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Die Liebe ist ein Stahlbad und der Chief der Jack Norris des Erzgebirges

von Rosa Hauch / 

Die Lesebühne Grubenhund zu Gast beim 13. Poetenpalaver in Glashütte.  Drei Dichter, drei Stile, vier Runden im vollbesetzten Saal der Bibliothek des Arthur-Fiebig-Hauses. Wer braucht schon Jack Norris. „Der Chief, der hält seine Elfmeter selbst.“

Der Chief ist eine Figur aus dem Erzgebirge. Der Chief ist eine Erfindung von Max Rademann, ebenfalls aus dem Erzgebirge. Zusammen mit den Oberlausitzern Michael Bittner und Udo Tiffert gastiert er als die Lesebühne Grubenhund regelmäßig im Görlitzer Camillo-Kino. Dort fand am Freitag die 55. Aufführung der Grubenhunde statt. In Glashütte war es Premiere und für das Poetenpalaver in doppelter Hinsicht. Palavert wurde zum 13.Mal und zum ersten Mal im Arthur-Fiebig-Haus.

Während die drei Dichter auf ihrer Stammbühne und mit Stammpublikum sehr darauf achten, was sie lesen, damit sie sich nicht unbeabsichtigt wiederholen, waren für das Glashütter Publikum alle Texte neu.

„Ein Blick auf die Kosenamen, die sich Pärchen so vergeben, verrät viel über uns“, liest Michael. „Wer seinen Partner Schatz nennt, will ihn wahrscheinlich für immer an einem geheimen Ort vergraben.“

Michael Bittner wurde in Görlitz geboren. Seine Kindheit verbrachte er in Diehsa, in der Oberlausitz. Er studierte Germanistik und Philosophie an der TU Dresden. Heute lebt Michael als freier Autor in Berlin und bespielt und beliest regelmäßig sowohl die Baaliner Literaturbühnen als auch die Sächsischen. Saxroyal, Livelyriks, Poetryslam sind seine Stichworte. In feinster Federführung beschreibt er Rummelplatzbesuche, Spielsucht an Losbuden oder auch Erlebnisse im letzten Zug von Görlitz nach Dresden.

Bei jedem Auftritt werfen sich die Grubenhunde thematisch die Bälle zu und ergänzen sich zur Freude des Zwerchfells. Max wechselt dabei auch gerne ins Arzgebirgsche. Fei nett für seine Fans. „Im Schatten des Chiefs zu stehen ist viel besser als in der Sonne zu liegen.“ Außerdem beschreibt er, was Vati so in diesem Internet erlebt und auf keinen Fall der Muddi erzählen wird, wie er sich als Kind in Kostümen fühlte, die seine Omi genäht hatte und wie angenehm es sich im Erzgebirgszug fährt, statt mit dem Magen und der Neigetechnik der ICEs zu kämpfen.

Max Rademann wurde in Schlema geboren. Später verschlug ihn das Leben nach Dresden. Der arme, er hat damals wirklich gedacht, dass Dresden eine Großstadt wäre. Seit er auch New York und Mumbai gesehen hat, zweifelt er doch arg, ob das so ist. Max kann nicht nur Schreiben, sondern auch Musizieren und Zeichnen. Seine Comic-Helden Peschi und Poschi sprechen perfekt Arzgebirgsch und finden alles fei nett, besonders Weihnachten, wenn alles steht. Wie das Ostern ist, wenn alles im Nest liegt, wäre vielleicht auch interessant, ist aber nicht überliefert.

Udo Tiffert ist in diesem Ensemble der mit dem ganz leisen und garstigen Humor. Er liest von Feten, Feiern und anderen traurigen Dingen, davon, was wir im Osten mit Ausländern zu tun hatten, warum das Mammut lachte und vom Geld. „Handballer verdienen weniger. Klar. Sie nehmen den Ball ja auch in die Hand.“

Auf jeden Fall nimmt der Oberlausitzer kein Blatt vor den Mund. Er hat die unterschiedlichsten Dinge gemacht als Langstreckenläufer oder Handwerker. Doch seit der Jahrtausendwende macht Udo Tiffert das, was uns am besten gefällt, er schreibt und liest seine Texte auf den Lesebühnen, schreibt Bücher, bringt uns zum Lachen und Nachdenken. Zaun zum Aufstützen ist eines seiner Bücher mit Geschichten aus der Lausitz. Immer wieder tauchen auch Wölfe in seinen Texten auf. Das ist naheliegend. „Die Liebe in den Zeiten des Abschieds vom Geld“ hingegen ist sein Soloprogramm mit unerwarteten Wendungen.

Am Welttag des Improvisationstheaters, am 12.März, gab’s in der Bibliothek zu Glashütte wahrscheinlich auch eine glückliche Wendung für das Palaver. Begonnen hatte das Poetenpalaver 2009 im Gasthof Niederfrauendorf als Initiative der ehemaligen Dresden Fernsehen Stylistin Regina Kühl. Außer den Freunden und Bekannten der ausgewählten Autoren fanden sich damals nur ganze elf interessierte Gäste im Saal des Gasthofes ein, der eigentlich 120 Leuten Platz bietet. Doch warum soll Kunst nur in Großstädten stattfinden?
Als das Interview von Regina in der Regionalzeitung erschien, indem sie ankündigte, aufgeben zu wollen, bekam sie kurze Zeit später einen Anruf vom Glashütter Bürgermeister. Markus Dressler unterstützt seitdem das Palaver, schaut jedoch auch kritisch auf die Besucherzahlen.

Doch rund 40 begeisterte Zuschauer werden sicher weitererzählen, was sie erlebt haben. Auch die Bibliotheksleiterin Bianca Braun ist begeistert. „Das habe ich nicht erwartet, so professionell. Es war eine wunderbare Veranstaltung. Natürlich dürfen Sie gern wiederkommen. Ich freu mich schon.“ 

Im Herbst wird die Runde fortgesetzt. Mehr Informationen auf www.poetenpalaver.de und auf den Seiten der Künstler in diesem Internet.