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Eine Inspektionstour auf der Elbe

3.	Kanalnetzmeister Frank Lieber, Geschäftsführer Ralf Strothteicher und Umweltamtschef René Herold (v.l.) bereiten sich auf dem Zschierener Schiffslandeplatz auf die Inspektionstour vor. Fotos: Peter Hilbert
3. Kanalnetzmeister Frank Lieber, Geschäftsführer Ralf Strothteicher und Umweltamtschef René Herold (v.l.) bereiten sich auf dem Zschierener Schiffslandeplatz auf die Inspektionstour vor. Fotos: Peter Hilbert

Fachleute kontrollieren regelmäßig die Regenüberläufe an der Elbe. Solche Inspektionen sind wichtig für den Schutz des Wassers.

Es ist nur ein Schlauchboot mit drei Personen an Bord, aber es ist eine wichtige Tour. Als Kanalnetzmeister der Stadtentwässerung ist Frank Lieber für den Südosten Dresdens zwischen der Altstadt und der Stadtgrenze zuständig. Doch an diesem regnerischen und windigen Herbsttag geht es für den 66-Jährigen nicht in den Kanal hinab, sondern auf die Elbe hinaus. Deshalb schwimmt das Schlauchboot bereits am Zschierener Schiffslandeplatz unweit des dortigen Gasthofs auf der Elbe. Auf dem Hänger eines Kleintransporters ist es an diesem Morgen vom Prohliser Kanalnetzstützpunkt angerollt. Vom Boot aus will Lieber kontrollieren, ob die Regenüberläufe entlang des Flusses noch in Ordnung sind. 


 Das Inspektionstrio ist kurz vorm Blauen Wunder zwischen Loschwitz und Blasewitz.


Mit dabei sind Umweltamtschef René Herold und der Geschäftsführer der Stadtentwässerung, Ralf Strothteicher. Sie wollen sich bei der Kontrolltour ein Bild des Zustandes dieser wichtigen Auslassbauwerke an der Bundeswasserstraße machen. „Wir wollen heute dem Leiter des Umweltamtes Einblicke in den Betrieb unseres Kanalnetzes geben. Die Einleitungen aus den Regenauslässen stehen ja unter der Kontrolle und Genehmigung seiner Unteren Wasserbehörde“, erklärt Geschäftsführer Strothteicher. „Unsere jährlichen Inspektionsfahrten sind dabei wichtig – insbesondere, um sicherzustellen, dass die Gitter frei von Unrat sind und der Abfluss störungsfrei funktioniert.“

Die Inspektionstour kann starten. Vom Boot aus werden die großen Bauwerke kontrolliert, deren Röhren zwischen einem halben und 2,5 Metern groß sind. Bei extremem Starkregen läuft durch diese Auslässe stark verdünntes Abwasser, das Lieber als Mischwasser bezeichnet, in die Elbe. So wird das Kanalsystem vor dem Kollaps geschützt. Ímmerhin gibt es etwa 40-mal jährlich solche Starkregen. Schwillt der Fluss hingegen an, gehen an den Auslasskanälen die Schotten runter, damit die Kanäle nicht überflutet werden.

Vom Boot aus wird seit über 20 Jahren kontrolliert. „Bei der Jahrhundertflut 2002 waren wir gezwungen, uns das Schlauchboot anzuschaffen“, berichtet der Kanalnetzmeister. Denn damals war nicht nur das Klärwerk, sondern auch der Kanalnetzstützpunkt neben der Yenidze eine Insel. Also wurde später aus der Not eine Tugend gemacht und das Boot für Inspektionsfahrten genutzt.

Jetzt kommen Lieber und seine Leute damit noch schneller voran. Wurde es bisher von einem Vier-PS-Motor angetrieben, so sind es beim jetzigen neuen Motor stattliche 15 PS. Mit dem Auto wäre diese Kontrolltour zu Lande viel komplizierter. „Da kämen wir nicht so gut an den Auslass ran“, sagt Lieber. An Land müssten sich die Kontrolleure nicht selten durch Gestrüpp und dornige Büsche kämpfen. Während so eine Tour vom Boot aus einen Vormittag dauert, wäre dafür mit dem Einsatzfahrzeug eine Woche nötig.

Regenrückhaltebecken läuft jetzt viel schneller über

Insgesamt 78 solcher Überläufe gibt es in Dresden an der Elbe, weitere an der Weißeritz, der Prießnitz oder dem Keppbach. Aber nicht nur mit diesen Abflüssen wird das Abwassersystem geschützt, sondern auch mit Stauraum-Kanälen, die wie kleine unterirdische Staudämme funktionieren, und mit Regenrückhaltebecken. Das tief unter der Elbwiese liegende Becken am Johannstädter Käthe-Kollwitz-Ufer fasst 12.000 Kubikmeter. „Dafür hatte die Stadtentwässerung rund 16 Millionen Euro investiert“, erläutert Lieber. Das Geld ist gut angelegt. Schließlich wird das Mischwasser so zurückgehalten und verschmutzt nicht die Elbe. Denn für Verunreinigungen zahlt die Stadtentwässerungen.

Allerdings sind die Auswirkungen des Klimawandels besonders in den vergangenen drei Jahren zu spüren. „Fielen bei früheren Starkregen meistens stündlich etwa 20 Liter pro Quadratmeter, so sind es jetzt oft mehr als 30 Liter“, erzählt Lieber. Das hat beispielsweise für das Johannstädter Regenrückhaltebecken ganz praktische Konsequenzen. Direkt daneben verläuft der Altstädter Abfangkanal, in dem das Abwasser aus dem linkselbischen Stadtgebiet in Richtung Klärwerk fließt. Ist die Zwei-Meter-Röhre mit 1,36 Metern weit über die Hälfte gefüllt, läuft das Mischwasser über ein Überlaufbauwerk in das Regenrückhaltebecken. „War es früher bei Starkregen meistens nach drei Stunden voll, bis es in die Elbe überlief, so ist es heute oft bereits nach einer Stunde ausgelastet“, berichtet der Meister.


Durch die Innenstadt geht die Inspektionsfahrt weiter stromabwärts nach Pieschen.


Das Schlauchboot passiert die großen Überläufen unterhalb der Tolkewitzer, der Schaufuß- und der Oehmestraße. Die Gitter stehen, gemauerte Sohlen und Betonwände sind in Ordnung. Gleich danach geht’s unter dem Blauen Wunder hindurch. Es folgt die Waldschlößchenbrücke.

Etwa zwei Kilometer elbabwärts kommt dann das Auslassbauwerk am Johannstädter Regenrückhaltebecken und dem Hochwasserpumpwerk kurz vor der Waldschlößchenbrücke in Sicht, an dem die Röhre und das Gitter in Ordnung sind. „Die Gitter, die den Unrat zurückhalten, werden aber oft von Leuten rausgerissen, die in die Röhre wollen“, verweist Lieber auf ein großes Ärgernis. Das geschieht oft bei niedrigem Elbpegel. Dann werden in den Auslassröhren Lagerfeuer gemacht oder diese sogar als zeitweiliges Domizil genutzt. „Vor einigen Jahren hatten wir etwa 80 Meter hinter dem Auslassbauwerk einen Tisch mit Stühlen und sogar einen Aschenbecher gefunden“, erzählt Lieber. Dabei sei Rauchen dort äußerst gefährlich. „Denn die Auslasskanäle gelten durch die im Abwasser entstehenden Faulgase oder eingedrungene Kraftstoffe als hochexplosiv.“ Aber nicht nur das. Solche vermeintliche Mutproben bescheren den Kanalarbeitern viel Arbeit. Rausgerissene Gitter müssen wieder eingesetzt, beschädigte Stellen repariert werden.

Auslässe blieben beim Brückeneinsturz unbeschädigt

Die Fahrt wird fortgesetzt. Das Schlauchboot kann jetzt glücklicherweise an der abgerissenen Carolabrücke weiterfahren, wo trotz des Einsturzes die Auslässe neben dem Parkplatz am Terrassenufer unbeschädigt geblieben sind. Nach anderthalb Stunden ist das Ziel an der Moritzburger Straße in Pieschen erreicht, wo Liebers Leute das Boot wieder an Land holen können. 35 Auslassbauwerke sind kontrolliert, nur an wenigen von ihnen müssen Schäden beseitigt werden.

„Die sanierten Auslässe machen einen sehr guten Eindruck – fachlich einwandfrei“, resümiert Umweltamtschef Herold. „Besonders beeindruckt hat mich die enorme Pumpleistung am Hochwasserpumpwerk Johannstadt: 18.000 Liter pro Sekunde sind ein wichtiger Beitrag zum Hochwasserschutz der Stadt.“ Denn diese Menge kann das 2010 übergebene Pumpwerk bei Hochwasser und extremem Starkregen aus dem am Käthe-Kollwitz-Ufer verlaufenden Altstädter Abfangkanal in die Elbe pumpen. So wird das Kanalsystem zwischen der Altstadt und dem Dresdner Osten vor dem Kollaps geschützt. Beim Hochwasser im Juni 2013 hatte es erfolgreich seinen ersten Härtetest bestanden.

Für den Umweltamtschef war es ein spannender Vormittag. Bei dem haben ihm Meister Lieber und Geschäftsführer Strothteicher gezeigt, welch großer Aufwand nötig ist, um die Auslässe an der Elbe zu inspizieren. Das ist aber nur ein Bruchteil des über 1.800 Kilometer langen Dresdner Kanalsystems mit seinen zahlreichen Bauwerken.


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