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Kunst statt Zigaretten: Dresdner Ostrale an neuem Ort

dpa / Robert Michael
dpa / Robert Michael

Eine «Nike» aus Platinen und ein Blauwal auf der Leinwand: In einer alten Fabrik im Dresdner Osten sammelt sich Kunst aus aller Welt. In einem der Räume, in denen zu DDR-Zeiten Zigaretten gedreht wurden, liegen nun zwei raumgreifende Arbeiten des Künstlers Kaloki Nyamai aus Nairobi. Um sie aufzustellen, ist der Raum zu niedrig. «Als wir ihn eingeladen haben, planten wir für eine große Messehalle», sagt Andrea Hilger, Leiterin der Ostrale Biennale für zeitgenössische Kunst. Das mehrere Meter messende Werk müsse dann eben zum Teil auch auf dem Boden liegen.

Für den Künstler sei das kein Problem, sagt Syowia Kyambi, eine der Kuratorinnen des diesjährigen Kunstfestivals, das mit der Eröffnung des ersten sogenannten Satelliten am Dienstag (11. Juni) schon seinen Schatten vorauswirft. Nyamais Arbeiten müssten nicht immer an der Wand hängen. «Man kann das auch auf dem Boden ansehen.» Die Kenianerin mit deutscher Mutter ist eigentlich selbst Künstlerin. «Aber es gibt weder Kuratoren noch eine solche Ausbildung in Kenia», erzählt sie. Insgesamt 14 Künstler bringt sie nun an die Elbe.

Ein Ölgemälde an der Wand eines Bürotrakts scheint noch durch die Polsterfolie. «Anya Janssen malt sonst ganz andere Bilder, uns hat sie damit genau das passende Statement zu "WomanISM" geschickt», sagt Hilger zu dem Bild, das eine junge afrikanische Frau zeigt. «WomanISM» ist der Titel der von der Kulturstiftung des Bundes geförderten deutsch-afrikanischen Kooperation zwischen den Städten Dresden, Kampala (Uganda) und Nairobi (Kenia). Es umfasst Ausstellungen, Workshops, Künstlerresidenzen und Kooperationen.

Janssens Gemälde zeigt eine schwarze Schönheit in Minikleid, mit roten Boxhandschuhen und weißsilber glänzenden Beinen gleich einer Rüstung. Sie strahlt Kraft und Stärke aus, ein Symbolbild der Ostrale Biennale'19, die am 3. Juli offiziell beginnt und bis zum 1. September unter dem Leitgedanken «ismus» in der Historischen Tabakfabrik und fünf «Satelliten» im Stadtgebiet Werke von bis zu 130 Künstlern aus 35 Ländern versammelt.

«Die Büroräume werden ganz dunkel, ideal für Videoarbeiten», erklärt Hilger. Neben der Tür hängen noch die alten Schilder: Controlling & Admin. In der Ecke steht eines von drei Werken aus Beton. «Es ist ein haptisches Bild, das Blinde anfassen können.» Nach der Premiere 2017 präsentiert die Ostrale zum zweiten Mal diese spezielle Kunst.

Im Zentrallager hingegen, einem lichtdurchfluteten Saal, steht neben einer verwaisten Maschine die «Nike» - noch halb verpackt. Kopf und Flügel glitzern im Licht. Die Skulptur von Sebastian Hertrich ist aus Platinen, Computerschrott. Hilger spricht von einer Herausforderung, den Ort bespielbar zu machen. «Wir lassen hier vieles so stehen, wie wir es vorgefunden haben.» Dazu gesellen sich dann Tunnel aus Theaterwänden oder Hochbeete mit Erde vom Ostrale-Gelände Alter Schlachthof.

Das bisherige Ostrale-Domizil ist stark sanierungsbedürftig, doch dafür fehlt das Geld. Das maßgeblich aus der Privatwirtschaft und von Künstlern getragene Kunstfestival ist wegen Unterfinanzierung und Unklarheit über den künftigen Standort seit Jahren unsicher. Seit 2017 findet es als Biennale statt.

«Der Ort ist spannend», sagt Hilger und zeigt auf einen grün ausgemalten Raum. Dort hinein soll sich ein Kunstwerk fortsetzen. Ein Blauwal in Öl, der vier Meter Platz braucht. Insgesamt müssen 300 Werke - darunter auch Serien - aller Genres verteilt werden: Video-, Klang- und Lichtinstallationen, Fotografie, Malerei oder Skulptur. Hilger sprüht vor Energie, wenn sie durch die Räume geht und aufzählt, was noch in Kisten verborgen ist. Sie trauert dabei auch ein bisschen um ihr Messe-Konzept, das sich finanziell nicht stemmen ließ - und hofft auf 2021.

Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klesch (Linke) freut sich über die «künstlerische Intervention» im Osten der Stadt und die «Satelliten», das zeige Vielfältigkeit und Leistungsfähigkeit der Dresdner Kulturszene. Die Stadt unterstütze die Pläne für Dresden und die jeweiligen Kulturhauptstädte Europas - und zählt bei ihrer eigenen Bewerbung 2025 auf die Ostrale. Deren Zukunft ist jedoch unsicher, nach einem Flirt mit Chemnitz 2018 setzt auch Hilger wieder auf Dresden. «Wir haben noch keine Lösung, es gibt Gespräche und Hoffnung.»

Inhalt: dpa - Deutsche Presse-Agentur GmbH

Bilder: dpa / Robert Michael

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