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Robotersprachanalysen in der Personaleinstellung

Roboter oder Computer? Wo ist der Unterschied? Industrie 4.0 wird fast die Hälfte der heute bekannten Berufe in den kommenden 20 Jahren überflüssig machen.

Ein Interview mit Prof. Dr. Jörg Klukas. Er ist Professor der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre mit dem Spezialgebiet Personalwesen an der Fachhochschule für Ökonomie und Management Leipzig

Call-Center rekrutieren ihre Mitarbeiter schon mit Hilfe von Robotern. Für welche Industriezweige wird das die Zukunft werden?

Die Qualifikation- und Eignungsforschung ist schon ein schwieriges Gebiet. Auch die besten Auswahlverfahren, wie Assessment Center, Intelligenztests usw. haben nur eine mittlere Prognosequalität für den Berufserfolg. Es ist nicht einfach wichtige Kompetenzanforderungen zu messen. Ich denke, das werden auch Maschinen nicht besser machen als die bereits entwickelten psychologischen Tests. Die meisten Tests werden ja schon am Bildschirm durchgeführt und vollautomatisch ausgewertet. Das Problem bei denTests oder Aufgaben ist, ob diese wirklich das zu erfassende Merkmal messen können. Wir wissen, dass die meisten Intelligenztests nur eine ganz spezielle Intelligenz testen können, z.B. das räumliche und logische Vorstellungsvormögen. 

Auch wenn es jetzt „Roboter“ übernehmen - was ist eigentlich der Unterschied zu einem Computer? Es werden Daten elektronisch erfasst, aufbereitet und ausgewertet. Das haben wir heute schon. Interessant im Fall der Call-Center ist, dass die Personen am Telefon sitzen und mit Kunden sprechen. Sie haben keinen Sichtkontakt, sehen weder Mimik noch Gestik. Hier könnte eine Analyse dahingehend erfolgen, dass man die Sprache, Betonung, Geschwindigkeit, etc. in konkreten Testsituationen auswertet. Man schaut, wie sich die Sprache verändert. Ist man schnell gereizt? Kann man einen Kunden beruhigen? Hier gibt es Sprachmuster, die man erkennen kann. Heute erkennen schon Apps an der Sprache, ob man entspannt oder gereizt ist. Call-Center Mitarbeiter sind einem hohen Stress ausgesetzt, besonders die im Kundenservice bzw. in Beschwerdestellen. 

Wird es den Mitarbeiter Personal, so wie wir ihnkennen, bald nicht mehr geben?

Es gibt einige Thesen dazu. Aufgaben verlagern sich. Heute gibt es Gesundheitsmanager, Feelgoodmanager usw. Man muss schauen, welche Rolle Personal bei der Personalauswahl haben soll. Es geht darum, den passenden Mitarbeiter für das Unternehmen, das Team und für die Stelle zu finden. Hier benötigt man verschiedene Beobachter. Personal und Führungskräfte überlegen sich Methoden, wie man die fachliche Eignung aus dem Stellenprofil direkt prüfen kann. Für die Eignung im Team und zum Unternehmen gibt es bereits Ansätze aus dem Umfeld Social Media. Man versucht, das Verhalten von Personen in sozialen Medien in den Kontext von Unternehmenswerten zu setzen. Ein Personaler orchestriert diesen Methodenmix - er selbst muss dann eigentlich gar keine Bewertung mehr abgeben. Dafür ist er verantwortlich dafür, dass die Instrumente das messen, was sie messen sollen. Evaluation ist hier ein wichtiges Thema.

Welche Aufgaben könnte der Roboter übernehmen?

Er könnte eine Vorauswahl treffen. Doch in Zeiten des Fachkräftemangels geht das nur für ganz bestimmte Positionen, wo viele Menschen für einen Job in Frage kommen – so wie im Fall des Call-Centers. Informatiker, Ingenieure, etc. sind so rar, da lohnt sich ein Roboter nicht. Hier geht es darum, mit der Handvoll Bewerber zu überlegen, was man mit Ihnen gewinnbringend anstellen kann, auch wenn diese nicht 100%ig passen.

Sind denn dann im Ergebnis nicht doch alle Mitarbeiter gleichgeschaltet und mit identischen, berechenbaren Fähigkeiten ausgestattet?

Menschen sind per se individuell. Und in manchen Branchen braucht man nur bestimmte Charaktere, bei der Fließbandarbeit zum Beispiel. Diese wird aber mehr und mehr automatisiert. Selbst Call-Center Agents wird es bald komplett als Roboter bzw. Programme geben. Das ist dann wirklich der nächste Schritt. Industrie 4.0 wird 40% der Berufe in den nächsten 20 Jahren überflüssig machen. Dafür entstehen aber viele neue Berufsbilder. Das wird eine große volkswirtschaftliche Herausforderung. Wenn ein Roboter die Mitarbeiter auswählen kann, warum macht er dann die Arbeit nicht gleich selbst?

Eine Armee von austauschbaren Menschen??????? Wenn sich die Roboter-Einstellungspraxis durchsetzt,werden die Personaler in 20 Jahren dann diejenigen einladen, die der Roboterausgefiltert hat?

Das haben wir heute schon. Einige Unternehmen verlangen vor dem Versenden einer Bewerbung die Durchführung eines kleinen Tests. Das ist für die Branchen sinnvoll, wo viele Bewerber in Frage kommen. Logistik, Call-Center, etc…. aber nur solange, wie diese Prozesse nicht vollständig automatisiert sind. Sind Mitarbeiter austauschbar, ist der Prozess automatisierbar.

Welche neuen Fähigkeiten brauchen Recruiter?

Zukünftig müssen Personaler viel belastbarer im Methodenverständnis sein. Dazu gehört zu bestimmten Kompetenzen, eine richtige Auswahlmethode auch zu evaluieren. Es gibt leider sehr viele Personalberater, die immer noch Intelligenztests und Persönlichkeitstests als Assessment Center verkaufen. Hier müssten die Personaler eigentlich evaluieren und feststellen, dass das keinen Sinn ergibt. Sobald man ein Stellenprofil mit der Führungskraft anlegt, muss man gleich fragen „Und wie können wir das messen?“ Dann würde es Floskeln wie „überzeugungsstark, teamfähig, analytisch, etc.“ gar nicht mehr in einer Anzeige geben. Viel mehr würde drin stehen „In einem Team mit fünf Mitarbeiter lösen Sie vor Ort bei Kunden Probleme auf dem Gebiet der Finanzmathematik…“. Daraus ließe sich schon eher ein ganz spezifischer Test generieren, der misst, was er messen soll.

Vielen Dank für das Gespräch an Prof. Dr. Jörg Klukas.

Er ist Professor der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre mit dem Spezialgebiet Personalwesen an der Fachhochschule für Ökonomie und Management Leipzig und Geschäftsführer der pludoni GmbH. Mit seinen Communitys des Empfehlungsbundes, z.B. ITsax.de und MINTsax.de, bringt er Personaler in Sachsen zusammen, welche sich gemeinsam bei der Gewinnung von Fachkräften durch gegenseitige Empfehlungen unterstützen.


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