sondern profitieren auch von der identitätsstiftenden Wirkung auf das gesamte Unternehmen.

Eine Frage möchten wir gern noch stellen. Unsere Gesellschaft, unser Planet, steht vor genauso großen Herausforderungen wie mancher Wirtschaftszweig. Das Thema Nachhaltigkeit, sicherlich sehr oft auch als Buzzword herangezogen, wird immer wichtiger. Was bedeutet für Sie Nachhaltigkeit und sehen Sie Möglichkeiten, dass die Finanzbranche dabei hilft, dass Menschen und Unternehmen nachhaltiger wirtschaften?

Gunnar Bertram: Ich bin überzeugt davon, dass nachhaltiges Wirtschaften umso besser gelingt, je stärker der Fokus auf der regionalen Umsetzung liegt - sozusagen überschaubar, mit Liebe zum Detail. Unser Geschäftsmodell als regional tief verwurzelte Genossenschaftsbank funktioniert nur bei einem langfristigen, vertrauensvollen Austausch mit unseren Kunden und den Menschen hier in unserer Region. Nachhaltigkeit bedeutet daher für uns, Investitionen und ideelles Engagement hier vor Ort zu unterstützen und uns in regionalen Netzwerken zu engagieren. Dass uns dies nachhaltig gelingt, zeigt unser 150-jähriges erfolgreiches Bestehen, welches wir im kommenden Jahr feiern. 150 Jahre nachhaltig mit unserer Region verbunden.

Herr Bertram, herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben.

Das Interview führte Thomas Wolf.