Europa braucht Kontrolle über eigene Technologie
Europa braucht mehr als nur KI. Es braucht auch die Kontrolle über die eigene Technologie. Mit dieser Botschaft bringt sich der Branchenverband Silicon Saxony aktiv in die europäische Debatte um den Aufbau von AI-Gigafactories ein. Unterstützt durch die Sächsische Staatsregierung verfolgt der Verband das Ziel, „die gesamte europäische Wertschöpfungskette von Beginn an mitzudenken“ – beispielsweise im Umfeld des Konsortiums um die Schwarz-Gruppe in Heilbronn.
„Dabei geht es nicht um eine exklusive Ansiedlung in Sachsen, sondern um einen Beitrag zur Stärkung der europäischen Industriekompetenz insgesamt“, heißt es in der Stellungnahme. Silicon Saxony fordert, dass beim Aufbau von AI-Gigafactories konsequent auf „Komponenten, z. B. beim Chipdesign, und Technologien gesetzt wird, die bereits heute in Europa verfügbar und gefertigt werden können“.
Gleichzeitig bietet der Verband „der Bundesregierung ausdrücklich die Zusammenarbeit an, um Kompetenzen zu bündeln und die technologische Souveränität Europas konkret voranzubringen“.
Milliardeninvestitionen strategisch nutzen
Europa steht vor milliardenschweren Investitionen in KI-Infrastruktur – doch Silicon Saxony warnt: „Das Ziel besteht darin, sicherzustellen, dass die milliardenschweren Investitionen in den Aufbau einer europäischen KI-Infrastruktur nicht am europäischen Halbleiter- und Technologiestandort vorbeigehen.“
„Der AI Continent Action Plan stößt zunehmend auf Interesse. Es ist entscheidend, dass wir Vorhaben wie den EURO Stack, den EU Chips Act der nächsten Generation und die europäische KI-Strategie zusammen denken und politisch koordinieren”, erklärt Frank Bösenberg, Geschäftsführer von Silicon Saxony.
Und weiter: „Wer in Europa AI-Gigafactories plant, sollte auch konsequent auf Chipkomponenten setzen, die bereits heute im europäischen Binnenmarkt produziert werden. Andernfalls fließt nicht nur Wertschöpfung ab, sondern es entstehen auch neue strategische Abhängigkeiten. Bei durchschnittlichen Investitionssummen von drei bis vier Milliarden Euro pro Standort ist dies keine technische Randfrage, sondern eine industriepolitische Kernaufgabe.“
Abhängigkeit als Wettbewerbsrisiko
Die öffentliche Förderung großer Industrieprojekte sei in einem neuen Licht zu betrachten. So sei „die geplante Intel-Subventionierung in Magdeburg in Höhe von 9,9 Milliarden Euro mit Verweis auf die unklare Nachfrage in Europa hinterfragt“ worden – doch inzwischen steige der Bedarf an Hochleistungschips rapide.
„Es kann nicht sein, dass Europa zahlt und die Welt liefert“, sagt Bösenberg. „Es ist daher an der Zeit, Industriepolitik neu zu denken. Nicht als reines Förderinstrument, sondern als aktive Wertschöpfungspolitik im europäischen Interesse. Sachsen steht bereit, hierfür Verantwortung zu übernehmen.“
Silicon Saxony bleibt stabiler Wachstumstreiber
Trotz wirtschaftlicher Unsicherheit bleibt die sächsische Halbleiterbranche robust. Die Gesamtbeschäftigung im Mikroelektronik- und IKT-Sektor lag zum 30. September 2024 stabil bei rund 81.000 Beschäftigten. „Nach zwei Jahren mit überdurchschnittlichem Beschäftigungszuwachs zeigt sich die Branche nun wieder in einer linearen Entwicklung, vergleichbar mit dem langfristigen Trend der letzten 20 Jahre“, erklärt Prof. Dr. Frank Schönefeld, Vorsitzender des Präsidiums von Silicon Saxony. „Das ist keine Schwäche, sondern Ausdruck von Stabilität in einem schwierigen Umfeld.“
Die Prognose bleibt positiv: „Die Prognose von über 100.000 Beschäftigten bis zum Jahr 2030 bleibt bestehen. Sie wird getragen durch die anhaltend hohe Nachfrage nach Fachkräften in Produktion Entwicklung und Software“, so Schönefeld.
Silicon Saxony Day 2025 zeigt internationale Strahlkraft
Mit über 1.000 Teilnehmenden war der Silicon Saxony Day 2025 am Dresdner Flughafen das bislang größte Branchentreffen. Die Zahl der Gäste hat sich im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Neben Industrie, Wissenschaft und Politik waren elf internationale Wirtschaftsdelegationen vertreten, darunter NY Creates aus dem US-Bundesstaat New York.
„Der Ausbau im Dresdner Norden verläuft erfolgreich. Die Grundlagen für weiteres Wachstum sind geschaffen“, sagt Frank Bösenberg. Doch: „Mit Blick auf die für 2027 geplanten Produktionsaufnahmen beginnt jedoch eine neue Phase für die Region, eine Phase, in der strategische Entscheidungen auf europäischer Ebene zunehmend an Bedeutung gewinnen.“
„Die zahlreichen Investitionen mittelständischer Unternehmen entlang der Halbleiterwertschöpfungskette bestätigen die Attraktivität Sachsens als Standort“, so Bösenberg. „Wer Wertschöpfung sichern und Europas technologische Souveränität ausbauen will, muss diese Entwicklung frühzeitig mitdenken.“