Herr Renner, es gab die letzten Tage viel Aufregung um Ihre vom Mitbewerber Martin Bahrmann gekaperte Website. Alles wieder gut?
Meine eigentliche Website ist renner-meißen.de. Aber natürlich hab ich gemerkt, dass er meine weitere Namenswebsite, Markus-Renner.de, für sich in Anspruch genommen hat. Ich finde, dass ist eine halbseidene Geschichte. Bestimmt hat Martin Bahrmann damit seine Glaubwürdigkeit als OB-Kandidat nicht erhöht. Er meint, es sei halt Wahlkampf mit einem Augenzwinkern. Kann er so sehen, ich betrachte es als unpassend.
Martin Bahrmann behauptet, Sie wären erst jetzt auf die Idee einer eigenen Wahlkampf-Website gekommen und hätten überrascht festgestellt, dass sie schon lange weg ist, oder?
Das stimmt so nicht. Ich habe mir verschiedenen Webseiten gesichert, bin präsent auf allen Seiten und in Social Media.Martin Bahrmann gibt mir die markus-renner.de jetzt zurück und wir beide spenden 100 Euro an die Meißner Feuerwehr. Ein akzeptabler Deal.
Gibt es ein Fairnessabkommen zwischen den drei Kandidaten, wie Rene Jurisch sagt, oder gibt es es nicht, wie Martin Bahrmann sagt?
Ich habe mit jedem einzelnen gesprochen. Soweit stimmt die Aussage von Rene Jurisch. Wir saßen aber nicht gemeinsam am Tisch und besiegelten ein Fairnessabkommen. Bei Martin Bahrmann war dieses Gespräch mit der Wendung verbunden, dass Wahlkampf auch Kampf heißt, was mich dann schon verwundert hat. Ich habe kein Interesse an einer Schlammschlacht wie bei der Wahl 2018. Rene Jurisch schätze ich auch so ein. Es wäre sehr kontraproduktiv, hier wieder tiefe Gräben aufzuziehen und sich gegenseitig mit Dreck zu bewerfen. Darunter leidet nur das Ansehen der Stadt, und die Wunden würden nur langsam heilen.
Wären Sie als OB-Kandidat angetreten, wenn Olaf Raschke noch mal ins Rennen gegangen wäre?
Ich arbeite seit vielen Jahren gut und professionell mit Oaf Raschke zusammen. Ich kann es mir nur schwer vorstellen, gegen ihn anzutreten. Als Olaf Raschke kommuniziert hat, dass er nicht mehr antritt, wurde ich von verschiedenen Personen angesprochen, ob ich mir eine Kandidatur vorstellen könnte. Das mache ich jetzt. Dennoch bin ich nicht das Nachfolgeprojekt von Olaf Raschke. Ich hab meine eigene Art, Dinge anzugehen, meine eigenen Schwerpunkte, die sich durchaus von ihm unterscheiden.
Inwiefern eigentlich? Sind Sie etwas diplomatischer?
Ich schätze seine Arbeit, die er die letzten Jahre gemacht hat. Die Zeiten, in denen er angetreten ist, waren ganz andere als heute. Da musste die Stadt wirklich aus einem Sumpf gezogen werden. Finanziell lag Meißen am Boden. Es gab Sanierungsobjekte in der Infrastruktur, Schul-, Kita-Gebäude, alles musste neu gebaut werden. Und diese baulichen Hüllen und dieses finanzielle Fundament, beides ist in den letzten Jahren in einer atemberaubenden Geschwindigkeit entstanden. Diese Hüllen mit Inhalten zu füllen, darin sehe ich heute meine Aufgabe ohne das finanzielle Fundament zu schwächen. Meißen zu einer Strahlkraft zu verhelfen, die es auch verdient hat, hier im Dresdner Umland, wo man gerne leben, arbeiten und wohnen will. Und das geht nur gemeinsam. Das ist auch eine Zeit, wo eine Stadtverwaltung nicht mehr die Probleme alleine löst, sondern die Gesellschaft mitnehmen muss. Wir haben eine breite Vereinslandschaft, viele aktive, engagierte Bürger, die ich einlade mitzugestalten.
Und inwiefern sind Sie jetzt diplomatischer?
Mir ist auch die Akzeptanz von Entscheidungen wichtig. Möglicherweise mehr als das Olaf Raschke getan hat, der einen Kurs vorgab und gegen Widerstände durchsetzte. Ich kann auf seinem Erfolg aufbauen und werde den Menschen Entscheidungen offen kommunizieren.
Weshalb haben Sie fast alle Nicht-AfD-Stadträte für ein Wahlkampffoto ans Tuchmachertor gestellt? Es gibt ja viel Kritik an dieser Aktion, oder?
Ich bin parteilos, bin nicht in der klassischen Parteischiene groß geworden, sondern mich als unabhängiger Kandidat positioniert. Mir ist es einfach wichtig zu zeigen, dass eine freie bürgerliche Mitte hinter meiner Kandidatur steht. Das Foto sollte symbolisieren, dass man jetzt als OB-Kandidat nicht als ein Linker oder Rechter oder sonst was steht, sondern als einer, der sich hier in Meißen schon jahrelang für die Stadt engagiert. Und, dass ihm von vielerlei Seiten das Amt des Oberbürgermeisters zugetraut wird. Es geht nicht um Einheitspartei oder Volksfront, sondern dass viele Unternehmer, Vertreter von Institutionen hinter dieser Kandidatur stehen und sagen, das ist Meißens Zukunft.
Rene Jurisch sagt, wenn ein Anti-AfD-Kurs das Einzige, was Ihre Partner eint, dann wird es nicht gelingen.
Da hat er sicherlich recht. Es hat sich immer gezeigt, wenn man als einzige Position nur die Alternative zur Alternative ist, ist das kein Inhalt. Das ist zum Scheitern verurteilt. Deswegen will ich meinen Wahlkampf als einen Wahlkampf für Renner und nicht gegen jemanden anderes führen. Ich will mit den Meißnern ins Gespräch kommen. Ich will die Themen, die die Leute in Meißen bewegen, ins Rathaus bringen und nach Lösungen suchen. Wir sind alle auf dem Weg zu einem großartigen Jubiläum mit einem super Fundament, was die letzten Jahre entstanden ist. Darauf können wir aufbauen und Projekte angehen wie die Turnhalle vom Franziskaneum, Tierpark, das Freibad. Aber auch ganz explizit sollten wir die Leistungen, die in den Stadtteilen passieren, mehr in den Mittelpunkt stellen.
Wie gefährlich ist für Sie die AfD? Politisch und persönlich. Sind Sie für ein Verbot der AfD?
Ich teile die Positionen der AfD nicht und sehe die Entwicklung der Partei beunruhigend. Aber nein, für ein Verbot bin ich nicht. Man muss zur Kenntnis nehmen, dass sie einen hohen Zuspruch hat. Dafür gibt es eine Menge Gründe. Wir sollten uns mit den Inhalten, die diese Partei kommuniziert, auseinandersetzen und nicht immer nur alles vom Tisch wischen und Mitglieder und Wähler der AfD in eine bestimmte Ecke stellen. Also ganz konkret sagen, was ist die Position der AfD und das ist mein Vorschlag. Dann soll inhaltlich entschieden werden. Und nicht, wenn der Gegner zu stark wird, mit einem Verbot kommen. Wir reden immer von der AfD als so einem unfassbaren Gebilde. Dabei sollten wir einfach mal die Wähler danach fragen, weshalb sie dieser Partei folgen. Und welche Inhalte sie damit verbinden. Und ob dafür die AfD tatsächlich die richtigen Lösungen bietet. Ich persönlich sehen die Stärke der AfD durchaus als eine Schwäche der anderen.
Für welche Partei schlägt ihr Herz?
Ich identifiziere mich mit keiner Partei komplett, sonst wäre ich auch Mitglied einer Partei. Ich bin eher ein Reformer als ein Revoluzzer, einer, der die Dinge weiterentwickelt und die Dinge schätzt, die man hat. Revolutionen können oft Freiheit und Wohlstand kosten. Man muss das Feuer weitertragen und nicht die Asche. Ob, man das nun als konservativ beschreiben möchte, das weiß ich nicht. Aber ich schätze schon das, was man hat und die Menschen vor uns geleistet haben.
Was halten Sie von Martin Bahrmann und Rene Jurisch?
Martin Barmann ist schon seit vielen Jahren im Stadtrat aktiv. Er hat sich früher für die Jugend eingesetzt und lebt für die Kommunalpolitik. Das rechne ich ihm hoch an. An Rene Jurisch schätze ich, dass er sich als Unternehmer im Stadtrat engagiert. Diese sind oft bodenständig und pragmatisch ausgerichtet. Das heißt, wenn sich beide im Stadtrat mit Ihrer Expertise einbringen, dann ist das genau richtig. Als Oberbürgermeister sehe ich beide nicht, weil ihnen die Kompetenz dafür fehlt. Ein Oberbürgermeister in Meißen ist nicht einer, der zum Weinfestumzug winkend durch die Straßen zieht. Nein. Er muss sich 365 Tage im Jahr mit einer Mangelwirtschaft an Geld, an Personal, an bürokratischen Hemmnissen herumschlagen. Er muss dicke Bretter bohren und ist selbst Vorgesetzter von mehreren hundert Beschäftigten. Keiner von beiden hat bisher diese Verwaltungserfahrung. Deswegen trete ich hier an.
Sie sind aber gar kein Meißner?
Ich komme aus Chemnitz und bin zur Jahrtausendwende nach Meißen an die Verwaltungshochschule zum Studium gekommen. Und gekommen, um zu bleiben.
Sie haben jetzt wieder geheiratet? Haben Sie Kinder?
Ja, ich bin glücklich verheiratet und habe vier wundervolle Kinder. Ich bin ein absoluter Familienmensch.
Sie wohnen jetzt wieder in Meißen. Mit der gesamten Familie?
Ich wohne mit meiner Frau und unseren zwei gemeinsamen Kindern in Meißen. Meine jüngste Tochter ist erst wenige Wochen alt, so dass sich hier auch noch Veränderungen ergeben können.
Was sind Ihre Ziele als OB?
Also, ich musste schon ein bisschen schmunzeln, ob Inhalte bei der Wahl überhaupt noch eine Rolle spielen. Irgendwie fühlen sich die Programme der Kandidaten auch ähnlich an. Man arbeitet sich jetzt an Luxusproblemen ab und jeder will, dass es der Stadt weiterhin gut geht. Dieser Zustand ist aber kein Zufall, sondern Lohn der letzten Jahre. Dies kann auch schnell verspielt werden.. Zunächst bin ich für eine positive Einwohnerentwicklung, weil wir schlicht überaltern. Wir müssen uns bewusst sein, dass eine schrumpfende Stadt schlecht ist für die Finanzen, für die Infrastruktur, für die Wirtschaft, für die Menschen hier. Deswegen braucht es Zuzug, insbesondere aus dem Großraum Dresden. Es muss Wohnungen geben für Alleinstehende, für Familien, für Senioren. Es muss aber auch Häuser geben. Deswegen ist eine Überarbeitung von Flächennutzungsplänen notwendig.
Unser Alleinstellungsmerkmal ist der Tourismus. Viele Touristen sind überbewältigt von der Stadt. Tourismus ist aber auch ein Antreiber, dass man immer am Puls der Zeit bleibt, dass man modern und innovativ bleibt. Diese Wirkungen in die lokale Wirtschaft hinein, die sind nicht kleinzureden. Wir sind kein Industriestandort. Dafür fehlen uns die Autobahnnähe und große Gewerbegebiete. Eine Besonderheit ist die keramische Industrie, das sollten wir mehr herausstellen. Wir punkten aber insbesodere mit Natur, Wein, Porzellan. Es ist ärgerlich, dass wir zu wenig Hotelkapazität haben und die Gäste teilweise in die Region ausweichen müssen. Es bestehen also Probleme mit der Infrastruktur.
Meinen Sie auch die Staus und das Parken?
Genau, und die überregionalen Verkehrsströme, wie es jetzt erst wieder bei dem Stautag passierte. Das braucht Lösungen. Es kann nicht sein, dass wir immer die Leidtragenden sind, wenn auf der Autobahn ein Stau ist, dass der Krankenwagen nicht mehr auf die andere Elbseite fahren kann. Aber auch Parken in der Altstadt ist ein Problem. Und da muss es für die Bewohner, für die Geschäfte, aber halt auch für die Gäste einen Ausgleich geben. Da sehe ich, braucht es tatsächlich ein Verkehrs- und Parkraumkonzept für die Altstadt. Wo sollen denn unsere Gäste parken?
Haben wir denn die Flächen überhaupt noch?
Die Flächen müssen gefunden werden. Wir könnten z.B. aus Parkflächen, wie am Kleinmarkt, ein Parkhaus machen. An der Elbe wird hingegen eine schöne Uferzone zugeparkt. Das Elbufer ist viel zu schön, als das es nur eine Parkfläche ist. Aber es braucht natürlich einen Ausgleich an anderer Stelle.
Aber jetzt könnten Sie noch mal sagen, wie die Wahl ausgeht.
Mein Ziel ist, dass ich die meisten Stimmen im ersten Wahlgang erreiche, gern über 50 %, was ich aber bei drei Kandidaten für unrealistisch halte. Daher ist mein Ziel, spätestens im zweiten Wahlgang deutlich vorn zuliegen und zu gewinnen. Und das Zepter oder den Staffelstaat, wie Olaf Raschke das so schön formuliert, von ihm zu übernehmen.
Sie haben noch einige Zeit mit ihrem Vertrag als Bürgermeister. Was machen Sie, wenn Rene Jurisch AfD-Oberbüprgermeister von Meißen und damit Ihr Vorgesetzer wird?
Wir treten gegeneinander an und der Wähler entscheidet. Ich stehe dabei für ein zukunftsfähiges modernes Meißen und möchte die Wahl gewinnen. Daran setze ich auch all meine Kraft. Die Frage, was passiert wenn es anders wird, stelle ich mir gerade nicht.
Interview: Ulf Mallek