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Petras inszeniert Roman «Umkämpfte Zone»

Armin Petras sitzt bei einem Pressegespräch. Foto: Marijan Murat/dpa/Archivbild
Armin Petras sitzt bei einem Pressegespräch. Foto: Marijan Murat/dpa/Archivbild

Wie tief kann sich Verdrängung von Geschichte in Familien eingraben, welcher politische Mythos wird noch heute aufrecht erhalten und wie verabschiedet man sich von etwas Geliebtem, wenn es notwendig wird? Diese Fragen bearbeitet Regisseur Armin Petras in seinem Stück «Umkämpfte Zone» nach dem gleichnamigen Roman von Ines Geipel, das an diesem Samstag am Staatstheater Cottbus uraufgeführt wird.

Petras greift den Stoff der Autorin auf, die in ihrem Buch von einer belasteten Familie erzählt. Der Großvater hat eine NS-Karriere als SS-Mann in Riga gemacht, der Vater war bei der Staatssicherheit, der Bruder - schwer krank - liegt im Sterben. Geipel untersucht im Roman die eigene Familiengeschichte, um sie gleichzeitig mit ostdeutscher Gesellschaftsgeschichte zu verbinden. «Es ist Familiengeschichte über mehrere Generationen mit der Frage: Was treibt da aus der Tiefe eigentlich nach oben», sagt Geipel.

Mit Petras' Inszenierung in Cottbus eröffnet das Theater die Spielzeit des Schauspiels, was der Regisseur mutig findet. Er weiß, dass das Stück Zeitgeschichte eine Menge Zündstoff bietet, denn Petras geht der von Geipel aufgeworfenen Frage nach, was Menschen passiert, wenn sie nicht nur eine, sondern zwei Diktaturen in Folge erleben. «Mir war von vornherein klar, dass das auch eine große Diskussion beim Machen und wahrscheinlich auch beim Zuschauen mit sich bringen wird, und das finde ich erstmal sehr, sehr sinnvoll, um überhaupt an ein Projekt ranzugehen», sagt der Regisseur über die Romanbearbeitung.

Das Buch sorgt 30 Jahre nach der Deutschen Einheit nach wie vor für Diskussionsstoff, aber auch für neue Leser - das Werk ist bereits in zehnter Auflage erschienen. Geipel schreibt darüber, dass seriöse Vergangenheitsbewältigung in dem «Angstsystem» DDR nicht stattfinden konnte und analysiert, was die breite Zustimmung zu Pegida, AfD und Rechtsextremismus im Osten ihrer Einschätzung nach möglich gemacht hat. «Es gab Alltag, in jeder Diktatur gab es Alltag, die Frage ist doch aber: "Was ist einem System im Extrem möglich gewesen. Ansonsten kommen wir ja zu einem falschen Endbild», beschreibt die Autorin ihre Sichtweise.

Petras hat das Buch vor etwa anderthalb Jahren in die Hände gedrückt bekommen, wie er erzählt. «Das war sofort ein Material, was mich verwirrt hat». Es sei gar nicht seine Meinung gewesen, was da als Analyse drin gestanden habe, beschreibt der Regisseur seine damalige Reaktion. Er habe die DDR ja auch erlebt. Petras, Jahrgang 1964, ließ das Thema nicht mehr los und im Dezember 2019 begann er mit den Proben.

Durch die Corona-Pandemie blieb dem Ensemble knapp ein Jahr Zeit, um sich mit dem Stoff auseinanderzusetzen. «Ich mochte und mag, wie Petras mit Material umgeht, deshalb gab es da großes Vertrauen. Ich musste nicht im Detail wissen, was er tut», sagt Geipel zur Bearbeitung des Stücks nach ihrer Romanvorlage.

So wandert Petras mit seiner Inszenierung auf dem schmalen Grat zwischen großem Ernst, erstaunlicher Leichtigkeit und unterhaltsamer Dokumentation und gibt dem Thema damit seine eigene Handschrift. Dabei rückt er die Verantwortung des Einzelnen in den Vordergrund und macht die Dilemmas sichtbar, mit denen Diktaturen Menschen konfrontieren. In der Inszenierung wirken 32 Cottbuser in einem «BürgerSprechChor» mit.

Das Bruder-Schwester-Verhältnis der Geschichte rückt Petras in den Mittelpunkt des Stückes. Geipel nimmt die Geschwister als Symbol für zwei unterschiedliche Überlebensmodelle in der DDR. Das bevorstehende Sterben des Bruders verarbeitet sie als Bild der «Notwendigkeit, jemanden loszulassen, den man auf gar keinen Fall loslassen wollte». Petras berührt die Familiengeschichte und die Sterbebegleitung der Schwester besonders, nochmal Dinge aufzuarbeiten, um sich leichter voneinander verabschieden zu können.

«Ich glaube, dass mir immer klarer geworden ist, dass mein Verhältnis zu meiner eigenen Vergangenheit (...), nach wie vor - ob wohl ich es viele Jahre trainiert habe - immer noch ein falsches ist», so der Regisseur, der als Kind mit seinen Eltern aus der Bundesrepublik in die DDR kam und bereits an zahlreichen Theatern in Ost- und Westdeutschland gearbeitet hat. Die Beschäftigung mit dem Stück sei eine Form der Behandlung seiner Probleme gewesen, Vergangenheit nicht mehr abzulehnen sondern als Teil seiner Selbst zu sehen. «Ich kann sagen, das war eine Behandlung und die hält an».

Inhalt: dpa - Deutsche Presse-Agentur GmbH

Bilder: Armin Petras sitzt bei einem Pressegespräch. Foto: Marijan Murat/dpa/Archivbild