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Vom Schreibtisch in die Lackiererei - Jobwechsel für eine Woche

Thomas Wolf
Thomas Wolf

Nachdem ich jahrelang nur am Rechner saß, Präsentationen und Excel-Tabellen gefüllt habe, musste mal ein Ausgleich her. Etwas handfestes, ni


Nachdem ich jahrelang nur am Rechner saß, Präsentationen und Excel-Tabellen gefüllt habe, musste mal ein Ausgleich her. Etwas handfestes, nicht Digitales, was Richtiges eben. Nur was?

Vor drei Jahren habe ich einen alten zum Camper umgebauten Krankenwagen gekauft. Der Wagen stand viele Jahre in den Hallen vom Katastrophenschutz in Fürth, hatte nach 25 Jahren etwas mehr als 25.000 Kilometer auf der Uhr. Quasi wie neu. Danach hat ihn ein Hamburger Lehrer, ein St. Pauli Fan und Surfer, gekauft und umgebaut. Krankenbetten raus, Liegeflächen, Standheizung und Küche rein. Irgendwann wurde ihm der Bus zu klein und ein neuer musste her. Ich suchte zu diesem Zeitpunkt einen Bus, der auf der Rücksitzbank zwei Sitzplätze mit Dreipunktgurten hatte. Match. Also ging es mit einem Kumpel im FlixBus nach Hamburg und zurück auf eigener Achse mit dem Mercedes 309 D.

Trotz des insgesamt sehr guten Zustands, gibt es einfach immer Stellen, an denen der Rost arbeitet. Insbesondere da, wo Bleche aufeinanderliegen und durch die Karosseriebewegung kleine Reibungen dafür sorgen, dass der Lack nach und nach verschwindet.
Wie der Zufall es so will, hat sich ein alter Schulfreund dafür entschieden, das Handwerk des Lackierers zu erlernen. Mittlerweile hat er auch den Meistertitel und eine eigene Lackiererei in Dresden. Mit vielen Wochen Vorlaufzeit konnten wir drei Tage freischaufeln, an denen wir beide Zeit hatten und ich unter Profianleitung meinen Bus selbst entrosten konnte.

Tag 1
Wir hatten drei Tage einkalkuliert und wussten ziemlich schnell, dass das nichts wird. Nachdem das Profiauge einmal um den Bus war, hatten wir so viele kleine und große Rostblüten gesehen, dass wir, wie Projektgeschäft üblich, erstmal priorisieren mussten. Alles würde einfach auch in fünf Tagen nicht funktionieren.
Der Plan stand und jetzt mussten die wichtigsten Teile abgeschraubt und ausgebaut werden. So langsam bekam ich eine Idee davon, wie viel Arbeit dahinter stecken würde. Und dennoch freute ich mich drauf. Als die Teile abgeschraubt waren, bekam ich Profi-Werkzeug in die Hand – einen Druckluftschrauber mit Drahtbürstenaufsatz. Jetzt wurden alle leicht zugänglichen, also alle gerade Flächen, vom Rost befreit. Und das dauert und dauert und dauert. Bei schwer zugänglichen Stellen musste dann von Hand mit kleinen Drahtbürsten und Schleifpapier gearbeitet werden.

Tag 2
Der zweite Tag begann wie der erste aufhörte. Mundschutz, Schutzbrille und Druckluftschrauber begleiteten mich den ganzen Tag. Arbeitsschutz ist absolut wichtig. Auch wenn die Drahtbürste von sehr guter Qualität ist, löst sich bei der großen Belastung immer mal ein kleines Metallstück, das dann unkontrolliert durch die Gegend fliegt und sich gern auch mal 2 bis 3 Millimeter in die Haut bohrt – auch durch Sachen. Manche Roststellen waren auf den ersten Blick kleine Blüten und entpuppten sich später als viel größer als erwartet. An einer Stelle war es besonders krass: Oberflächlich waren kleine Stellen zu sehen, nachdem alles weggeschliffen war, schaute ich in mehrere große Löcher. Herrlich – jetzt mussten wir auch noch Schweißen.
Am Ende des zweiten Tages haben wir alle Stellen, die nicht geschweißt werden mussten mit Rostumwandler behandelt und nun hieß es Feierabend, denn der Rostumwandler braucht bis zu 24 Stunden, um seine Kraft komplett zu entfalten.

Tag 3
Am Morgen des dritten Tags kam der Kollege mit dem Schweißgerät und hat zwei von drei Stellen fachmännisch geflickt. Für die dritte Stelle am hintern Radkasten (siehe Bild oben), habe ich ein Reparaturblech bestellt, welches zu einem späteren Zeitpunkt eingesetzt wird. Am Nachmittag hieß es dann abkleben, damit die Grundierung aufgebracht werden konnte. Auch hier vergehen zwei Stunden wie im Flug. Das Grundieren hat dann der Lackchirurg gemacht, so nennt sich die Lackiererei von Pelle, der Kumpel aus der Grundschule.

Tag 4
Ich wusste was heute kommt - schleifen, schleifen, schleifen. In sechs Stufen, von grob nach super fein. Besonders aufregend war das nicht, aber sehr lehrreich. Am Nachmittag haben wir den Bus dann komplett in Folie gehüllt und die zu lackierenden Stellen freigelegt, abgeklebt und Silikonentferner gereinigt. Am Ende des Tages konnte dann endlich lackiert werden.

Tag 5
Es war Freitag. Der Tag begann früh, denn kurz nach dem Mittag musste der Bus wieder fahrbereit auf der Straße stehen. Der Lack war getrocknet, nun musste die Folie wieder runter. Jetzt wurden die lackierten Bereiche noch einmal mit der Poliermaschine bearbeitet und danach ging es ans Zusammenbauen.

Fazit

Was für eine wichtige Erfahrung. Viele können sich nicht vorstellen, wie aufwändig es ist Rost fachgerecht zu entfernen und ein Auto für die Lackierung vorzubereiten. Ich bin sehr dankbar, dass ich diese Erfahrung machen durfte und kann jetzt viel besser nachvollziehen, warum das Handwerk Fachkräfte benötigt und diese Arbeit einfach Zeit und Geld kosten muss.

Ein Erfahrungsbericht von Thomas Wolf.