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Blick in die Bronzezeit: Und dann kommen die Bagger

Große Nägel begrenzen im Quadrat die Grabungsstelle unter einem Zelt. Zahlen und Buchstaben liegen wie ein Raster auf der Erde. Mitten im festgetretenen Heideboden in unterschiedlichen Brauntönen fallen die schwarz-grauen Schichten besonders auf. Thomas Linsener beugt sich herunter. «Leichenbrand», sagt der Grabungstechniker im Tagebau Nochten. «Man erkennt sogar noch die Knochen.» Er zeigt auf ein Gewirr, das an verbranntes Holz erinnert. Ein winziges Stück Bronzemetall mittendrin kennzeichnet die Nummer 1669. Die Relikte auf dem Bestattungsplatz führen zurück in die Zeit vor mehr als 3000 Jahren.

Sieben einstige Grabhügel und knapp 100 Erdgräber aus der Zeit zwischen 1400 und 1000 vor Christus wurden in dem Tagebau freigelegt. Und das ist nur ein Teil des Fundes. Archäologen haben in der Braunkohlegrube nahe Trebendorf (Kreis Görlitz) erstmals in Sachsen eine vollständige bronzezeitliche Siedlungslandschaft entdeckt.

Neben dem Gräberfeld stießen sie auf Reste einer Wohnsiedlung und eines Wirtschaftsareals. «Mit 43 Meter Länge und 5 bis 6 Meter Breite ist darunter das größte bisher bekannte bronzezeitliche Haus im östlichen Sachsen», sagt Wolfgang Ender, Referatsleiter beim Landesamt für Archäologie, am Sonnabend bei der Präsentation der Fundstätte.

Angetrieben werden die Grabungstechniker vom Rhythmus des Tagebaus. Nur 25 Meter entfernt von ihrem jetzigen Einsatzort befindet sich die Tagebaukante unter einer dichten Schneedecke. Der sogenannte Vorschnittbagger hat sich schon auf eine bedrohliche Nähe herangefressen. «Wir sind mit den Archäologen in einem stetigen Austausch, so dass wir uns in unserer Arbeit gegenseitig nicht behindern und die Untersuchungen rechtzeitig abgeschlossen sind», sagt Thomas Penk, Rekultivierungsleiter bei der Lausitz Energie Bergbau AG. Die Flächen waren zuvor bewaldet und wurden forstwirtschaftlich genutzt.

Die Spezialisten vom sächsischen Landesamt für Archäologie beginnen jeweils nach der Beräumung durch den Munitionsdienst und dem Stubbenroden ihre Suche nach alten Siedlungsspuren im Tagebau. «Dabei setzen wir auch alte Karten und 3-D-Luftaufnahmen ein», sagt Geologin Andrea Renno. Besonders heften die Spezialisten aber  ihren Blick auf den Boden, um zum Beispiel nach ungewöhnlichen Steinanordnungen Ausschau zu halten. Auf dem nun untersuchten Areal wurden Leichenbrand und Keramikreste zu Tage gefördert, als die alten Baumwurzeln gezogen wurden. Die archäologischen Funde liegen nicht einmal einen Meter tief in der Erde.

«Der Bagger hat nur die oberste Erdschicht abgetragen. Dabei sind wir schon auf einen Steinkreis gestoßen, der auf die Reste eines Hügelgrabs hinweist», sagt Ender. Stück für Stück hätten so bislang sieben Grabhügel mit einem Durchmesser von acht bis zwölf Metern in Nachbarschaft zu den einfachen Erdgräbern rekonstruiert werden können. Typisch für die sogenannte Lausitzer Kultur sei, dass die Toten auf einem Scheiterhaufen verbrannt wurden. «Die Knochenreste kamen dann in eine Urne. Unten befinden sich die Fuß- und oben die Schädelknochen», erklärt der 57-Jährige das Bestattungsrital.

Die Bezeichnung «Lausitzer Kultur» geht auf den Mediziner Rudolf Virchow zurück. Sie ist datiert zwischen 1400 und 500 vor Christus auf dem Gebiet zwischen Elbe, Saale und Weichsel. Typisch sind dafür die sogenannten Buckelgefäße. Sie entstanden nicht auf der Töpferscheibe. « Gebrannt wurden sie in einem Meiler», sagt Ender. Wegen der Veränderungen bei den Gefäßformen in den Gräbern im Tagebau Nochten geht er davon aus, dass mindestens 300 Jahre lang dort Menschen siedelten, ihre Felder bestellten und ihre Toten bestatteten. Bei einzelnen Toten wurden zudem Ausrüstungs- und Schmuckgegenstände gefunden, darunter ein Sichelfragment und eine bronzene Pfeilspitze. Es könnte sein, dass der Bestattete durch sie den Tod fand.

Zwischen 30 bis 40 Grabungshelfer sichern und dokumentieren seit Herbst vergangenen Jahres die bronzezeitliche Siedlungslandschaft. In wenigen Wochen soll das Projekt abgeschlossen sein. Dann schaufelt sich der Braunkohlebagger in die Erde. «Natürlich verschwindet durch den Tagebau eine Denkmallandschaft. Aber durch ihn ist sie auch erst erschienen. Von dieser Siedlung wussten wir nichts», sagt Ender.

Die Funde und die dazugehörige Dokumentation kommen nun in ein Depot im Landesamt für spätere Forschungen. Indes haben die Archäologen schon den nächsten künftigen Grubenbereich im Blick. Pro Jahr schreitet der Tagebau 400 Meter voran. Bereits seit den 1990er Jahren sichert das sächsische Landesamt für Archäologie mit finanzieller Unterstützung der Bergbautreiber den archäologischen Denkmalbestand in den Tagebauen Nochten und Reichwalde.

Inhalt: dpa - Deutsche Presse-Agentur GmbH

Bilder: dpa / Oliver Killig