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Holger Birkholz gegen den Wiederaufbau der Carolabrücke: „Freie Sicht für Caspar David Friedrich“

Carolabrücke 2024, kurz nach dem Einsturz von Zug C (Bild: Thomas Wolf)
Carolabrücke 2024, kurz nach dem Einsturz von Zug C (Bild: Thomas Wolf)

Holger Birkholz plädiert gegen den Neubau der Carolabrücke in Dresden. Sein Statement verbindet künstlerische Raumvisionen mit Stadtentwicklung. Rückblick auf Geschichte, Abriss und Debatte.

Der Kunstwissenschaftler und Konservator Holger Birkholz hat auf LinkedIn ein deutlicheres Signal gesetzt: Er spricht sich gegen den geplanten Wiederaufbau der Dresdner Carolabrücke aus – und plädiert stattdessen für eine neue Stadtraumentwicklung mit Freiräumen für Sichtachsen und klimagerechte Verkehrsführung. In diesem Artikel beleuchten wir die Geschichte der Brücke, die Entwicklungen seit dem Teileinsturz 2024 und die künstlerische Perspektive, die Birkholz in seine Kritik einbringt.

Die Carolabrücke – eine wechselvolle Geschichte

Bereits die Vorgeschichte zeigt: Die Carolabrücke war nicht nur ein Ingenieurbau, sondern ein Bauwerk mit Symbolkraft. 

  • Die erste Version der Brücke wurde in den Jahren 1892–1895 errichtet, entworfen von Hermann Klette und Karl Manck. Sie verband Altstadt und Neustadt mit nur zwei Strompfeilern und galt als elegante Zugangsachse über die Elbe. 
  • Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Brücke gezielt gesprengt – am 7. Mai 1945 durch Einheiten der SS, um den Vormarsch der Roten Armee zu behindern. 
  • In der DDR-Zeit wurde auf der gleichen Trasse eine neue Spannbeton­hohlkastenbrücke gebaut. Der Bau begann 1967, und 1971 wurde sie eingeweiht. Damals galt sie als technisch ambitionierte Lösung mit möglichst wenigen Widerlagern im Fluss, um die Durchgängigkeit und Aussicht zu erhalten.
  • Die Brücke trug von 1971 bis 1991 den Namen Dr.-Rudolf-Friedrichs-Brücke, ehe man wieder zur Bezeichnung Carolabrücke zurückkehrte. 

Über Jahrzehnte hinweg war die Carolabrücke eine zentrale Elbquerung im Dresdner Stadtgefüge: mit vier Fahrstreifen, einem getrennten Gleiskörper für die Straßenbahn und Fuß- und Radwegen. 

Der Brückeneinsturz und der Abriss – der aktuelle Status

Am 11. September 2024 stürzte ein Teil des Brückenzugs C, auf dem gewöhnlich Trams und Fuß-/Radwege verliefen, über rund 100 Meter Länge in die Elbe. Glücklicherweise wurde niemand verletzt. 

Untersuchungen und Gutachten folgten rasch: Der Bericht kam zu dem Schluss, dass strukturelle Schäden bereits in der Bauzeit begründet gewesen sein könnten  - und dass sämtliche Brückenzüge mittlerweile so stark beansprucht sind, dass eine Sanierung des gesamten Bauwerks nicht mehr sinnvoll erscheint. In der Folge wurde der verbliebene Rest der Brücke bis September 2025 vollständig abgebrochen. 

Der Stadtrat hat im Juni 2025 beschlossen, einen Ersatzneubau mit modifizierten Parametern zu realisieren – ein vierstreifiger Brückenneubau mit veränderter Verkehrsführung und neuer Ausrichtung. Der Neubau soll voraussichtlich im Zeitraum 2028 bis 2031 umgesetzt werden. 

Die Abrisskosten sind mittlerweile höher als ursprünglich angenommen: Rund 32 Millionen Euro wurden für den Abbruch veranschlagt. Für den geplanten Neubau sind bis letzte Woche 12 Angebote von Planungsbüros eingegangen. Der Wiederaufbau der Carolabrücke ist mit 170 Millionen Euro budgetiert.

Birkholzs Statement: eine künstlerische Stadtvision

In seinem LinkedIn-Post äußert Holger Birkholz, Kunstwissenschaftler und Konservator am Albertinum Dresden (Privatdozent an der TU Dresden), scharf: „Gegen den Wiederaufbau der Carolabrücke. Freie Sicht für Caspar David Friedrich.“ (Zitat übernommen)

Er schlägt vor, große innerstädtische Areale – etwa entlang der Albertstraße oder der St. Petersburger Straße – für neue Stadtentwicklungsprojekte freizuräumen. Verkehrsströme könnten über bestehende Tangenten geleitet und der ÖPNV angepasst werden, um eine nachhaltige Stadtstruktur zu fördern.

Seine Argumentation lässt sich entlang mehrerer künstlerischer Prinzipien deuten:

Sichtachsen und Bildräume

Der Verweis auf Caspar David Friedrich ist nicht zufällig: Der Maler setzte oft Landschafts- und Architekturszenen in Bezug zur weiten Natur und zum Horizont. Birkholz fordert, dass die städtischen Räume wieder eine „freie Sicht“ ermöglichen – eine Stadtstruktur, die nicht von massiven Baukörpern zerschnitten wird, sondern Raum für ästhetische Blickbezüge bietet.

Kunst und Alltag verknüpfen

Als Kunstexperte sieht er Architektur nicht als isoliertes Funktionselement, sondern als Teil des urbanen Bildes. Wenn eine Brücke die Silhouette, die Durchsicht und den Stadtraum dominiert, greift sie in das künstlerisch-visuelle Gerüst der Stadt ein.

Resonanzräume statt Durchgangsräume

Er fordert weniger Durchfluss-Infrastruktur im inneren Bereich und mehr Orte, die als Resonanzräume, zur Begegnung und zur Reflexion dienen. Dafür sollen Verkehrsleistungen neu verteilt werden, weg von zentralen Belastungspunkten.

Klima – Kultur – Stadtentwicklung

Birkholz positioniert seinen Standpunkt in der aktuellen Debatte um klimaverträgliches Bauen und Stadtentwicklung: Weniger Beton – mehr Grün, weniger motorisierte Eingriffe im Stadtzentrum – mehr öffentliche Räume, die Kultur und Natur thematisch verschränken.

Damit steht sein Ansatz gegen eine „reine Infrastrukturdenken“-Perspektive, die Brücken nur als Verbindung zwischen Punkten sieht – ihm geht es um die Qualität des dazwischen­liegenden Raums.