Herr Jurisch, warum wollen Sie Oberbürgermeister von Meißen werden?
Um etwas zu verändern und das Oberbürgermeisteramt bürgernäher zu gestalten.
Wären Sie auch angetreten, wenn der jetzige OB weitergemacht hätte?
Das glaube ich nicht. Ganz sicher zu über 90 Prozent nicht.
Warum nicht?
Weil ich finde, dass der Oberbürgermeister Olaf Raschke eine sehr gute Arbeit gemacht hat. Bevor er kam, stand Meißen vor der Zwangsverwaltung. Ja, wer viel macht, der macht natürlich auch Fehler. Aber im Großen und Ganzen hat er unsere Stadt dort hingebracht, wo sie jetzt steht: finanziell solide auf festem Grund.
Sie treten für die AfD an, sind aber nicht Parteimitglied. Könnte es damit zusammenhängen, dass es in der AfD einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit ehemaligen NPD-Mtgliedern gibt?
Das könnte nicht so sein, das ist so. Allerdings ist das 25 Jahre her, also vor meinem halben Leben.Wir haben alle mal Fehler gemacht. Und der, der frei ist von Schuld, der werfe den ersten Stein. Damit ist alles zu dem Thema gesagt.
Was fanden Sie denn damals so attraktiv an der NPD? Da waren Sie so Mitte/Ende 20.
Ich habe mich halt geirrt in jungen Jahren und konnte nach kurzer Zeit mit dem sozialistischen Profil und mit der feindlichen Haltung zu Israel nichts anfangen.
Wie sehen Sie heute Israel, da es Krieg führt?
Als Oberbürgermeister von Meißen wird es meine Aufgabe sein, dafür zu sorgen, dass es Meißen und seinen Bürgern gut geht. Meine private Meinung zu diesem Thema ist, dass Krieg immer die schlechteste Lösung ist. Frieden ist oberstes Gebot! Ich stehe aber auf der Seite Israels. An der Stelle ein kleines Zitat: Wenn die Palästinenser ihre Waffen niederlegen würden, wäre Frieden. Wenn die Israelis ihre Waffen niederlegen, gäbe es kein Israel mehr.
Stimmt es, dass Sie damals hinter Mirko Schmidt stellvertretender NPD-Kreisvorsitzender waren?
Nein. Das stimmt nicht.
Gut, Sie waren also ein normales Mitglied, haben aber diesen Verein zur Pflege germanischem Brauchtums namens Schwarze Sonne gegründet, für den sich auch der Verfassunsschutz interessierte. Weshalb haben Sie das getan?
Ich interessiere ich mich seit meinem 15. Lebensjahr für Germanistik, für germanische Mythologie, für Runenkunde, für verschiedene vergessene Feste, wie das Sonnenwendfeuer, wie das Ostara-Fest etc. Dort wollten wir das leben. Genauso hat es meines Wissens nach der Verfassungsschutz auch gesehen, dass uns nichts nachzuweisen ist, nichts Verfassungsfeindliches. Der Verein war sogar gemeinnützig. Es ging uns um Brauchtum und dessen Pflege.
Die schwarze Sonne hat sich dann wegen schwindender Mitgliederzahl 2006 aufgelöst?
Meines Wissens nach 2004. Ich will es jetzt aber nicht beschwören.
Und Ihr NPD-Austritt war eher schon?
Der war eher schon. Der war im Jahr 2000 oder 2001.
Und Sie haben Ihren Austritt, können Sie das bitte wiederholen, auch begründet mit sozialistischen Tendenzen in der NPD?
Tatsächlich gab es in der NPD politische Bestrebungen in Richtung eines nationalen Sozialismus, auch im Grundprogramm. Mich als Unternehmer stören die sozialistischen Tendenzen und mich stört die Haltung zum Staat Israel. Das ist mit mir nicht vereinbar. Ich als Unternehmer sehe eher die soziale Marktwirtschaft als Basis für unser gemeinsames Zusammenleben und als die richtige Wirtschaftsform. Sozialismus funktioniert einfach nicht und wir brauchen kein weiteres sozialistisches Experiment auf deutschem Boden.
Noch ein Thema: Südstaatenfahne. Sie gilt ja in den USA vergleichbar mit einer Hakenkreuzfahne oder zumindest einer kaiserlichen Reichskriegsflagge bei uns. Sie haben damit rumgeschwenkt?
Ich bin über den Schützenverein auch Kanonier und das nun mal bei der Armee der Südstaatenleuten. Für mich hat die Südstaatenfahne in diesem Kontext keine politische Wertung. Ich persönlich nehme an historischen Turnieren teil, schieße mit Waffen aus dieser Zeit, recht erfolgreich sogar. Deswegen ist es unglaubwürdig, wenn man zum historischen Turnier geht und mit Jogginghose antritt.
Jetzt kommen wir wieder zur OB-Wahl. Sie stehen jetzt einem starken, vereinten Gegner gegenüber. Markus Renner hat ein Bündnis geschmiedet aus vielen Mitgliedern des Stadtrates und vielen politischen Strömungen.
Das wird sich zeigen, wie stark es ist.
Aber es ist ein Bündnis, das gegen Sie steht. Wie sehen Sie Ihre Chancen?
Ich sehe meine Chancen weiterhin als gut. Der Herr Renner ist natürlich ein starker Gegner. Ich würde noch nicht mal von Gegnern sprechen, ich spreche von Mitbewerbern, denn wir müssen im Stadtrat miteinander arbeiten. Auch mit meinem anderer Mitbewerber, Martin Bahrmann von der FDP, den ich sehr schätze. Wir arbeiten im Kreistag und im Stadtrat sehr fruchtbar zusammen. Ich persönlich lehne solche Bündnisse ab. Wenn Feuer mit Wasser regieren muss, dann kommt nichts dabei raus. Wenn die vereinten Kräfte nur gegen etwas sind, dann haben sie keine Zukunft. Natürlich können Vögel und Fisch heiraten, aber wo wollen sie wohnen?
Kann es sein, dass der Wahlkampf im Moment noch so sehr mit Samthandschuhen durchgeführt wird oder haben Sie so eine Art Stillhalteabkommen geschlossen?
Schlammschlachten bringen gar nichts. Das sollten wir aus dem unglücklichen OB-Wahlkampf von 2018 gelernt haben. Wir müssen und wollen auch weiterhin als Kreisrat, Stadtrat, in der Verwaltung, in der Stadt miteinander arbeiten. Es bringt nichts, wenn Feindschaften entstehen. Und ja, wir drei OB-Kandidaten, Markus Renner, Martin Bahrmann und ich, haben uns auf einen fairen Wahlkampf geeinigt und so soll es auch bleiben.
Haben Sie sich da getroffen und darüber gesprochen?
Wir haben darüber gesprochen und uns die Hand gegeben auf einen fairen Wahlkampf. Und so sehe ich das auch im Interesse unserer Bürger. Schlammschlachten oder irgendwas, was politisch derartig motiviert ist, das gehört sich nicht und das stößt Wähler nur ab. Wir wollen nicht gegeneinander sein, wir wollen miteinander dasselbe, aber natürlich aus verschiedenen Richtungen.
Haben Sie jetzt ein neues Problem im Wahlkampf? Ein AfD-Stadtrat, Oliver Eggert, ist aus der Stadtratsfraktion ausgetreten, weil es bei Ihnen einen autoritären Führungsstil gebe. Nehmen Sie diese Kritik an?
Die AfD ist Volkspartei mit vielen Charakteren. Wenn jemand mit etwas unzufrieden ist, geht er halt. Das ist in der Wirtschaft so und eben auch bei allen Parteien. Persönlich bedauere ich diesen Schritt. Einen autoritären Führungsstil innerhalb der Fraktion können die anderen Fraktionsmitglieder und ich selbst nicht bestätigen. Es ist ein gutes und erfolgreiches Team.
Indirekt wurde Ihnen auch vorgeworfen, Ihnen fehle Erfahrung in der Verwaltungsarbeit?
Ich führe und verwalte seit vielen Jahren erfolgreich ein Unternehmen. Zudem arbeiten im Rathaus viele erfahrene Mitarbeiter, auf deren Rat ich bauen kann. Ich schaffe das.
Was möchten Sie als OB in Meißen verändern?
Was wir dringend angehen müssen, ist Vandalismus, Sachbeschädigung in der Stadt. Das Sicherheitsgefühl der Bürger ist nicht sehr hoch. Zudem müssen wir verschiedene verwaltungstechnische Sachen angehen wie das Thema Bürgerbüro. Ist es noch am richtigen Ort? Ich habe da eine recht kühne Idee, die ich in den nächsten Tagen noch vorstellen werde. Das Stichwort dazu heißt Hamburger Hof. Das ist aber alles eine Frage des Investors, da der Hamburger Hof niemals der Stadt Meißen gehört hat, zu keiner Zeit seit der Wende. Was noch ganz wichtig ist, ist die Unterstützung der Vereine. Damit meine ich bewusst Sportvereine, damit meine ich bewusst verschiedene soziale Vereine. Ich meine keine Vereine, die sich treffen, um besonders bunt zu sein, Veranstaltungen machen, um mal ein Gesicht in die Kamera zu halten.
Zum Thema Integration. Integration sehe ich so, dass die Kinder, auch migrantische Kinder, zum Beispiel bei Fortschritt Meißen-West, unsere Triebischtaler Mannschaft, 70 Euro im Jahresbeitrag bezahlen. Sie lernen dort von Anfang an, miteinander umzugehen, Fairplay. Sie lernen, auf gut Deutsch gesagt, wie es hier bei uns in der Heimatstadt oder im Land läuft. Und das ist für mich eine ganz, ganz hohe Integrationsarbeit.
Was möchten Sie beim Thema Senioren erreichen?
Ganz wichtig ist, die bestehenden Seniorenangebote seitens der Diakonie, seitens der Seniorenvertretung, dringend aufrechtzuerhalten werden, um Alterseinsamkeit vorzubeugen. Mein Vater ist seit kurzem bei diesen Veranstaltungen dabei, es hat ihm sehr gut gefallen. Es wird sehr, sehr viel geboten in Meißen und das ist eben eine ganz wunderbare Sache.
Wichtig ist für Meißen ist, für die Zukunft, dass wir junge Familien zu uns holen. Wir haben das Glück in Meißen, dass wir noch nicht zum Speckviertel von Dresden gehören, wie Radebeul oder Weinböhla, wo mittlerweile die Grundstückspreise die 300 Euro pro Quadratmeter überschritten haben. Bei uns ist es noch moderat. Außerdem gibt es die Möglichkeit, Land zu erwerben, zumindest gibt es den Gedanken, nicht als Kauf, sondern zunächst als Erbbaupacht. Dadurch wird natürlich Kapital frei. Die Erbbaupacht müsste natürlich mit einem Vorkaufsrecht versehen sein. Wenn man an einem Ort mit seiner Familie die Möglichkeit hat, Grundbesitz zu erwerben und ein Haus baut oder kauft, dann wird man wahrscheinlich im nächsten halben Jahr nicht wegziehen. Wir haben das Glück, dass wir - auch durch OB Olaf Raschke - Kindergärten bauen, statt sie zuzumachen.
Ich möchte als Oberbürgermeister ein Angestellter der Bürger sein. Und der Stadtrat muss nicht alles gut finden, was die Verwaltung macht. Ganz im Gegenteil, er ist das Kontrollorgan für die Verwaltung.
Wie denken Sie, geht die Wahl aus?
Wir werden gewinnen, weil ich politisch unverbraucht bin, aus der Praxis komme und die Leute die Nase voll von gebrochenen Wahl-Versprechen der Altparteien haben. Meißen zuerst, dann kommt ersteinmal eine ganze Weile nichts.
Interview: Ulf Mallek
Interviews mit den beiden anderen OB-Kandifdaten von Meißen, Martin Bahrmann und Markus Renner, werden folgen.
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