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25 Jahre Landeszentrale für politische Bildung Sachsen - Direktor Frank Richter hört auf

Er hat sich niemals im „politischen Gebüsch“ verkrochen
Interview vom 10. 08.2016

Politische Bildung führt den politischen Dialog auf allen Ebenen mit dem Ziel, mehr Distanz und weniger organisierte Empörung zu erreichen. Überparteilichkeit ist dabei oberstes Gebot.

Vor 25 Jahren hat die Sächsische Staatsregierung die hiesige Landeszentrale für politische Bildung ins Leben gerufen. Politische Bildung macht Demokratie stark und unterstützt das Bilden der Meinung jedes einzelnen. Ihren Auftrag beschreibt das Team der Landeszentrale auf seiner Internetpräsenz in einem Satz: „Auftrag ist die überparteiliche politische Bildungsarbeit für alle Menschen in Sachsen und die weitere Verbreitung und Stärkung der demokratischen, rechtsstaatlichen Grundordnung in der sächsischen Bevölkerung.“

Seit 2009 führt Direktor Frank Richter 27 Mitarbeiter in drei Referaten und der Verwaltung. Die physische Heimat der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung (SLpB) ist der Schützenhof im Dresdner Norden. Die geistige Heimat, und daran arbeitet das Team ohne Unterlass, mögen die Köpfe der Bürger dieses Landes werden.

In der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung beobachtet Frank Richter drei Tendenzen:

„Ich nehme aktuell drei Tendenzen wahr. Zum ersten ist es die zunehmende Politisierung. Lange Zeit herrschte eher politisches Desinteresse unter der Mehrheit der Bevölkerung. Nun sind es immer mehr Menschen, die sich für politische Fragen interessieren. Dazu kommt die Diskussion in den sozialen Netzwerken rund um politische Themen. Zum zweiten registriere ich eine zunehmende Verrohung der Sprache und des Handelns. Ich erlebe Unterzivilisatorisches im Alltäglichen und auch in der politischen Debatte. Ob auf der Straße, in den Netzwerken, in Printmedien, die verbale Gewaltbereitschaft ist gewachsen, auch die physische Gewalt gegen Gebäude, z. B. gegen Aufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete und Parteibüros, die Gewalt direkt gegen Asylsuchende, Politiker und Privatpersonen. Zum dritten erlebe ich eine zunehmend große Unsicherheit, ob unser demokratisches Gemeinwesen in der Lage sein wird, die aktuellen politischen Probleme zu lösen. Viele Menschen erleben sich und andere als überfordert, manchmal sogar ohnmächtig. Daraus erwachsen Wut und Hass.“

Zum offenen politischen Dialog gibt es keine Alternative

Die SLpB wird im politischen und gesellschaftlichen Leben Sachsens immer präsenter. Von einem Ort, an dem Interessierte Bücher, Materialien, Landkarten und Informationen kontingentiert abholen und oder zu geringem Entgelt erwerben konnten, ist ein Zentrum der Meinungsbildung geworden. Im bundesweiten Vergleich ist die SLpB in diesem Prozess ziemlich rasch unterwegs, so Frank Richter.

„Wir nehmen die Darstellung der Kontroverse und der mehrperspektivischen Sicht auf die politischen Dinge sehr ernst. Wir sind, so meine ich, dazu verpflichtet. Die Werte und Setzungen des Grundgesetzes sind dafür maßgeblich. Wir verkriechen uns nicht im politischen „Gebüsch“, d. h. wir machen es uns nicht leicht, indem wir nur unkritische politische Themen behandeln.“

 Bonn, 1. Mai 2015 - Kolloquium des Instituts für Gesellschaftswissenschaften Walberberg, Frank Richter, Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, spricht über das Thema "Unwort Lügenpresse"

Schlüsselerlebnis für diese entschiedene Arbeitsweise war der 2012 von Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert erteilte Bitte, die Arbeitsgruppe 13.Februar zu moderieren. Es wurde offenbar, dass politische Debatten so blockiert sein können, dass es überparteilicher Hilfe bedarf. „Die Moderation blockierter Meinungsbildungsprozesse“, so Direktor Richter, „ist neu im Portfolio der SLpB. Und sie hat eine hohe Akzeptanz. Das Interesse ist bundesweit sehr groß. Die gewonnenen offline-Erfahrungen bringen wir in unseren Online-Dialog mit ein.“

Lasst uns streiten

Auf der Online-Plattform „lasst-uns-streiten.de“ wird gegenwärtig schon in seiner zweiten Auflage zu aktuell interessierenden Themen debattiert. Es gibt dazu entsprechende Angebote zur Meinungsäußerung per Klick und für vertiefendes Wissen durch Hintergrundinformationen. Die Hälfte der Menschen, die dort diskutieren, so Direktor Richter, sind von Facebook zum Online-Dialog gekommen, weil hier qualifizierter diskutiert wird. „Es ist eine Herausforderung, die Niederschwelligkeit als Eingangsprinzip zu akzeptieren. Doch wir wollen auch die Zielgruppen erreichen, die sich nicht sowieso schon interessieren. Wir streben an, alle zur qualifizierten Debatte einzuladen ohne uns oder das Thema anzubiedern.“

Fest steht für Frank Richter, dass der gegenwärtige Meinungsbildungsprozess nicht ohne die Zusammenarbeit mit den Medien zu führen ist. „Wenn in der Tonalität der Berichterstattung mehr Distanz einzieht, wird es möglich sein, gemeinsam das Geschehen reflektierter zu betrachten, Opposition nicht nur als Konfrontation zu verstehen und so schrittweise Abstand zu gewinnen von der organisierten Empörung hin zu einem konstruktiven gesellschaftlichen Miteinander.“

Teaserfoto: Thomas Platz, SLpB, satirische Montage Gebäude SLpB und Achtungsschild Politische Bildung