Die Mauer am Ende der Schevenstraße in Dresden ist recht hoch, das Grundstück ziemlich weitläufig. 20.000 Quadratmeter inklusive Weinhang, der etwa die Hälfte des Anwesens ausmacht. Doch die Hausherrin Caroline Hollenders muss nicht extra aus der Bibliothek oder ihrem Arbeitszimmer zum Tor laufen, wenn es klingelt. Neuerdings geht das mit einer App. "Die neue Technik ist sehr hilfreich", sagt sie.
Tatsächlich muss sie öfters an ihrem Smartphone herumwischen, als dieser Tage der Presseclub Dresden zu Besuch kommt. Familie Hollenders hat eingeladen, um vor allem über die gute Weinlese an Dinglingers Weinberg zu sprechen. Aber unausweichlich kommt auch die Rede auf den großen Zwist, der das Familienprojekt vom Start Mitte der 90er Jahre an begleitete.
Zunächst sind die Gäste begeistert vom tollen Blick auf die Elbe, die Stadt Dresden bis in die Sächsische Schweiz. "Unbezahlbar, dieser Ausblick zum Sonnenuntergang", sagt jemand. Tatsächlich haben Caroline Hollenders, Landschaftsökologin und ehemalige FAZ-Wissenschaftsjournalistin, und ihr Mann Christoph, Notar und Unternehmer, rund 2,7 Millionen Euro in ihren barocken Traum investiert. Doch das Projekt tatsächlich umzusetzen, war viel schwieriger als gedacht.
Dinglingers Weinberg mit Haus. Foto: Gesellschaft Dinglinger Weinberg
Dinglingers Weinberg und das 650 Quadratmeter große Weinberghaus waren in keinem guten Zustand, als Familie Hollenders, die von Frankfurt/M. nach Dresden kam, ihren Plan von der Sanierung dieses Areals ins Auge fassten. Möglicherweise war es damals nicht die beste Zeit für solch ein Unterfangen. Die Einheitseuphorie war lange vorbei. Wessis, die Grundstücke kaufen wollten, begegnete man misstrauisch. Doch die Hollenders wollten unbedingt den denkmalgerechten Wiederaufbau des Weinberggeländes. Dazu mussten sie Anträge an sieben Ämtern eingereichen, von Naturschutz über Denkmalschutz bis zum Forst. Das dauerte. Erst im Frühjahr 1999 waren sie genehmigt.
Mit dem Wein war mehr Tempo vonnöten. Denn die Ausnahmeregelungen für den Weinbau in Ostdeutschland liefen Ende 1999 aus. Doch die ersten Neupflanzungen, 700 Stöcke Riesling und 1.200 Traminer, schafften die Hollenders zum Termin und setzten sogar die alten Weinbergsmauern instand. Jetzt sind es noch mehr Rebstöcke, ein Viertel Hektar kam hinzu.
Ende September hat Familie Hollenders den Wein gelesen. Im Unterschied zum Vorjahr, als die Aprilfröste die ganze Ernte zerstörten, mit einem guten Ergebnis. Die Rebstöcke hatten den Frost überlebt und trieben im Frühjahr wieder aus. Das diesjährige Ergebnis beim Traminer waren 500 Kilogramm, also rund 500 Flaschen. Beim Riesling sogar 540 Kilogramm. Die Hollenders lassen ihren Wein beim Prinzen zur Lippe in Meißen keltern.
Das barocke Weinberghaus gehörte eine Zeit lang dem Hofjuwelier von König August dem Starken Johann Melchior Dinglinger. Er feierte in diesem Haus auch 1728 seine fünfte Hochzeit. Drei Jahre später starb er. Die Hollenders achteten beim Sanieren auf jedes Detail. Sie machten sogar mehr, als der Denkmalschutz es forderte.
Der barocke Saal im ersten Stock des Weinberghauses. Foto: Ulf Mallek
Familie Hollenders großer Stolz ist der barocke Saal. Im Grunde, so Frau Hollenders, ist es der letzte original erhaltene Barocksaal in Dresden. Ein Prunkstück, das die Familie für Konzerte, Lesungen, Gesprächsrunden nutzt. Wie Christoph Hollenders dann erwähnt, habe der Saal sogar noch eine ganz wichtige, eheliche Funktion: Christoph Hollenders hat auf der rechten Seite vom Saal sein Arbeitszimmer, Caroline links. Der große Saal ist ein guter Puffer, wenn es mal nötig sein sollte. Das Haus, auf diese Aussage legt die Familie wert, ist immer nur ein bürgerliches Heim gewesen, niemals ein Schloss des Adels.
Irgendwann kommt dann doch der Elefant im Raum zur Sprache. Der sächsische Landeskonservator und Dresdner Ehrenbürger Hans Nadler hat seit 1955 in diesem Haus gewohnt. Er wollte nicht ausziehen, zumindest wollte seine Tochter, dass er nicht auszieht. Und so kam es zu einem erbitterten Streit, den die Medien mehr oder weniger engagiert begleiteten. Die Zeit schrieb von einem Weinberg der Zwietracht. Caroline Hollenders sieht es heute so: "Es war eine schmerzhafte Geschichte. Ich bedauere es sehr, dass Professor Nadler es nicht mehr erlebt hat, was aus dem Haus geworden ist. Die sieben Jahre waren schwere Jahre für uns alle. Sie haben den Menschen nicht gutgetan und dem Haus auch nicht, denn der Hausschwamm rückte weiter vor."
Der Zwist ist heute vergessen. Die Hollenders bemühen sich um Offenheit und Freundschaft mit ihren Nachbarn, laden sie auch mal ein. Christoph Hollenders ist Honorarkonsul Südkoreas, Lehrbeauftragter an den Unis Dresden und Leipzig. An einigen größeren Firmenkäufen und wirtschaftlichen Deals war als Mediator beteiligt.
Caroline Hollenders fasst es so zusammen: "Wir haben alles hingekriegt und sind froh und dankbar darüber."
Text: Ulf Mallek