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Keine Entwarnung bei Extremismus in Sachsen

Eine Statue der Justitia hält eine Waage und ein Schwert in der Hand. / Foto: Arne Dedert/dpa/Symbolbild
Eine Statue der Justitia hält eine Waage und ein Schwert in der Hand. / Foto: Arne Dedert/dpa/Symbolbild

Die Corona-Pandemie hat die Zahl von Extremisten in Sachsen wachsen lassen. Das ist ein Befund aus dem aktuellen Verfassungsschutzbericht. Die Arbeit des Landesamts wird nicht weniger.

Der Rechtsextremismus bleibt nach Einschätzung der sächsischen Sicherheitsbehörden die größte Bedrohung für die Demokratie. Das gelte in qualitativer und quantitativer Hinsicht gleichermaßen, sagte Dirk-Martin Christian am Dienstag bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes in Dresden. Innenminister Armin Schuster (CDU) bezifferte die Zahl der Rechtsextremisten auf 4350. Die Partei «Freie Sachsen» mit 1000 Mitgliedern sei dabei der dynamischste und mobilisierungsstärkste Akteur.

Nach der Corona-Pandemie hätten Rechtsextremisten neue Themen mit «Empörungspotenzial» gefunden, hieß es. Im Zuge von Protesten sickere rechtsextreme Ideologie in andere Milieus ein. Zudem nähmen die Bestrebungen zu einer Vernetzung der Szene zu. Rechtsextremisten wurden 2022 für 58 Gewalttaten verantwortlich gemacht (2021: 81). Eine steigende Zahl gab es bei Musikveranstaltungen der Szene. Die Statistik listet für das Vorjahr zwölf rechtsextremistische Konzerte und 24 Liederabende auf, im Jahr 2021 waren es neun beziehungsweise 16.

Zudem hat das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) eine Zunahme bei sogenannten Reichsbürgern und Selbstverwaltern registriert. Sie leugnen die bestehende Rechtsordnung und erkennen die Bundesrepublik nicht an. Ihre Zahl stieg binnen Jahresfrist um 600 auf 2500 Personen. Das sei aber nur die Spitze des Eisberges, sagte LfV-Präsident Christian. Die Entwicklung wird mit der Corona- Pandemie in Verbindung gebracht. Dresden entwickle sich zu einem «Reichsbürger-Hotspot», ansonsten konzentriere sich die Szene im ländlichen Raum, hieß es.

Erhöhtes Gefährdungspotenzial geht laut LfV von einzelnen, verschwörungstheoretisch geprägte Reichsbürgern aus. Die Gruppierung Königreich Deutschland breite sich nach Darstellung Christians mit «Gemeinwohldörfern» weiter aus. Auch ihren Sympathisanten sei gesagt, dass «Gemeinwohldörfer nicht nur Orte für esoterische Seminare sind, an denen sich über Systemausstieg, die Geisterwelt Gottes oder Methoden der Gesunderhaltung philosophieren lässt». Auch sie stünden für die Ablehnung und Überwindung der Bundesrepublik Deutschland.

Unter Linksextremisten registrieren die Verfassungsschützer steigende Gewaltbereitschaft. «Die Taten werden bedrohlicher. So bewegen sich einige Übergriffe am Rande von versuchten Tötungsdelikten. Das ist eine neue Qualität», sagte Christian. Einzeltäter oder Kleinstgruppen würden Opfer gezielt aussuchen, Übergriffe genau geplant, Tatorte vorher ausgespäht. 650 Linksextremisten gelten als gewaltbereit, die Szene wird insgesamt auf 890 Leute beziffert. Linksextremisten werden für 174 (Vorjahr: 114) Straftaten verantwortlich gemacht.

Die Zahl der Islamisten in Sachsen bleibt im Bundesvergleich mit 450 Personen auf niedrigem Niveau, schätzte das LfV ein. Ihnen wird ein bewusster Missbrauch der Religion für verfassungsfeindliche Zielsetzungen attestiert. Es gebe weiter eine «abstrakte Gefahr von Terroranschlägen», aber momentan keine konkreten Hinweise auf unmittelbar bevorstehende Anschläge in Sachsen, hieß es.

Ein neues Phänomen beschreibt der Verfassungsschutz mit dem Begriff «Delegitimierung des Staates». Dazu zählen die Verfassungsschützer Menschen, die in sozialen Medien oder auf Demonstrationen den Staat und Politiker unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit verächtlich machen und sogar Gewalt androhen. Die Zahl dieser Personen wird in Sachsen auf 120 geschätzt, die «Bürgerbewegung Leipzig 2021» als «erwiesen extremistisch» inzwischen vom Verfassungsschutz beobachtet.

«Aus der Helikopterperspektive sind unsere Radarschirme unverändert voll», sagte Schuster. Auch im Bereich von Spionage und Sabotage müsse man weiter wachsam sein. «Es ist wichtig, dass wir Verfassungsfeinde sichtbar machen.» Für keinen Phänomenbereich könne man Entwarnung geben. «Alle Extremisten eint: Sie wollen unsere durch das Grundgesetz verfasste Ordnung beseitigen.»

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