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Jan Vogler: Das Publikum ist hungrig auf Live-Konzerte

Jan Vogler bei einem Konzert. Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild
Jan Vogler bei einem Konzert. Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild

Der Cellist und Festivalchef Jan Vogler sieht das Publikum in der Corona-Krise hungrig auf Live-Konzerte. Derzeit kann er sein renommiertes Moritzburg Festival für Kammermusik trotz Hygieneauflagen fast unter Normalbedingungen leiten: Alle Konzerte finden auf der Nordterrasse von Schloss Moritzburg unter freiem Himmel statt und stießen bisher auf ein begeistertes Publikum. «Moritzburg ist ein Hoffnungsschimmer. Und es ist für Musiker und Publikum gleichermaßen eine Art Therapie», sagte Vogler im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur: «Die Musiker spielen sich das Herz aus dem Leib, weil sie zum Teil schon seit Monaten nicht mehr aufgetreten sind. Das ist eine sehr glückliche Situation. Die Aussicht auf den Herbst ist aber alles andere als das.»

Vogler, der in New York und Dresden lebt und weltweit als Solist bei bekannten Orchestern auftritt, verwies auf die Situation in den USA. Dort hätten alle Orchester bis Januar 2021 den Spielbetrieb eingestellt. «Auch der Broadway spielt nicht mehr. Dort haben viele Musiker der Freien Szene ihr Geld verdient.» Im Tourneebetrieb gebe es einen kompletten Shutdown: «Viele haben Existenzängste. Vor allem für junge Musiker ist die Lage bedrohlich. Es herrscht völlige Ungewissheit. Es gibt nur die Gewissheit, dass alle Auftritte abgesagt sind.» Deshalb werde Moritzburg auch als Lichtblick empfunden und finde Resonanz: «Die Fotos von Moritzburg gehen um die Welt, weil das augenblicklich nicht die Normalität ist.»

Nach den Worten von Vogler spielen die Musiker aus vielen Ländern in Moritzburg geradezu befreit auf. «Wir hatten beim Eröffnungskonzert strömenden Regen. Alle im Publikum lauschten in Regencapes. Und auf der Bühne haben die Musiker mit einem Enthusiasmus gespielt, als wäre das hier die Carnegie Hall.

Gerade für die Teilnehmer der Moritzburg Akademie - in diesem Jahr sind es 16 junge Musikerinnen und Musiker aus 13 Ländern - wäre Moritzburg mit seinem barocken Jagdschloss und den jahrhundertealten Teichanlagen ein traumhafter Ort. Viele kämen ja aus modernen Städten ohne eine solche Tradition: «Wir spielen hier Bachs «Goldbergvariationen» vor einem Schloss, das seine heutige Gestalt in der Entstehungszeit der Komposition erhielt. Das ist etwas Besonderes. Kultur kann uns Halt geben.»

Vogler selbst hat in der Corona-Krise nach eigenem Bekunden trotz zahlreicher Konzertabsagen alle Hände voll zu tun. Ende März gab er mit namhaften Kollegen unter dem Slogan «Music Never Sleeps NYC» ein 24-Stunden-Konzert im Internet, dass rund 50 000 Zuschauer fand. Auch für die vom ihm geleiteten und wegen Corona abgesagten Dresdner Musikfestspiele gab es im Netz einen Ersatz in Form einen 24-stündigen Streams.

Inzwischen hat er mit zwei Mitstreitern die Streaming-Plattform Dreamstage gegründet, bei der am 22. August das erste Live-Konzert übertragen wird. Vogler spielt im Duo mit der Pianistin Hélène Grimaud. Beide sitzen dann in einem Saal im Bard College in Annandale-on-Hudson (US-Bundesstaat) New York.

Vogler schwebt nun vor, auch die Musikfestspiele und das Moritzburg Festival mehr in der virtuellen Welt zu verankern: «Das ist kein Widerspruch zu den Live-Konzerten.» Durch die beiden bisherigen Streams habe er gelernt, dass man auch mit dieser Form die Leute sehr gut erreichen kann. Es komme zu einem Treff der Musiker mit dem Publikum im virtuellen Raum: «Wenn keine Perspektive im Vergangenen liegt, dann müssen wir nach vorn schauen.»

Inhalt: dpa - Deutsche Presse-Agentur GmbH

Bilder: Jan Vogler bei einem Konzert. Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild

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