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Böhmermann erkennt Heinzig als Satiriker an! Warum streitet er dann dennoch vor Gericht?

Symbolbild Bienen / pixabay PollyDot
Symbolbild Bienen / pixabay PollyDot

War "zwei Satiriker" ein Fehler? Böhmermann kämpft für seine Persönlichkeitsrechte, die er durch das satirische Honig-Plakat von Heinzig verletzt sah.

Jan Böhmermann, Deutschlands bekanntester TV-Satiriker und Podcaster, ist Medienprofi durch und durch. Mit seinem investigativ-satirischen Format „ZDF Magazin Royal“ geht er regelmäßig auf Missstände in der Gesellschaft ein und unterhält sein Publikum damit. So auch in seiner Sendung vom 3. November 2023, in der es um Borkenkäfer und Bienen ging und auch darum, dass Imker Unternehmen dabei helfen, mit Beewashing, eine Wortkreation aus Greenwashing und dem englischen Wort für Biene (engl. bee), ihr Image aufzupolieren. In dieser Sendung wurde auch ein Video von Rico Heinzig, einem Imker Meißen bei Dresden, gezeigt. Im Kontext der Sendung wurde ihm Geschäftemacherei mit der Erzählung vom Aussterben von Bienen vorgeworfen. Heinzig sah sich hier zu Unrecht an den Pranger gestellt und reagierte auf satirische Art und Weise. 

Groß-Satiriker gegen Klein-Satiriker

Lange Zeit hat sich Böhmermann nicht zu diesem Fall geäußert, auch wenn es direkt nach dem verlorenen Prozess im Landgericht Dresden am 8.2.2024 die Gelegenheit gegeben hätte. Die Richterin wies Böhmermanns Klage gegen Heinzig mit einer umfassenden Erklärung ab und gab letztlich Heinzigs Verteidigung in allen wesentlichen Punkten recht, was eine gigantische Medienberichterstattung nach sich zog. 

Böhmermann akzeptierte diese Entscheidung nicht und ging fristgerecht beim Oberlandesgericht in Dresden in Berufung. Zeitgleich äußerte sich Böhmermann erstmals im HR2 Podcast „freiheit deluxe“ vom 7. März 2024 zum Streit mit dem Imker Rico Heinzig. Dieser Satz dürfte juristisch sehr bedeutsam sein, da er quasi die Gegensatire von Heinzig anerkennt. 

Böhmermann sagte: "Bei dieser Honiggeschichte treffen einfach zwei Satiriker aufeinander. Ich finde es spannend, herauszufinden, ob das eine neue Form von Satire ist, dass, wenn mir etwas nicht gefällt, ich dann quasi Persönlichkeitsrechte von Leuten verletzen kann und damit Produkte verkaufen kann. Ich würde das gern für mich wissen. Dann spare ich mir die ganze Arbeit mit der Sendung und werde anderweitig reich."

Böhmermann erkennt Heinzig als Satiriker und damit als Künstler an, reklamiert aber gleichzeitig, dass Heinzig seine Persönlichkeitsrechte verletzen würde, weil Heinzig mit dem streitbaren Plakat (ein Kunstwerk) Böhmermann als Werbefigur für seinen Honig einsetzen würde, um damit Geld zu verdienen, ohne dass Böhmermann dafür sein Einverständnis gegeben hätte. Man muss in diesem Zusammenhang aber auch erwähnen, dass es Böhmermann auch nicht für angebracht hielt, Heinzig vor der Veröffentlichung seines Videos in der investigativ-satirischen Sendung zu fragen. Damit dürfte Böhmermann zumindest in Kauf genommen haben, dass das Geschäft von Rico Heinzig geschädigt wird. 

Wenn man sich die Arbeitsweise von Jan Böhmermann etwas genauer anschaut und sich das obige Zitat noch einmal durchliest, könnte man auf die Idee kommen, dass hier ein argumentatives Ungleichgewicht vorliegen könnte. 

Auf der einen Seite wirft er Heinzig vor, dass er Persönlichkeitsrechte verletze, um damit Geld zu verdienen und auf der anderen Seite macht Böhmermann auf Spotify mit seinen Songs über Claus Weselsky oder Rainer Wendt zumindest vergleichbares. Er zieht dabei mutmaßlich in Erwägung, dass er mit den Songs Geld verdienen kann. 

Auf Spotify bekommen Künstlerinnen und Künstler 0,3 Cent pro abgespieltem Stream. Bei den beiden erwähnten Songs kommt Böhmermann in Summe auf rund 900.000 Wiedergaben – rechnerisch wären das dann 2.700 Euro. Mit all seinen Songs auf Spotify dürfte er schon rund 34.500 Euro verdient haben. 

Souveräne Menschen hätten die Aktion von Heinzig wahrscheinlich mit einem Lächeln anerkannt und dann wäre es gut gewesen. Doch Böhmermann möchte den Rechtsstreit unbedingt: „Ich würde das gern für mich wissen. Dann spare ich mir die ganze Arbeit mit der Sendung und werde anderweitig reich“, erklärte er im Podcast. Denkt Böhmermann hier, dass Heinzig mit einem einzigen Plakat und 150 Gläsern Honig reich geworden sei? 

Dass sich Böhmermann weiterbilden möchte, ist lobenswert. Ob er seinen Wissensaufbau dabei auf Kosten des sächsischen Imkers und des Steuerzahlers betreiben muss, ist allerdings fraglich. Laut Böhmermann zahle er die Kosten für den Rechtsstreit aus seinen Einnahmen bei Spotify und will damit wahrscheinlich auch das ZDF nicht mit reinziehen. 

Für Heinzig allerdings wäre der Rechtsstreit sogar existenzbedrohlich für sein Unternehmen geworden. Darum startet er kurz nach Bekanntwerden der Berufung eine Spendenkampagne auf GoFundMe.com, die wieder ein riesiges Medienecho hervorrief und Heinzig bis jetzt gigantische 70.000 Euro einbrachte – sogar Barspenden seien per Brief gekommen. Mit diesem Geld ist Heinzig gut gerüstet, um sich gegen Böhmermann zu wehren. Auf der Spendenseite erklärt Heinzig, dass das Geld, was nicht für den Rechtsstreit benötigt wird, zu 100 Prozent in Natur- und Umweltprojekte gesteckt würde.

Streisand: Böhmermann hat sich vermanövriert

Böhmermann ist Medienprofi und hätte ahnen können, dass sein Kampf David gegen Goliath die Medien interessiert, gerade weil er so polarisiert und das mit dieser Aktion weiter befeuert.

Eigentlich wollte Böhmermann verhindern, dass jemand mit seinem Bild Werbung macht und Geld verdient. Hätte er die Aktion souverän weggelächelt, würde heute keiner mehr über das Thema sprechen. Durch seine Klagen löste Böhmermann aber immer wieder neue Medienwellen aus, die Heinzig dann zwangsläufig reiten musste und ihn immer bekannter machte. 

Das, was hier passiert, nennt man Streisand-Effekt. Dieser tritt dann ein, wenn der Versuch, eine unliebsame Information zu unterdrücken, das Gegenteil erreicht, indem ungeschicktes Vorgehen eine öffentliche Aufmerksamkeit erzeugt, die das Interesse an der Verbreitung der Information deutlich steigert.

So wurde aus einem satirischen Plakat in einem Edeka-Markt, das ein paar Leute gesehen haben, ein Phänomen, das Millionen Menschen in Deutschland erreicht.