Hannah Suppa, Chefredakteurin der Leipziger Volkszeitung, hat am 22. Mai 2025 auf dem Summit The Future of German Media in Hannover zehn durchdachte Thesen formuliert, die für eine gute Zukunft des Regionaljournalismus sorgen sollen. Sie spricht über Klarheit, Haltung und neue Formate für in Verlagen organsierte Redaktionen. Ein zentraler Punkt für die Zukunft des Regional- und Lokaljournalismus kommt allerdings nicht vor: Plattformjournalismus.
1. Wir können mehr als die KI und müssen das auch zeigen
Künstliche Intelligenz kann strukturierte Texte liefern, aber sie versteht keine Zwischentöne, stellt keine unbequemen Fragen und kennt keine lokalen Zusammenhänge. Das bleibt die Stärke der von Journalistinnen und Journalisten vor Ort.
2. Stop doing things - Mut zur Lücke
Jeden Tag kommen neue Tools, Themen und Aufgaben auf Redaktionen zu. Doch wer alles macht, verwässert seinen Kern. Hannah Suppa rät zum Mut, Dinge auch bewusst nicht zu tun.
3. Auf den Punkt - Smart First statt Bleiwüste
Was ist der Kern des Themas? Wenn er sich nicht prägnant erklären lässt, ist es vielleicht kein Thema. Klarheit, Reduktion und Relevanz sind die Schlagworte eines Journalismus, der die Lebenszeit von Leserinnen und Lesern respektiert.
4. Print loslassen. Jetzt aber wirklich
Noch immer werden viele Inhalte primär für Print gedacht – und danach „digitalisiert“. Dabei müsste es längst umgekehrt sein. Suppa plädiert für das Mary-Kondo-Prinzip: Loslassen, was keinen echten Wert mehr bringt. Die Zukunft ist digital. Print kann Ergänzung sein - aber nicht mehr der Taktgeber.
5. Weniger Empörungs-Spiralen und mehr Einordnung
Der Reflex, jede Aufregung aus Social Media aufzugreifen, hilft niemandem. Regionaljournalismus sollte kein Verstärker, sondern ein Filter sein: einordnen statt aufdrehen, hinterfragen statt nachplappern. Nicht jeder Patzer ist eine Krise. Erst prüfen, dann berichten und dabei die Verhältnismäßigkeit wahren.
6. Lerne deine Region kennen und kenne deine Region
Relevanz entsteht durch Nähe und Nähe braucht Wissen. Wer nur aus dem Newsroom agiert, verliert den Draht zu den Menschen. Wer jedoch zuhört, dazulernt und sich für lokale Zusammenhänge interessiert, bleibt glaubwürdig. Journalismus ist kein Einwegkommunikationsmittel. Er lebt vom Dialog mit Menschen.
7. Seid Expertinnen, auch im Lokalen
Tiefe statt Breite: Suppa fordert Spezialisierung auch im Regionalen. Statt Generalisten mit Halbwissen braucht es Reporterinnen und Reporter, die in ihren Themen wirklich sattelfest sind. Bei Madsack gibt es dafür Themenreporter, ein Modell mit Zukunft, das auch in kleineren Häusern Schule machen sollte.
8. Wir bieten eine Lösung an, nicht nur das Problem
Wer Missstände aufzeigt, muss auch Lösungswege andeuten können. Konstruktiver Journalismus heißt nicht Schönfärberei, sondern gemeinsam mit Expertinnen und Experten Ideen zu entwickeln. Wer nur auf die Krise starrt, verstellt den Blick auf Veränderung. Journalismus darf auch mal Impulse geben.
9. Mut zu anderen Formaten, strategisch und zielgruppengerecht
Podcasts, Newsletter und Liveformate. Diese Formate-Vielfalt ist kein Selbstzweck, sondern die Antwort auf die veränderte Nutzungsgewohnheiten der Zielgruppe. Wichtig ist, dass Formate zum Inhalt und zur Region passen müssen.
10. Raus zu den Leuten, präsent sein, zuhören
Journalismus beginnt draußen auf dem Marktplatz, im Verein, bei Veranstaltungen. Suppas Appell: Geht dahin, wo die Menschen sind. Sprecht mit ihnen. Hört zu. Nur wer echten Kontakt hat, kann auch echte Themen setzen. Redaktionen brauchen weniger Bildschirmzeit und mehr Gesprächszeit.
Doch was fehlt noch? Plattformjournalismus als Modell für die Zukunft
So klug und umfassend Suppas Thesen sind – ein entscheidender Punkt fehlt. Ein Gedanke, der nicht evolutionär, sondern fast schon revolutionär ist – ein journalistisches Ökosystems jenseits klassischer Verlage.
Portale wie DieSachsen.de zeigen bereits, wie Journalistinnen und Journalisten ohne Verlag im Rücken sichtbar, publizistisch wirksam und wirtschaftlich erfolgreich sein können. Sie bauen auf bestehende technische Infrastrukturen, nutzen zentrale Reichweiten und kombinieren Werbeeinnahmen mit Modellen wie Micro-Subscriptions.
Der Gedanke vom Plattformjournalismus entkoppelt journalistische Talente von unternehmerischer Komplexität in Verlagen. Er kann damit vielen eine neue Heimat geben, die diese durch wirtschaftliche Zwänge verloren haben.
Plattformjournalismus tritt allerdings nicht gegen die Verlage an. Es ist ein Modell, das nicht statt Verlagen funktioniert, sondern ergänzend, wenn wir über die Zukunft des Regionaljournalismus nachdenken.