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Er hatte alles – und fühlte nichts. Warum Elias Ernst seinen gut bezahlten Job hinschmiss, um in der Pflege echten Sinn zu finden

Neustart in die Pflege: Elias Ernsts Wechsel vom Büro zur Menschlichkeit / Quelle: Collage Instagram ©pflegemitelias
Neustart in die Pflege: Elias Ernsts Wechsel vom Büro zur Menschlichkeit / Quelle: Collage Instagram ©pflegemitelias

Elias Ernst tauscht Schreibtisch gegen Pflegebett. Warum er seinen Bürojob aufgab, um Sinn zu finden – und was das mit unserer Gesellschaft zu tun hat.

Wer ist Elias Ernst – und was sagt sein Weg über den Zustand unserer Pflege aus? 

Ein Porträt von Arne Frank

Leipzig. Als ich Elias Ernst zum ersten Mal in der Cafeteria eines Leipziger Klinikums treffe, wirkt er ganz anders, als man sich einen typischen Auszubildenden in der Pflege vorstellen würde: Ruhiger Blick, aufrechte Haltung, klar im Ausdruck. „Ich wollte nicht mehr nur klicken“, sagt er gleich zu Beginn unseres Gesprächs. „Ich wollte etwas bewegen.“

Noch vor wenigen Jahren war Elias im Projektmanagement eines großen Unternehmens tätig, zwischen Kundengesprächen, Budgetplanung und endlosen Meetings. Ein durchstrukturierter Büroalltag, wie er im Buche steht. Und doch: „Ich habe gut verdient – aber schlecht geschlafen.“

Was war passiert? Warum entscheidet sich jemand Anfang 30, mit sicherem Job und klarer Karriereleiter, für einen Neustart in einem Berufsfeld, das viele wegen seiner Belastung meiden?

Vom Monitor zu Menschlichkeit

„Ich bin Teil der Generation Y“, erklärt Elias, „und wir wollen wissen, wofür wir morgens aufstehen. In meinem alten Job fehlte mir irgendwann das Gefühl, dass meine Arbeit eine echte Wirkung hatte. Viel Oberfläche, wenig Tiefe.“

Auf seinem Instagram-Kanal @pflegemitelias gibt Elias regelmäßig authentische Einblicke in seinen Alltag als Auszubildender in der Pflege. In kurzen Reels und Storys erzählt er von bewegenden Momenten, skurrilen Begegnungen und herausfordernden Schichten – und das immer mit einer Portion Humor. Auch auf LinkedIn nutzt er seine Plattform, um über strukturelle Probleme im Gesundheitssystem zu sprechen und auf konstruktive Weise Denkanstöße zu liefern. Sein Motto lautet dabei immer: „Weitermachen!“

„Ich versuche, das zu zeigen, was die Pflege wirklich ist – ehrlich, menschlich und manchmal auch richtig witzig“, erzählt Elias mit einem breiten Grinsen. „Wir erleben so viel Echtes. Das möchte ich teilen – nicht nur mit anderen Pflegenden, sondern mit allen, die neugierig sind.“

Besonders seine Offenheit kommt gut an. Ob Nachtdienst-Stories mit Kaffee in der Hand oder Reflexionen über emotionale Gespräche mit Patient:innen – Elias zeigt Pflege von innen. Ohne Weichzeichner, aber mit Herz.

Und er freut sich über jede:n, der oder die ihn dabei begleitet: „Ich wünsche mir, dass noch mehr Menschen online mitgehen. Nicht, um mich zu feiern, sondern um Pflege aus einer anderen Perspektive zu sehen – als Beruf mit Witz, Verstand und Würde.“

Elias konkurriert auf Instagram humorvoll mit Cristiano Ronaldo um Follower.

Pflege in der Krise - oder am Wendepunkt?

Elias ist Teil einer wachsenden Bewegung von Quereinsteiger:innen in die Pflege. Denn obwohl die Herausforderungen groß sind, ist auch der gesellschaftliche Bedarf nach mehr Menschlichkeit im Gesundheitswesen spürbarer denn je.

In Sachsen fehlen laut dem Pflegebericht 2023 des Sozialministeriums bis 2030 über 13.000 Pflegekräfte – allein in Leipzig sind derzeit rund 700 offene Stellen unbesetzt (Quelle: Bundesagentur für Arbeit, 2024). Die Belastung für das bestehende Personal ist hoch, die Abbruchquote in der Ausbildung liegt bei etwa 30 Prozent. Und dennoch: Menschen wie Elias zeigen, dass Pflege nicht nur ein Notnagel sein muss, sondern auch eine bewusste Wahl für ein sinnerfülltes Leben.

„Pflege ist nicht steril. Sie ist voll Leben.“

Elias absolviert seine Ausbildung auf einer Station für Gefäß- und plastische Chirurgie. „Klar, die Theorie ist hart. Ich bin kein 1er-Schreiber, das war ich nie“, gibt er offen zu. „Aber ich sehe Zusammenhänge. Ich verstehe, wie wichtig Kommunikation, Teamarbeit und Präsenz sind.“

Er spricht mit Respekt über die kleinen Gesten im Pflegealltag: „Ein gutes Gespräch beim Waschen, ein kurzer Blickkontakt, ein aufmerksames Zuhören – das kann für einen Menschen mehr bedeuten als jede Tablette.“

„Ich will zeigen, dass Pflege stark ist“

Was Elias antreibt, ist nicht nur das tägliche Tun, sondern der größere Blick: „Ich will zeigen, dass Pflege nicht nur aufopferungsvoll ist, sondern stark, klug, strategisch und gesellschaftlich relevant.“

Auf Social Media entwickelt er sich zunehmend zu einer Stimme für die Pflege der Zukunft – nahbar, klug und mit Haltung. „Ich glaube, wenn mehr Menschen erleben würden, wie vielseitig und menschlich Pflege ist, dann würden auch mehr sich für diesen Beruf entscheiden.“

Ein Beruf – und eine Botschaft

Elias sieht sich nicht als Held. Aber als jemand, der Verantwortung übernimmt – nicht nur für Patient:innen, sondern für das Bild eines Berufsstandes. Seine Botschaft: Pflege ist keine Notlösung, sondern eine Entscheidung für Nähe, Verantwortung und echten gesellschaftlichen Beitrag.

„Vielleicht liegt es auch an meinen Wurzeln“, sagt Elias. „Meine Eltern kommen beide aus dem Handwerk. Sie wissen am Ende des Tages, was sie geschafft haben. Und das tue ich jetzt auch.“

Sinn finden, wo andere nur Belastung sehen

Elias Ernst ist nicht nur ein Auszubildender in der Pflege – er ist eine Stimme für einen Wandel. In einer Zeit, in der die Pflege unter Druck steht, bringt er Mut, Klarheit und Engagement ins Spiel. Und zeigt: Wer Sinn sucht, findet ihn manchmal genau dort, wo andere nur Belastung sehen.

Quellen & Weiterführende Links:

  • Pflegereport Sachsen 2023: sachsen.de
  • Bundesagentur für Arbeit: Fachkräfteengpassanalyse Pflegeberufe (2024)
  • Elias Ernst auf Instagram: @pflegemitelias
  • Elias Ernst auf LinkedIn: Profil