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Das Umwelt-Grundrecht zugunsten kommender Generationen

Das Europäische Parlament in Brüssel, Foto von Otfrid Weiss 2016
Das Europäische Parlament in Brüssel, Foto von Otfrid Weiss 2016

In Europa gibt es seit April 2024 das Menschenrecht auf eine menschenwürdige Zukunft jetzt lebender und künftiger Generationen. In Deutschland gilt schon seit 2021 das Umwelt-Grundrecht, genauer das Grundrecht auf die menschenwürdige Zukunft und das ökologische Existenzminimum kommender Generationen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in einem wegweisenden Urteil die Schweiz wegen mangelnden Klimaschutzes verurteilt. Die Richterinnen und Richter des EGMR gaben am 9. April 2024 einer Gruppe Schweizer Seniorinnen recht, die ihrer Regierung vorwerfen, nicht genug gegen den Klimawandel zu tun. – Quelle: https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/klimaklagen-schweizer-seniorinnen-erhalten-vor-europaeischem-gerichtshof-fuer-menschenrechte-recht-a-7ad6800c-82e9-4195-8376-29df12209627

Zum ersten Mal haben damit Klimaschützerinnen mit einer Klage für schärfere Maßnahmen gegen den Klimawandel vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Erfolg gehabt. Die Schweiz habe die Menschenrechte der Klägerinnen verletzt, so die Richter. Die Behörden hätten nicht rechtzeitig gehandelt und seien den Klimawandel und seine Folgen nicht angemessen angegangen. Insbesondere hätten sie eine klare Angabe machen müssen, welche Menge an CO2 noch ausgestoßen werden darf. (…) Gegen das Urteil ist keine Berufung möglich. (…) Das Urteil an sich bindet erst einmal nur die Schweiz, hat aber große Signalwirkung. Denn: Der EGMR mit Sitz im französischen Straßburg gehört zum Europarat und ist für die Einhaltung der Menschenrechtskonvention zuständig. Zum Europarat zählen die EU-Staaten, aber auch andere große Länder wie die Türkei oder Großbritannien. Das Urteil könnte nun also ein Präzedenzfall für weitere Klimaklagen nicht nur vor dem EGMR, sondern vor unzähligen nationalen Gerichten werden. – Quelle: https://www.tagesschau.de/ausland/europa/klimaklagen-schweiz-100.html

Vor dem EGMR sind mittlerweile sechs weitere Klagen anhängig, eine davon auch aus Deutschland. Nach Angaben des UN-Umweltprogramms UNEP gibt es weltweit inzwischen über zweitausend Klagen wegen klimaschädlichen Verhaltens vor allem vor nationalen Gerichten, die meisten davon in den USA. Staaten werden von ihren Bürgern verklagt, so etwa von Inselbewohnern im Pazifik. Außerdem mehren sich die Klagen gegen einzelne Unternehmen. Ein peruanischer Bauer geht etwa gerichtlich gegen den deutschen Energiekonzern RWE vor. Der Schweizer Zementhersteller Holcim wird von Bewohnern der indonesischen Insel Pulau Pari vor Gericht beschuldigt, mit seinen Emissionen das Leben in Indonesien zu beeinträchtigen. – Quelle: https://www.dw.com/de/europ%C3%A4isches-gericht-klimaschutz-ist-menschenrecht/a-68777520

Das Bundesverfassungsgericht hat schon 2021 entschieden, daß die Regelungen des deutschen Klimaschutzgesetzes insofern mit Grundrechten unvereinbar waren, als hinreichende Maßgaben für die weitere Emissionsreduktion ab dem Jahr 2031 fehlten. Es hat ein Grundrecht auf menschenwürdige Zukunft und auf das ökologische Existenzminimum kommender Generationen konstatiert, das sich aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20a GG und aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG ableitet. – Quelle: BVerfG, Beschluss vom 24. März 2021 - 1 BvR 2656/18, 1 BvR 288/20, 1 BvR 96/20, 1 BvR 78/20, zitiert nach der Pressemitteilung Nr. 31/2021 des BVerfG vom 29. April 2021 - Quelle: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/bvg21-031.html

Nach diesem Grundrecht auf menschenwürdige Zukunft und auf das ökologische Existenzminimum kommender Generationen durfte laut BVerfG nicht einer Generation zugestanden werden, unter vergleichsweise milder Reduktionslast große Teile des CO2-Budgets zu verbrauchen, wenn damit zugleich den nachfolgenden Generationen eine radikale Reduktionslast überlassen und deren Leben umfassenden Freiheitseinbußen ausgesetzt wurde. Verfassungsrechtlich unerläßlich sei dafür zum einen, daß weitere Reduktionsmaßgaben rechtzeitig über das Jahr 2030 hinaus und zugleich hinreichend weit in die Zukunft hinein festgelegt würden. Zum anderen müßten weitere Jahresemissionsmengen und Reduktionsmaßgaben so differenziert festgelegt werden, daß eine hinreichend konkrete Orientierung entstünde. – Quelle: ebenda

Die Bundesregierung mußte das Klimaschutzgesetz binnen zwei Jahren in diesem Sinne nachbessern. In der Bundestagswahl 2021 änderten sich die Mehrheits-verhältnisse erheblich. Statt einer Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD stellten SPD, Grüne und FDP in einer sog. Ampelkoalition die neue Bundesregierung. Diese legte 2023 einen Gesetzentwurf zur Änderung des Klimaschutzgesetzes im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vor, die der Bundestag beschloß.

Aber nicht nur europäische Menschenrechte und deutsches Verfassungsrecht, sondern auch christliche Grundsätze gebieten es, kommenden Generationen eine menschenwürdige Zukunft und das ökologische Existenzminimum zu sichern. Das betrifft nicht nur den Klimaschutz, sondern den Umweltschutz generell.

Die Christlich-Demokratische Union (CDU) trägt das „C“ im Parteinamen und erhebt den Anspruch, christlich-demokratische Politik auf der Grundlage des christlichen Menschenbilds zum Ziel zu haben, den Menschen als Ebenbild Gottes zu sehen. Das bedeutet: Die christliche Nächstenliebe gebietet es Christen, in jedem Menschen ihren Nächsten zu sehen sowie die Schöpfung zu bewahren, unseren Planeten unseren Kindern und Enkelkindern in gutem Zustand zu hinterlassen und keinen Raubbau an den natürlichen Ressourcen zu betreiben.

Ich bin 1970 in Hannover in die CDU eingetreten. Im Bundestagswahlkampf 1972 machte mein CDU-Bundestagsabgeordneter und CDU-Kreisvorsitzender Rudolf Werner Wahlkampf gegen Luftverschmutzung. Der CDU-Bundestagsabgeordnete im Wahlkreis Hannover-Land, Herbert Gruhl, war umweltpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, schrieb 1975 den Bestseller „Ein Planet wird geplündert – Die Schreckensbilanz unserer Politik“. Beide traten für die Bewahrung der Schöpfung ein. – Vgl. dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Herbert_Gruhl

Umweltschutz war damals noch nicht im allgemeinen Bewußtsein. Mißstände wie die zunehmende Luftverschmutzung in Industriegebieten und Ballungsräumen kamen erst langsam ins Bewußtsein einer breiteren Öffentlichkeit. 1972 stellten Dennis und Donella Meadows ihre Studie „Die Grenzen des Wachstums“ für den Club of Rome vor. Nicht die Natur sei eine Gefahr für den Menschen, sondern umgekehrt. Die zweite Studie des „Club of Rome“ von Mihailo Mesarovic und Eduard Pestel – 1973 unter dem Titel „Menschheit am Wendepunkt“ erschienen – lieferte genauere Berechnungen für die in zehn Regionen eingeteilte Erde. Ihr Ziel war es herauszufinden, wie man vom wirtschaftlichen Wachstum zu einem „dynamischen Gleichgewicht“ gelänge. Dafür wurde dem Club of Rome 1973 der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen. In seiner Dankesrede sagte Eduard Pestel u.a.: „Das dynamische Gleichgewicht, da geht es in erster Linie darum, dass man die Nachhaltigkeit mit einbezieht. Weil die Wirtschaftssysteme im Grunde ja nicht wirklich im Gleichgewicht sind, obwohl sie das ja von der Ökonomie her behaupten, dass man sagt: Angebot und Nachfrage ist im Gleichgewicht. Hier geht es aber darum, dass man die Nachhaltigkeit, den Umweltschutz mit einbezieht, dass man dieses dynamische Gleichgewicht entwickelt. Dieser nachhaltige Pfad heißt eben, dass man die Umweltschäden und alle Klimaschäden mit einpreist in das Wirtschaftssystem. Dass man sich genau anschaut, welche stabilen Gleichgewichte tatsächlich auftreten können, wenn man es schafft, die Nachhaltigkeit in das System mit einzubeziehen.“ - Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/appelle-des-20-jahrhunderts-3-die-grenzen-des-wachstums-1972.724.de.html?dram:article_id=418360

1976 berief der niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) Eduard Pestel zum Wissenschaftsminister. Nachhaltigkeit wurde zumindest symbolisch zur CDU-Politik in Niedersachsen. Doch leider nicht auf Bundesebene. Nach der Bundestagswahl 1976, bei der Herbert Gruhl in seinem Wahlkreis Hannover-Land überdurchschnittlich viele Stimmen für die CDU hinzugewinnen konnte, entzog die Partei ihm die Aufgaben des Sprechers für Umweltfragen in Fraktion und Partei. 1978 wurden die Grünen gegründet. Herbert Gruhl wurde einer ihrer Mitbegründer, trat mit einem Offenen Brief an Helmut Kohl unter Protest aus der CDU aus. - Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Herbert_Gruhl

1976 gab es noch keine Grünen. Ohne Not haben CDU und CSU die Themen Bewahrung der Schöpfung, Grenzen des Wachstums sowie Klima- und Umweltschutz aufgegeben und sogar deren Propheten aus der Union hinausgeekelt, statt die Umweltschutz-Meinungsführerschaft zu übernehmen.

Bereits Ludwig Erhard warnte vor einem Wirtschaften, das auf Kosten unserer zivilisatorischen Substanz geht: „Was wir aber außerdem brauchen, ist ein neuer Stil unseres Lebens. Die wachsende Produktion allein hat keinen Sinn. Lassen wir uns von ihr völlig in Bann schlagen, geraten wir in solcher Jagd nach materiellen Werten in den bekannten Tanz um das Goldene Kalb.“ – Quelle: Erhard, Ludwig zitiert aus: Biedenkopf, Kurt, Wir haben die Wahl, Berlin 2011, Seite 105

Kurt Biedenkopf hat in den 80er Jahren Thesen zu einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft weiterentwickelt, leider ohne Resonanz im CDU-Parteiprogramm. Er hat – aufbauend auf Erhard – herausgestellt, dass in Deutschland der Bund durch die Verankerung des bloßen quantitativen Wirtschaftswachstums als „eigenständiges politisches Ziel“ diesen zivilisatorischen Tanz sogar zur Staatssache gemacht hat: „Diese Entscheidung der ersten Großen Koalition war eine der folgenreichsten politischen Fehlentscheidungen der deutschen Wirtschaftspolitik nach dem zweiten Weltkrieg.“ Denn zukünftiges Mengenwachstum wurde damals unkritisch und selbstbindend gesetzgeberisch postuliert und diente zur Rechtfertigung einer folgenschweren Verschuldung in Deutschland, die die deutsche Schuldenquote in die Nähe von 80 Prozent führte. Auf dieser Grundlage hat Deutschland seit 1970 über seine Verhältnisse gelebt; Biedenkopf: „Die exponentielle Vermehrung staatlicher Zuständigkeiten führt zum Ruf nach exponentiellem Wirtschaftswachstum. ... Mit diesem Wachstum ... konnte das Wachstum der Wirtschaft nicht Schritt halten.“ – Quelle: Biedenkopf, Kurt, Wir haben die Wahl, ebenda, Seite 118 und Seite 123; beide Absätze zitiert nach der Sekundär-Quelle https://aktionskreis-energie.de/wp-content/uploads/Prof.Dr_.Fl%C3%A4mig-Positionspapier-zur-Einf%C3%BChrung-einer-%C3%B6kologisch-sozialen-Marktwirtschaft.pdf

Bei der Bundestagswahl 1983 kamen die Grünen auf Anhieb in den Bundestag. In den Bundesländern wurden erste Umweltministerien gegründet, nicht als klassische Linien-Ressorts, sondern als Querschnitt-Ressorts, die quer über alle Linien-Zuständigkeiten der anderen Fachministerien zuständig für Umweltschutz wurden. In Niedersachsen wurde Werner Remmers (CDU) 1986 Umweltminister, nachdem die CDU-Alleinregierung unter Ernst Albrecht in der Landtagswahl 1986 drei Wochen nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl ihre absolute Mehrheit verloren hatte und die Grünen auch in den niedersächsischen Landtag einrückten.

Helmut Kohl erkannte die Zeichen der Zeit und gründete nach der Bundestagswahl 1987 ein Umweltministerium des Bundes. Klaus Töpfer (CDU) war Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, bevor er von 1987 bis 1994 erster Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit in der Regierung von Helmut Kohl (CDU) wurde. Aber an der CDU-Atompolitik änderte das nichts.

Als 1998 Gerhard Schröder (SPD) in einer Koalition mit den Grünen Bundeskanzler wurde, kam der Atomausstieg auf die Tagesordnung und wurde ein schrittweiser Ausstieg Deutschlands aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie beschlossen.

Als 2005 Angela Merkel (CDU) in einer Großen Koalition mit der SPD Bundeskanzlerin wurde, blieb es beim beschlossenen Ausstieg aus der Atomenergie.

Als Angela Merkel 2009 in einer Koalition aus CDU/CSU und FDP erneut Bundeskanzlerin wurde, kam es zum Ausstieg aus dem Ausstieg aus der Kernenergie. Union und FDP wollten an der Kernenergie als „Brückentechnologie“ festhalten.

Nach dem Reaktorunglück von Fukushima 2011 gab Angela Merkel (CDU) dann jedoch ziemlich kurzentschlossen bekannt, wegen der "unfassbaren Katastrophe" in Japan "werden wir die erst kürzlich beschlossene Verlängerung der Laufzeiten der deutschen Kernkraftwerke aussetzen". In der Folge verkündete sie die Energiewende weg von Atomkraft hin zu erneuerbaren Energien. Ebenfalls unter ihrer Kanzlerschaft wurde 2019 das Bundes-Klimaschutzgesetz verkündet.

Auf Landesebene habe ich 1984 bis 1986 in Niedersachsen die Debatten über das atomare Zwischenlager in Gorleben und das atomare Endlager im Schacht Konrad (Schacht Asse 1) als CDU-Fraktionsassistent im niedersächsischen Landtag hautnah miterlebt und auch später weiter verfolgt. Damals habe ich miterlebt, wie der Landtag von der CDU-Regierung dahingehend belogen wurde, daß die Fässer mit dem atomaren Müll im Endlager über Jahrhunderte sicher sein sollten. Später dümpelten dann genau diese Fässer haltlos im Brackwasser. Jetzt sollen solche Fässer im Schacht Asse 2 eingelagert werden. Siehe dazu https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/lueneburg_heide_unterelbe/Gorleben-Ab-2024-werden-Schaechte-mit-Salz-gefuellt,gorleben2194.html und https://www.ndr.de/geschichte/schauplaetze/Schacht-Konrad-Der-ewige-Streit-um-ein-atomares-Endlager,schachtkonrad372.html

Auf Landesebene habe ich 1984 ebenfalls miterlebt, wie der damalige Vorsitzende der CDU-Fraktion im niedersächsischen Landtag, Werner Remmers, vergeblich versucht hat, seine mit absoluter Mehrheit regierende Fraktion davon zu überzeugen, daß die Ausbringung von Gülle aus der Massentierhaltung in den Landkreisen Cloppenburg und Vechta begrenzt werden müsse. Die Belastung der Böden und des Grundwassers mit Nitraten, Phosphaten und Stickstoff war damals bereits viel zu hoch. Eine 1984 ausgestrahlte Reportage von Radio Bremen über das Südoldenburger Land ist vielen Bürgern heute noch präsent: Der mit einem Grimmepreis ausgezeichnete Film „Und ewig stinken die Felder“ hat der Region seinen Stempel als Gülle-Zentrum Deutschlands aufgedrückt. – Quelle: ttps://www.kreiszeitung.de/lokales/niedersachsen/vechta-cloppenburg-grimmepreis-reportage-und-ewig-stinken-felder-oldenburger-region-4676582.html  und YouTube-Video https://youtu.be/Hf0VIyvzNKY?si=7uZ_tL3Tau61M0kZ

Doch auch 2012 bestanden diese Mißstände fort: (ZITAT) Durch die Massentierhaltung fällt in Niedersachsen nach Einschätzung der Grünen mehr Gülle an als bislang angenommen. Allein in den Landkreisen Cloppenburg und Vechta fielen etwa 3,3 Millionen Tonnen Gülle mehr an als bekannt. Die Agrarstatistik des Landwirtschaftsministeriums weise mehr als 14 Millionen Hühner und 800.000 Schweine weniger aus als die Listen der Tierseuchenkasse, sagte Grünen-Fraktionsvize Christian Meyer am Freitag in Hannover. Die Grünen gingen davon aus, dass viele Felder häufig „doppelt und dreifach“ gedüngt würden, sagte Meyer. (ZITAT ENDE) – Quelle: Nord-West-Zeitung (NWZ) online am 16.03.2012 um 01:02 Uhr https://www.nwzonline.de/wirtschaft/cloppenburg-vechta-gruene-guellemassen-belasten-cloppenburg-und-vechta_a_1,0,520243979.html

Diese Exzesse der industriell-intensiven Massentierhaltung sind nur Symptome, sind nur die Spitze des Eisbergs. In Cloppenburg und Vechta zeigen sich diese Probleme nur besonders deutlich. Im Vergleich dazu sehe ich die Nitratbelastung im Ökolandbau aufgrund organischer Düngung oder Düngung durch Leguminosenanbau als weniger problematisch an. Natürlich bleibt es auch in der Bio-Landwirtschaft beim Methanausstoß von Kühen. Allerdings kann Ökolandbau erst recht nicht eine immer weiter wachsende Weltbevölkerung ernähren. Mit anderen Worten: Die Massentierhaltung als solche ist das Problem, muß reduziert werden, auch wegen des Methanausstoßes von Tieren.

Damit komme ich zu kritischen, ja revolutionären Anmerkungen zu unserem Fleischkonsum und zur sinnlosen Verschwendung und Vernichtung von Lebensmitteln:

- Rund ein Drittel der Nahrung wird weltweit weggeworfen. (…) Fast 11 Millionen Tonnen Lebensmittel werden in Deutschland jährlich als Abfall entsorgt, davon entfallen etwa 6,5 Millionen Tonnen auf die Privathaushalte. – Quelle: https://www.umweltbundesamt.de/umwelttipps-fuer-den-alltag/essen-trinken/lebensmittelverschwendung-vermeiden#was-sie-gegen-lebensmittelverschwendung-tun-konnen

• Deutschland hat sich dem Ziel der Vereinten Nationen verpflichtet, die Lebensmittelverschwendung bis zum Jahr 2030 zu halbieren.

• Um einen großen Teil der Lebensmittelabfälle zu reduzieren, müssen alle Akteure der Lebensmittelversorgungskette miteingebunden werden.

• Mit Zu gut für die Tonne! setzt sich das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) dafür ein, Verbraucher sowie Verantwortliche entlang der gesamten Lebensmittelversorgungskette für einen nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln zu sensibilisieren und deren Verschwendung zu reduzieren.

Quelle: https://www.bzfe.de/nachhaltiger-konsum/lagern-kochen-essen-teilen/lebensmittelverschwendung

- Die im Februar 2019 vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) vorgelegte Nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittel-verschwendung hat das Ziel, Lebensmittelabfälle entlang der gesamten Lebensmittelversorgungskette zu reduzieren. Dafür wird die Strategie kontinuierlich weiterentwickelt. Ziel des BMEL ist es, bis 2030 die Lebensmittel-abfälle in Deutschland zu halbieren und Lebensmittelverluste zu verringern. – Quelle: https://www.bmel.de/DE/themen/ernaehrung/lebensmittelverschwendung/strategie-lebensmittelverschwendung.html

Meiner Meinung nach können wir die Massentierhaltung nur wirksam zurückfahren, wenn wir weniger Fleisch verzehren und wegwerfen, weniger Tiere zum Verzehr züchten und die Viehzucht wieder weit mehr dem Tierwohl widmen. Die Folge ist sogar erwünscht: Fleisch wird teurer. Wenn wir nur noch Fleisch der Haltungs-stufe 4 und Bio-Fleisch erlauben, reduziert sich der Konsum und der Verzehr von Fleisch automatisch, wird weniger Fleisch verschwendet und weggeworfen.

Mit dem Club of Rome und Eduard Pestel sehe ich immer noch „Grenzen des Wachstums“ nicht nur der industriellen Produktion, sondern auch der Landwirtschaft und damit des globalen Bevölkerungs-Wachstums. Darin lasse ich mich auch nicht dadurch beirren, daß gewisse neoliberale Propagandisten immer wieder versuchen, die wissenschaftlichen Ansätze des Club of Rome grundsätzlich in Zweifel zu ziehen. Das Gegenteil ist richtig. Eine weltweite Wachstumskrise könnte sogar schneller kommen als 1972 hochgerechnet: (ZITAT 2020/2022) Weltweite Wachstumskrise könnte schneller kommen als berechnet - In seinen Grundannahmen wurde „Die Grenzen des Wachstums“ im Lauf der Jahre immer wieder wissenschaftlich bestätigt. Auch die jüngste Evaluierung des Club-of-Rome-Berichts macht deutlich: Dessen Szenarien sind noch ernst zu nehmen. Eine weltweite Wachstumskrise könnte sogar schneller kommen als hochgerechnet. Gaya Herrington, Systemanalystin bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, untersuchte 2020, ob quantitative Daten die Szenarien des ursprünglichen Berichts von 1972 stützten. Im Journal of Industrial Ecology schreibt sie: „Die beiden Szenarien, die am ehesten mit den beobachteten Daten übereinstimmen, deuten auf einen Stillstand in der Wohlfahrt, der Ernährung und der Industrieproduktion in den nächsten zehn Jahren hin, was die Eignung eines kontinuierlichen Wirtschaftswachstums als Ziel der Menschheit im 21. Jahrhundert in Frage stellt.“ – Quelle: https://www.swr.de/swr2/wissen/50-jahre-die-grenzen-des-wachstums-wie-richtig-lag-der-club-of-rome-swr2-wissen-2022-02-15-100.html

Kontinuierliches und immer weiteres Wirtschaftswachstum kann schon lange kein Ziel der Menschheit mehr sein, stößt in diesem Jahrzehnt endgültig an seine Grenzen. Auch immer weitere Bevölkerungs-Explosion führt jetzt schon zu immer mehr Migrations-Problemen weltweit und wird in wenigen Jahren überall an Grenzen stoßen. Flächendeckende Hungersnöte und Wassermangel werden zu kriegerischen Auseinandersetzungen um Essen und Wasser führen.

Es wird höchste Zeit für ein Umdenken in der Umweltpolitik, nicht nur beim Klimaschutz. Auch die Union sollte sich auf Ludwig Erhard, Kurt Biedenkopf, Eduard Pestel und Klaus Töpfer besinnen. Deutschland sollte mit einem Marshallplan für Afrika den unmittelbaren Rückwirkungen unserer Raubbau-Wirtschaft aufs Klima und auf Migration aus Afrika in die EU begegnen, den Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) schon 2017 gefordert hatte. – Quelle: https://www.bmz.de/resource/blob/23404/c690d79735d0690631e8ace55e930ed4/materialie460-marshallplan-umsetzung-data.pdf

Zum Verfasser: Otfrid Weiss ist Assessor jur., Ministerialrat a.D. und Oberst der Reserve. Nach seiner Verwaltungslaufbahn war er 21 Jahre in der Wirtschaft tätig, davon 14 Jahre bei SAP, Microsoft, Vision Consulting und Deloitte.