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Warum Teach First Deutschland?

Die Sommerakademie 2018 beginnt – und damit eine aufbrausende, anstrengende, großartige Zeit für alle Fellows des neuen Jahrgangs. Was erwar

Die Sommerakademie 2018 beginnt – und damit eine aufbrausende, anstrengende, großartige Zeit für alle Fellows des neuen Jahrgangs. Was erwartet sie in der Akademie, wie wird der Einsatz als Fellow? Am besten kann das natürlich eine Alumna selbst beschreiben. Magdalena erzählt uns von den verschiedenen Stationen dieser zwei spannenden Jahre – ein Bericht über prägende Erfahrungen, Herausforderungen, Chancen und, allem voran, der Begeisterung für Veränderung im Bildungssystem.

Das Suchen. Mein Diplom fast in der Tasche überlege ich nun, wie und wo ich mich beruflich und gesellschaftlich nach dem Studium einbringen kann und möchte. Dabei gibt es für mich viele Fragezeichen – aber auch einige Ausrufezeichen. Zum Beispiel weiß ich, dass ich (erst einmal) „irgendwie praktisch“ arbeiten will. Außerdem weiß ich, dass ich (erst einmal) nicht unmittelbar im Bereich meines Studienfachs tätig werden möchte – was bei katholischer Theologie quasi alles und nichts übrig lässt. Da mich aber schon seit Schulzeiten die Themen Jugendarbeit, soziale Gerechtigkeit, Entwicklung und Partizipation beschäftigen, spüre ich immer mehr den Wunsch, mit Jugendlichen zusammenzuarbeiten. Aber bis zum Diplom sind ja noch drei Monate Zeit… Also erst mal abwarten.
Die Idee. Bei der Recherche zu meiner Diplomarbeit stolpere ich in einem Magazin für ehemalige internationale Freiwillige über eine Werbung von Teach First Deutschland. Zwei Jahre gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern an einer Schule in herausforderndem Umfeld arbeiten. Klingt anstrengend. Klingt herausfordernd. Klingt nach Spaß. Klingt nach dem, was ich gesucht habe. Ohne dass ich ganz klar wusste, dass ich genau das gesucht habe. Mir fällt ein, dass eine Freundin einmal von dem Programm gesprochen hat, weil sie jemanden kennt, der sich dafür engagiert. Also rufe ich sie an und löchere sie mit Fragen: Bringt das wirklich etwas für die Schülerinnen und Schüler? Werde ich ausreichend vorbereitet? Wie ist das mit der Begleitung? Was bringt mir das später? Sie beantwortet mir alle Fragen so gut sie kann und ich entschließe mich schließlich zur Bewerbung. Ich kann es ja mal probieren…
Die Bewerbung. Ich werde zum Auswahlgespräch eingeladen. Dazwischen habe ich noch einen Skype-Call mit einem aktiven Fellow, den ich nochmal zu seinem Einsatz ausquetsche. Er erzählt auch von den Schwierigkeiten im Alltag, dem Stress, den Hindernissen und Herausforderungen. Insgesamt ist er aber begeistert von seiner Arbeit mit den Kindern. Ich bin vor allem beeindruckt von den Erfolgsgeschichten einzelner Schülerinnen und Schüler. Jetzt will ich den Job unbedingt machen und stecke viel Energie in die Vorbereitung des Auswahlgesprächs. Mich motivieren vermutlich eine gehörige Portion Idealismus, Optimismus und sicher auch der Kitzel der Herausforderung. Ich will Teil davon sein, unser Bildungssystem wenigstens ein bisschen mitzugestalten und zu verändern.
Der Anruf. Es hat geklappt. Ich werde Fellow. Yeah! Und: Oh oh…! Die Motivation für den letzten Teil meiner Diplom-Prüfung steigt. Bald wird es ernst.
Die Sommerakademie. Nach dem Online-Campus und einem sehr intensiven einwöchigen Schulpraktikum in Frankfurt am Main startet die Sommerakademie. Circa sechzig Fellows, alle mit einer ähnlichen Vision, alle super motiviert. Die Atmosphäre ist unglaublich. Wir arbeiten hart, haben aber auch viel Spaß und die Vorfreude auf den Schuleinsatz – endlich mit den Kids zusammen arbeiten zu können – steigt enorm. Aber auch die Nervosität. Was, wenn ich es nicht packe? Was, wenn die Schülerinnen und Schüler mich nicht akzeptieren? Mein Einsatzort ist inzwischen klar: Ich komme nach Hamburg, an eine Grund- und Stadtteilschule und werde eine dritte Klasse bis zu ihrem Übergang auf die weiterführende Schule sowie eine Willkommensklasse, Jahrgang 7/8 bis zu ihrem Wechsel in die Regelklasse begleiten.
Das erste Schuljahr. Mein erster Schultag. Ich bin sehr aufgeregt. Jetzt geht es los. Ich lerne meine neuen Kolleginnen und Kollegen in der Schule kennen. Ich bin die erste Fellow hier. Viele neugierige Fragen, eine gute Atmosphäre – alle nehmen mich herzlich auf, auch wenn ich ja eine ganz neue und noch relativ undefinierte Funktion habe. Das Verhältnis zu den Kolleginnen und Kollegen ist von Anfang an herzlich, wertschätzend und respektvoll. Natürlich kommt es, wie immer bei der Arbeit, auch ab und an zu Konflikten, doch das gute und offene Verhältnis mit dem Kollegium wird sich für mich über die zwei Jahre halten. In den ersten zwei Wochen laufe ich erst einmal mit, hospitiere, schaue, wo Bedarf ist, lerne die Kids und die Kolleginnen und Kollegen besser kennen und finde langsam meine Nischen. Ich übernehme zwei Nachmittagskurse, um im Rahmen eines Filmprojektes mit einigen Grundschul-Kids die Nachbarschaft kennenzulernen. Ich bin in Mathe, Deutsch und Sachkunde sowie in Englisch und Kunst im Teamteaching eingesetzt; gestalte eigenverantwortlich den Ethik- und Religionsunterricht. In der Willkommensklasse übernehme ich den Teilungsunterricht Deutsch. Wir entwickeln gemeinsam mit dem Klassenlehrer ein Lese-Computer-Spiel über den Alltag in einer Willkommensklasse. Außerdem organisiere ich mit einer Kollegin den Spendenlauf für das Schulschwimmbad, kümmere mich um Sponsoren und entwickle die Projektwoche zum Thema Bewegung und Ernährung in einem Team von vier Kolleginnen. Das erste Schuljahr ist voller Action, ich lerne jeden Tag dazu, bin meistens begeistert und sehr häufig richtig kaputt. Es gibt so viel zu tun!
Der Frust. Doch ist die Motivations- und Begeisterungskurve im ersten Schuljahr bei mir nicht durchgängig hoch. Nachdem das erste Halbjahr geschafft ist, bin ich es auch. Frust macht sich breit. Ich habe einen Schüler in der Grundschulklasse, der psychisch so starke Probleme hat, dass er sich selbst häufig nicht unter Kontrolle hat. Er gefährdet sich und seine Mitschülerinnen und Mitschüler, wenn er seine Momente hat, schlägt beispielsweise um sich und wirft Stühle. Auch in der Willkommensklasse gibt es kleinere und größere Streitereien. Generell klappt es mit dem Klassen-Management mal besser, mal schlechter. Es gibt Tage, da bin ich einfach so platt, dass ich um neun Uhr abends ins Bett falle. Die Geschichten, die die Kids manchmal von zu Hause erzählen, frustrieren mich und machen mich wütend. Gleichzeitig macht mich auch manchmal das Verhalten einiger Kids wütend, manchmal das einiger Kolleginnen und Kollegen – und häufig mein eigenes. Zudem die Geschichten von der Flucht, die ich immer wieder in der Willkommensklasse zu hören bekomme. Wie sollen alle diese Dinge in der Schule aufgefangen werden können? Warum ist der Betreuungsschlüssel in der Schule und vor allem in der Ganztagsbetreuung so gering? Warum haben die Kids so wenig Selbstvertrauen? Warum besteht die Hofaufsicht oft nur aus Reagieren, Schlichten, Einschreiten? Und warum gelingt mir das Klassenmanagement immer noch nicht so, wie ich es gerne hätte? Hinschmeißen will ich nicht. Aber eine Pause wäre schon ganz nett. Immerhin sind Weihnachtsferien.
Die Begleitung. Meine Trainerin hospitiert mich mehrmals im Schuljahr im Unterricht. Gerade in der schwierigeren Zeit im Winter steht sie mir mit hilfreichen Tipps, Motivation und ihrem offenen Ohr zur Seite. Auch der Austausch auf den regelmäßigen und intensiven Fortbildungen und Seminaren, bei Gruppentreffen mit anderen Fellows und Trainerinnen und Trainern, ist unglaublich hilfreich. Ich sehe, dass es anderen ähnlich wie mir geht, aber dass sie Wege finden, Herausforderungen anzugehen. Das motiviert mich. Ich bekomme Hilfestellung, an welchen Schrauben im Unterricht ich drehen kann, setze die Tipps um – und sie funktionieren (meistens…)! Ich merke selbst, wie ich mich verändere, wie mein Style im Unterricht und den Nachmittagskursen sich verändert. Sehe, dass die Kids immer häufiger meine Ansprache und Unterstützung, auch gerade außerhalb des Unterrichts, suchen. Mit dem Grundschüler, der schnell die Kontrolle verliert, haben wir einen Vertrag vereinbart. Wir sprechen jede Woche über seine Fortschritte. Er bekommt weitere Unterstützung, auch außerhalb der Schule. Seine Ausraster werden seltener. Er nimmt das Angebot an, kommt besser mit seinen Klassenkameradinnen und Klassenkameraden zurecht und findet sogar neue Freunde.
Das neue Schuljahr. Die Sommerferien sind rum. Auf ein Neues! Das zweite Jahr soll angeblich doppelt so schnell vorbeigehen wie das erste. Und die größten News: An unsere Schule kommt ein zweiter Fellow! Ich freue mich riesig. Er steigt nicht im Grundschulbereich, sondern in den Willkommensklassen ein. Die ersten zwei Wochen bin ich mit den Vierten zusammen auf Klassenfahrt auf Sylt. So habe ich die Kids noch nie erlebt. Es kommt fast nie zu Streit, sie sind ausgelassen, entspannt und auch das Wetter ist umwerfend. Die Kinder ohne den Druck des Alltags von zu Hause und in der Schule zu erleben, und zu sehen, wie gut es ihnen geht, stimmt mich fröhlich. Aber auch nachdenklich. Wieso ist der Unterschied so groß? Zurück in Hamburg bin ich weiterhin intensiv in „meiner“ Vierten eingesetzt, zusätzlich zur Willkommensklasse komme ich nun noch in die neu eröffnete Alphabetisierungsklasse. Es ist 2015. Die politischen Ereignisse des Jahres sind auch in der Schule deutlich zu spüren. Insgesamt 4 Willkommens- bzw. Alphabetisierungsklassen gibt es in unserer Schule nun. Im letzten Jahr waren es zwei. Die Klassen sind alle überfüllt. Neue Kolleginnen kommen dazu und es gibt wieder viel mitzugestalten. Wie sollen wir Fellows aufgeteilt werden? Welche Projekte können wir übernehmen? Die Fragen nach Integration, interkulturellen Kompetenzen im Kollegium und unter den Schülerinnen und Schülern werden größer. Die Situation in den Willkommensklassen ist definitiv herausfordernd. Es gibt zwei größere Fälle von Gewalt, einmal in einem Streit ausgetragen, einmal richtet ein Schüler Gewalt gegen sich selbst. Ich führe viele Gespräche mit den Jugendlichen, mit dem anderen Fellow, den Klassenlehrerinnen und Klassenlehrern und der neuen Schulsozialarbeiterin, die extra für die Willkommensklassen eingestellt wurde. Die Atmosphäre unter den Jugendlichen, die Findungsphase im Alltag auch mit dem neuen Kollegium, wird immer besser. Die Jugendlichen und ich arbeiten in einer Art Zukunftswerkstatt an ihren Plänen für die Regelklasse und ihren beruflichen Zielen. Die Arbeit mit den Jugendlichen in diesen beiden Klassen macht mir besonders viel Freude, fordert mich aber auch in besonderer Weise heraus. Ich bin stärker im Unterricht, aber auch nach wie vor im Nachmittag eingesetzt. Wir organisieren ein schulübergreifendes Musikprojekt, eine Projektwoche, eine Partnerschaft mit dem benachbarten Gymnasium, gestalten den Pausenraum neu und kaufen einen neuen Billardtisch, organisieren eine Streich-Aktion mit Barclay-Card, entwickeln das Computer-Spiel des ersten Schuljahres weiter. Das Schuljahr rast dahin – und ich kann nicht glauben, dass es schon bald vorbei sein soll.
Der Abschied. Das zweite Schuljahr vergeht gefühlt wirklich doppelt so schnell. Ich freue mich darüber, den Erfolg der Schülerinnen und Schüler, sowohl in der Grundschule als auch in den Willkommensklassen zu sehen. Persönlich wie schulisch haben sie viel geschafft. Alle meine „Kleinen“ kommen nun in die Fünfte, in die weiterführende Schule. Alle Jugendlichen aus der Willkommensklasse, die schon ein Jahr da sind, wechseln in eine Regelklasse in verschiedenen Schulen. Und auch aus der Alphabetisierungsklasse haben es im Verlaufe des Schuljahres bereits viele in die Willkommensklasse geschafft und machen große Fortschritte im Deutschen. All das erfüllt mich mit Freude. Und irgendwie auch mit Stolz auf die Schülerinnen und Schüler. Obwohl sie alle, klein wie groß, ihre eigenen Geschichten mitbringen und es definitiv schwerer als ich in ihrem Alter haben, gehen sie ihre eigenen Wege und haben über die zwei Jahre in der Willkommensklasse große Entwicklungsschritte gemacht. Ein bisschen froh bin ich schon, dass auch ich es geschafft habe. Aber ich bin auch traurig, dass es vorbei ist. Mit den vierten Klassen veranstalten wir ein großes Abschiedsfest in der Turnhalle mit Eltern, Familien, Lehrerinnen und Lehrern und der Schulleitung. Anschließend daran übernachtet „meine“ Vierte in der Turnhalle. Ein letztes Mal kommt Klassenfahrt-Feeling auf. Die meisten meiner Schülerinnen und Schüler verlassen gemeinsam mit mir die Schule. Das macht den Abschied leichter. Einige Tränen fließen dennoch. Auf beiden Seiten. Auch im Kollegium werde ich herzlich verabschiedet. Auch hier fließen ein paar Tränen. Ich bin froh, dass mein Fellow-Kollege noch ein Jahr hier bleiben wird!
Das Danach. Das abrupte Ende und der unfassbar schnelle Wechsel in den neuen Job (Mittwoch letzter Schultag, Umzug nach Berlin, Montag erster Arbeitstag) haben es in sich. Mir bleibt kaum Zeit das Erlebte zu reflektieren. Es geht ja direkt weiter. Neue Kolleginnen und Kollegen, neue Aufgaben, ein komplett neuer Kontext. Erst mit der Zeit merke ich, was da eigentlich los war in den letzten zwei Jahren. Ich bin froh, dass nach ein paar Wochen der Alumni-Auftakt mit den meisten meiner Fellow-Freunde stattfindet. Teach First-Feeling. Party. Abschluss. Und Anfang der Alumni-Zeit. Es ist sehr emotional. Und sehr schön! Der Abschluss tut gut. Über das Alumni-Netzwerk bleibe ich in Kontakt, helfe ein bisschen bei der Vorbereitung des ersten großen, von Alumni organisierten Alumni-Summit mit. Ich bin von der Atmosphäre weiterhin begeistert, nehme am von Teach First Deutschland unterstützten Leadership-Seminar von „The Arc“ teil und stelle fest: Auch wenn mir mein derzeitiger Job Spaß macht – irgendetwas fehlt mir. Dieser Gedanke treibt mich unterbewusst schon länger um. Und nach 1,5 Jahren entschließe ich mich, mich bei Teach First Deutschland im Team zu bewerben und bin nun (quasi irgendwie wieder) hier – und arbeite in einem Pilotprojekt zur Demokratieförderung wieder direkt mit Schülerinnen und Schülern zusammen. Ich bereue den Schritt null – und bin (es ist nicht nur ein Slogan) begeistert für Bildung! Danke Teach First Deustchland!