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Wenige ruhige Minuten, viel Stolz: Ein Tag im Leben eines Fellows

Schon bald geht für unsere neuen Fellows die Schule los – aber wie sieht ein typischer Tag als Fellow eigentlich aus? Caroline nimmt uns ein

Schon bald geht für unsere neuen Fellows die Schule los – aber wie sieht ein typischer Tag als Fellow eigentlich aus? Caroline nimmt uns einen Tag mit und erklärt, warum sie ihren Schülerinnen und Schülern Hammer und Klobürste in die Hand drückt!
Der Wecker klingelt wie immer viel zu früh. Wer hat sich eigentlich ausgedacht, dass die Schule so früh anfangen muss? Das ist nicht nur für Schülerinnen und Schüler, sondern auch für Lehrerinnen und Lehrer wirklich anstrengend. Doch lange im Bett liegen bleibe ich nicht. Sofort fällt mir ein welche Schülerinnen und Schüler heute besondere Aufmerksamkeit brauchen. Ich muss noch Ivan wegen der Koch-AG ansprechen, mit Amid die Bewerbung für das START-Stipendium fertig machen und mit den Achtern den Schulausflug besprechen. Auf dem Schulweg finde ich Zeit meiner Mutter eine WhatsApp-Nachricht zu schreiben, während ich Tee aus meinem Thermo-Becher schlürfe. Nach und nach steigen immer mehr Schülerinnen und Schüler in die Tram ein. Manche begrüßen mich mehr, manche weniger fröhlich.
Im Lehrerzimmer angekommen, muss ich schnell noch ein paar Arbeitsblätter kopieren, Flipcharts und Soundboxen einpacken, um pünktlich zu Unterrichtsbeginn im Klassenzimmer zu sein. Die Stunde beginnt mit einer Abfrage. Ich will wissen wie es den Schülerinnen und Schülern geht, ob sie gut geschlafen und vor allem schon etwas gegessen und getrunken haben. (Die Antworten klingen in etwa so: „Es geht so lala“, „wenig bis schlecht geschlafen“, meist „nichts gegessen und getrunken.“) Das wird von mir mit einem erneuten Aufruf zu mehr Schlaf und Frühstück quittiert, aber ändern kann ich es in diesem Moment auch nicht, deshalb geht es nun los. Heute sind lineare Funktionen dran. Nach einem kurzen Input (YouTube-Video und Erklärung am Flip-Chart) beginnen die Schülerinnen und Schüler damit paarweise ein Arbeitsblatt auszufüllen. Ich bin zur Stelle, falls ein Team nicht weiterkommt. Am Ende des Blocks gehen wir noch für eine halbe Stunde in den Computerraum, um dort mit dem Mathe-Programm bettermarks zu üben. Hier hat jeder seine eigenen To Do’s und kann je nach Leistungsstand individuell üben und Wissenslücken auffüllen – ein großer Lernerfolg für die Schülerinnen und Schüler (digital, selbstständig, individuell, Spaß) und eine kleine Ruhepause für mich (zurücklehnen und den Computer bei der Arbeit beobachten).
Nach der Stunde laufe ich auf der Suche nach verschiedenen Schülerinnen und Schülern über den Schulhof, verhindere zwei Ausflüge auf das Nachbargelände zum Raucherpäuschen und werde in kleinere Gespräche verwickelt. „Frau Saint Ange, was kochen wir morgen?“ „Hast Du schon die Abrechnung für den Ausflug fertig?“ Erste große Erkenntnis aus dem Lehreralltag: Pausen sind keine Pausen.
Im anschließenden Freiblock habe ich Zeit, Emails zu beantworten, mein Müsli im Lehrerzimmer zu essen und ein neues Flip-Chart zu malen. Außerdem gehe ich kurz beim Schulleiter vorbei, um ihm eine neue Projektidee zu unterbreiten. (Hier hilft vor allem gelassene Hartnäckigkeit.) Im dritten Block habe ich meine Lieblingsgruppe: Zehn Achtklässlerinnen und Achtklässler, die so froh sind, endlich ruhigen Matheunterricht außerhalb ihrer regulären Klasse zu haben, dass sie ALLES mitmachen. Wir starten mit unserer täglichen Übung zum Grundwissen und klassischer Entspannungsmusik. Danach wiederholen die Schülerinnen und Schüler in Kleingruppen den Stoff der letzten Stunden. Währenddessen schreibe ich Aufgaben auf die Rückseiten der beiden Tafelhälften. Nun kommt ihr Lieblings-Part: Ein Board Race. Das ist so etwas wie ein Staffellauf mit Matheaufgaben. Welche Gruppe zuerst alle Aufgaben gelöst hat, ruft „Stop!“und erhält drei Punkte. Danach wird kontrolliert, wobei jede richtig gelöste Aufgabe einen Punkt ergibt. Die Gewinnergruppe darf sich dann die Musik für die Stillarbeitsphase aussuchen. Nun gebe ich kontrollierte Aufgabenblätter zurück und erkläre das neue Thema. Die Schülerinnen und Schüler schreiben fleißig mit und freuen sich über die meist sehr positiven Rückmeldungen auf ihren Arbeitsblättern. In der anschließenden Stillarbeitsphase arbeitet diese Gruppe so konzentriert, dass mein Herz vor Stolz überläuft. Das größte Geschenk ist es, sie einzeln zu beobachten und zu sehen, wie sie sich Schritt für Schritt weiterentwickeln. Am Ende der Stunde machen wir einen Stuhlkreis mit einer Runde „Hammer und Klo“. Dabei lasse ich einen echten Hammer und eine echte Klobürste herumgehen. Die Schülerinnen und Schüler erzählen anhand der Gegenstände, was heute Hammer war und was man auch im Klo runterspülen könnte. Kurz vor dem Läuten lasse ich einen Aufräum-Song laufen (meistens Top 10 Deutschland Hits). Die Jugendlichen stellen Stühle hoch, fegen den Raum und verlassen ihn anschließend mit einem High Five von mir.
Nun setze ich mich etwas geschafft an meinen Schreibtisch im Lehrerzimmer und atme tief durch. Gefühlt hatte ich bis jetzt keine ruhige Minute und so genieße ich den anschließenden Heimweg, auf dem ich meist nur Musik höre. Zuhause angekommen, liebe ich es mir etwas Gutes zu kochen um herunterzukommen. Das hat erstens den Vorteil, dass man Geld spart (Spoiler-Alert: Als Fellow wird man nicht reich), zweitens ist es entspannend und drittens hat man etwas Gutes zu essen. Nichts, ich sage wirklich nichts, macht so hungrig wie Schule. Der späte Nachmittag gehört der Vorbereitung neuer Stunden. Die Einkaufsliste für die Koch-AG muss noch geschrieben werden und eine Umfrage von Teach First Deutschland sowie einige Emails wollen auch noch beantwortet werden. Um 18 Uhr beginnt meine selbstverordnete arbeitsfreie Zeit. Denn auch das lernt man sehr schnell: So ein Tag als Fellow muss aktiv beendet werden, sonst geht er bis spät in die Nacht und das ist nicht nachhaltig. Schon nach wenigen Wochen stellt man fest, dass ausreichende Entspannung, Sport, Schlaf und Zeit für Freunde genauso wichtig sind wie der Einsatz in der Schule. Denn nur ein glücklicher Fellow ist ein guter Fellow!