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Meißner OB-Kandidat Martin Bahrmann: "Es muss ein neuer, positiver und innovativer Geist in die Verwaltung einziehen"

Der Meißner OB-Kandidat Martin Bahrmann (FDP). Foto: Mallek
Der Meißner OB-Kandidat Martin Bahrmann (FDP). Foto: Mallek

Martin Bahrmann hat seinem Kontrahenten Markus Renner eine Website gestohlen, gibt sie aber wieder zurück. Sein Herz brennt für Meißen, sagt er.

Herr Bahrmann, weshalb haben Sie Ihrem Kontrahnten Markus Renner eine Website gestohlen?

Eigentlich war es ein Scherz. Ich wusste oder ahnte ja schon lange, dass Markus Renner als Oberbürgermeister-Kandidat antreten wird. Und es heißt ja Wahlkampf und nicht Wahlkuscheln. Außerdem wollte ich kreativ sein und habe die offensichtlichste Seite für mich reserviert. Mein Ziel war zu zeigen, wie ernst ich es mit dem Wahlkampf meine und zweitens, dass man für den Wahlkampf eine gute Planung benöltigt. Die hatte Markus Renner nicht. Aber wir haben uns jetzt ja geeinigt, das Problem friedlich gelöst. Dass ich die Seite zurückgebe, war mir von Anfang an klar. Schwamm drüber.

Sie behaupten, anders als Rene Jurisch, es gebe gar kein Fairnessabkommen zwischen den drei Kandidaten im OB-Wahlkampf?

Es gibt auch kein Abkommen. Von Rene Jurisch habe ich eine WhatsApp in dieser Richtung erhalten und mit Markus Renner habe ich kurz darüber gesprochen. Aber ein Abkommen mit Handschlag und Unterschrift gibt es nicht.

Warum möchten Sie OB von Meißen werden?

Es gibt so viele Gründe, warum ich Oberbürgermeister meiner Heimatstadt werden möchte. Ich kann in Worten gar wiedergeben, wie sehr mein Herz für meine Heimatstadt brennt. Meine Familie ist seit Generationen hier in der Stadt. Viele kennen vielleicht "Schindler Kohle" noch. Hier bin ich in den Kindergarten gegangen, war in der Afra Grundschule und später dann im Franziskaneum Schüler. Der Grund, warum ich überhaupt in die Politik gegangen bin, ist die Liebe zu meiner Heimatstadt, aber auch der Wunsch, sie besser zu machen. Gerade als Jugendlicher stand ich vor der Frage, mich abzuwenden, irgendwo zu studieren und nicht wiederzukommen, wie es viele aus meinem Abiturjahrgang gemacht haben, oder hier zu bleiben und zu versuchen, etwas zum Besseren zu verändern. Das war in den letzten Jahren schon mein Antrieb als Stadtrat zu wirken.

Das sind Sie ja immer noch und könnten es weiter bleiben, oder?

Ja, allerdings gibt immer der Oberbürgermeister die Richtung der Verwaltung vor. Prozesse, die Räte anstoßen, brauchen länger und werden auch gern, insofern sie Aufwand bedeuten, nicht mit der eigentlich nötigen Energie verfolgt. Auch gibt es teilweise seltsame Aussagen. Als Beispiel möchte ich hier den Streetworker angeben, für den ich jahrelang gekämpft habe. Anfangs sagte man mir bei der Verwaltung noch: "Wenn wir einen Streetworker einstellen, würden wir ja zugeben, dass wir ein Problem haben." Erst als die soziale Situation zunehmend prekärer wurde, rang man sich durch, meinem Vorschlag zu folgen. Diese Jahre dazwischen waren verloren. Leider passieren solche Prozesse häufiger. Auf der anderen Seite gibt es ein dysfunktionales Bürgerbüro mit Wartezeiten von Monaten für einen Termin. Verantwortlich dafür ist laut Organigramm Bürgermeister Renner.

So darf es nicht weitergehen. Fehlerhafte und zu langsame Prozesse lassen das Vertrauen der Bürger in Verwaltung zunehmend schwinden. Das hilft am Ende aber nur den Extremen. Ich bin selbst Bürger dieser Stadt, meine Kinder gehen hier in Kindergarten und Schule. Meine Frau arbeitet in der Stadt - wir alle bekommen hautnah die Entscheidungen mit, die der Oberbürgermeister trifft. Ja, wir sind selbst davon betroffen. Wir sind aktiver Teil der Bürgergesellschaft in verschiedenen Vereinen und man trifft mich auch in der Stadt, sei es bei Veranstaltungen, beim Meißner Bier/Wein oder beim Einkaufen. Das ist der große Unterschied zu Olaf Raschke. Ich will aber auch, dass es meinen Kindern besser geht, als mir in Ihrem Alter, ich will als Teil dieser Bürgergesellschaft meine Heimatstadt, für die ich brenne und die ich liebe, zu einer besseren Stadt für alle Bürger, egal ob jung oder alt, machen. Auf der anderen Seite dürfen auch die älteren Mitbürger nicht vergessen werden. Das ist mein Ansporn. Ein echter Meißner für die Meißner Bürger, der Erfahrung hat, der aber auch darauf brennt, das Gute noch zu verbessern und das Schlechte zum Guten zu machen... und zwar schnell.

Wären Sie auch angetreten, wenn Olaf Raschke noch mal ins Rennen gegangen wäre?

Ja, auf jeden Fall. Eine Stadt braucht auch in einem solchen wichtigen Amt Veränderung. Prozesse schleifen sich ein, der Innovationswille wird geringer und es droht Stillstand in einer sich immer schneller bewegenden Zeit. Das mindert nicht die Erfolge von Olaf Raschke, aber alles hat seine Zeit. Eine neue Person mit frischen Perspektiven kann hier neuen Schwung bringen. Daher empfinde ich es als wertvoller, als Kandidat dazustoßen, der nicht seit Jahren in der Verwaltung arbeitet.

Haben Sie denn überhaupt eine Chance gegen die beiden anderen Kandidaten Markus Renner und Rene Jurisch?

Die Gesellschaft wandelt sich und eine Oberbürgermeisterwahl ist immer auch eine Personenwahl. Ich bin in der Bürgerschaft noch breiter vernetzt als vor sieben Jahren und bereite mich zudem seit Jahren auf die Kandidatur vor. Also ja, es gibt eine gute Chance.

Hinter Markus Renner hat sich wohl ein breites demokratisches Bündnis geschart. Sie sind aber nicht dabei. Jetzt gibt es insgeheim Vorwürfe, Sie würden somit Rene Jurisch und die AfD ins Amt helfen. Ist das so?

Es ist eine Mär zu glauben, dass breite demokratische Zusammenschlüsse von ganz Links bis mitte Rechts den Bürger dazu ermutigen würden, anders zu stimmen, als er es würde. Beispiele dafür, dass das schief gegangen ist, gibt es viele. Man muss nur nach Sonneberg schauen oder nach Pirna. Die Menschen wollen sich nicht bevormunden lassen und aus eigenen Gesprächen weiß ich, dass dieses Foto am Tuchmachertor nicht gut angekommen ist und Markus Renner potentiell eher schaden wird. Ich stehe für mich selbst und für einen neuen und anderen Politikansatz. Bei mir weiß man, was man bekommt und wo ich hingehöre, was meine Überzeugungen sind. Markus Renner wird so nur zum Diener vieler Herren, bei dem der Wähler nicht weiß, wo er einzuordnen ist. Ist er ein Grüner oder ein Linker? Von denen wird er ja schließlich auch unterstützt? Am Ende entscheidet der Bürger.

Falls es zum zweiten Wahlgang käme, treten Sie dann noch einmal an?

Diese Frage beantworte ich gern, wenn es soweit ist.

Es wird in Meißen erzählt, Sie hätten eine Absprache mit Rene Jurisch. Wenn er OB wird, holt er Sie in die Stadtverwaltung. Stimmt das?

Es ist immer schön, wenn Dinge erzählt werden, von denen der Betroffene selbst nichts weiß. Kurzum, sollte Rene Jurisch OB werden, stehe ich nicht für irgendwelche Posten zur Verfügung. Markus Renner jedoch hat meines Wissens noch einige Jahre als gewählter Bürgermeister. Er müsste also unter Rene Jurisch arbeiten oder sein Amt aufgeben. Das ist aber eine Gewissensfrage, die sie ihm stellen sollten. Außerdem: welches Amt sollte mir Rene Jurisch denn  anbieten, damit es meinem jetzigen Job als Vize-Chef einer Einrichtung der Rentenversicherung übertrifft?

Was möchten Sie in der Verwaltung ändern, wenn Sie OB sind? 

Es nützt der schönste Plan nichts, wenn die Grundlagen in einer Stadt nicht funktionieren. Wie können wir uns z.B. auf 1100 Jahre Meißen vorbereiten, wenn die Stadt nicht sauber und ordentlich ist? Was nützt uns ein Tourismuskonzept, wenn die Bürger selbst unzufrieden sind, weil die Verwaltung, wie z.B. im Bürgerbüro, nicht so funktioniert, wie man sich das als Bürger erhofft. Was bringt uns die vielen tollen Veranstaltungen, die es in der Stadt gibt, wenn sich die Menschen von hier nicht wohl fühlen?

Tatsächlich ist es eines meiner Hauptthemen, die Menschen wieder mit Ihrer Stadt zu versöhnen, sodass sie genauso stolz auf ihre Heimatstadt sein können, wie ich es bin. Als Chef der Verwaltung muss man dies vorleben. Man muss die eigenen Mitarbeiter mit diesem Feuer und Tatendrang anstecken. Man muss endlich wieder eine Fehlerkultur leben, in der sich Mitarbeiter trauen, auch mal kreativ und offen zu sein und nicht nur Dienst nach Vorschrift zu machen. Aktuell erlebe ich in der Verwaltung einen gewissen Fatalismus in Bezug auf die Führung. In der Wirtschaft ist der "Dienst nach Vorschrift" der Tod jeder Innovation. So ist es auch in einer Stadt. Wir müssen in Bezug auf Bürgeranliegen schneller und besser werden. Im Idealfall ist der einzige Punkt, an dem der Bürger mit der Verwaltung zu tun hat ein freundlicher Mitarbeiter, welcher sich zeitnah um die Belange in den Bereichen kümmert, und zwar zu einem Zeitpunkt, an dem der Bürger auch kann.

Ein Bürgerbüro muss Öffnungszeiten haben, die es für die arbeitende Bevölkerung auch möglich macht, Termine zu bekommen, für die man keinen Urlaub nehmen muss. Wann hat denn ein Meißner in der Regel Zeit? Entweder in seiner Mittagspause, wenn er in der Stadt arbeitet, oder nach Feierabend. Aktuell ist es aussichtslos, hier einen Termin zu machen. Mittags hat das Bürgerbüro zu, weil Mittagspause und an zwei Tagen ist nach 18 Uhr schon Schluss (sonst noch eher). Warum gibt es keine rotierenden Schichten mit entsprechender Überlappung? Warum ist nicht bis 20 Uhr geöffnet, sodass jemand, der bis 18 Uhr im Laden steht, auch eine Chance hat, noch Amtsgeschäfte zu erledigen? Warum gibt es keine Öffnungszeiten an Brückentagen, an denen vielleicht der normale Arbeitnehmer mal frei hat? Hier kann die Verwaltung viel aus der Wirtschaft lernen. Hier gibt es enormes Potential für Bürgerfreundlichkeit. Ich freue mich ja, dass inzwischen meinem Vorschlag Rechnung getragen wurde, auch andere Mitarbeiter grundsätzlich für die Arbeit im Bürgerbüro zu qualifizieren, um Ausfälle zu kompensieren. Warum ist da in der Verwaltung keiner drauf gekommen? Es muss ein neuer, positiver und innovativer Geist in die Verwaltung einziehen.

Dazu kommt noch ein weiteres Projekt, dass zeitnah angegangen werden muss: Wir sind gut darin, Probleme kleinzureden oder zu negieren, wie oben schon beschrieben. In Teilen höre ich "Was haben Sie denn, wir haben doch keine Probleme, gucken Sie mal da und da hin... da ist es noch schlimmer". Das darf doch nicht unser Ansporn sein! Wir haben in der Stadt Probleme, diese müssen klar benannt werden. Als Beispiel nenne ich hier das Triebischtal. Hier muss dringend mehr Präsenz der Ordnungskräfte etabliert werden. Deswegen fordere ich schon länger eine Außenstelle der Polizei oder wenigstens des Ordnungsdienstes im Triebischtal nahe der Hotspots. Zu hören bekomme ich, nicht nur in diesem Fall: "Geht nicht" oder "zu teuer" oder oder... Sie kennen doch den Spruch, "Wer nicht will, findet Gründe, wer will, der findet Wege." Ich will, dass die Verwaltung Wege findet - idealerweise ohne den Bürger noch mehr zu gängeln oder zu belasten. Mit mir wird es auch keine Steuererhöhungen oder Ähnliches geben. Wir müssen als Stadt mit dem Geld auskommen, das wir haben. Das ist möglich, erfordert aber auch hier wieder kreative Herangehensweisen.

Sind Sie für ein Verbot der AfD?

 Die AfD ist eine Partei, deren Programmatik und Menschenbild ich nicht teile. Ich bin jedoch der festen Überzeugung, dass man dieser Partei nur mit guter Politik begegnen kann und muss, die die Probleme der Menschen ernst nimmt und diese auch löst. Wenn man sich ansieht, warum die Menschen die AfD wählen, ist dies zu großen Teilen aus Enttäuschung daraus, dass die Politik aus ihrer Sicht nach den Wahlen schlicht nicht das Versprochene umsetzt. Ein Parteiverbot sorgt am Ende nur dafür, dass sich neue Strukturen mit denselben handelnden Akteuren bilden.

Reicht Ihre Verwaltungserfahrung für den Posten eines OB?

Ich bin seit 16 Jahren Stadtrat und sitze seit vielen Jahren im Kreistag. Habe unterschiedliche Berufserfahrung in der Verwaltung und in der Wirtschaft bzw. Bildung gesammelt. Aktuell leite ich als stellv. Geschäftsführer und Prokurist eine Gesellschaft mit 130 Mitarbeitern, die zu 100% Tochter der Rentenversicherung ist. Ich arbeite also schon in leitender Funktion im quasi öffentlichen Dienst. Hinzu kommt, dass ich schon Publikationen zum Kommunalwahlrecht herausgegeben habe und seit vielen Jahren Vorträge zu Kommunal- und Verwaltungsrecht gebe. Sogar Seminare für Bürgermeister habe ich schon durchgeführt. Ich verfüge also vollumfänglich über Verwaltungserfahrung, bringe aber auch jahrelange Berufserfahrung mit, die sich nicht nur auf Verwaltung beschränkt. Ich denke, diese Mischung ist ein großer Vorteil für die Stadt.

Wie geht die Wahl aus?

Damit, dass die Bürger eine weise Entscheidung über die Zukunft ihrer Stadt treffen und jemanden aus ihrer Mitte wählen.

Interview: Ulf Mallek


Unterstützt von:

Privatbrauerei Schwerter Meißen GmbH